Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4
Instanzenzug: LG Lübeck vom 22.05.2007
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung (§ 178 StGB aF) in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision mit Verfahrensrügen und der allgemeinen Sachbeschwerde. Die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht Stand, da das Landgericht eine festgestellte Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) in einer der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr gerecht werdenden Weise kompensiert hat.
Das Landgericht hat für die vier festgestellten Taten mit rechtsfehlerfreien Erwägungen Einzelstrafen von drei Jahren und drei Monaten, vier Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und sechs Monaten sowie zwei Jahren und neun Monaten als eigentlich verwirkt angesehen. Sodann hat es unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung (vgl. hierzu = NJW 2007, 3294 ff.) die festgestellte, mehr als vierjährige Verzögerung des Verfahrens dadurch kompensiert, dass es Einzelstrafen von zwei Jahren und zwei Monaten, drei Jahren, einem Jahr und acht Monaten sowie einem Jahr und zehn Monaten festgesetzt und hieraus eine Gesamtstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gebildet hat.
Dies entspricht nicht dem Verfahren, in dem nach geänderter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu kompensieren ist (vgl. BGH - Großer Senat, Beschl. vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07). Der neue Tatrichter wird deshalb nunmehr schuldangemessene, die Verfahrensverzögerung außer Acht lassende Einzelstrafen festzusetzen, aus ihnen eine Gesamtstrafe zu bilden und sodann die Kompensation dadurch vorzunehmen haben, dass er in der Urteilsformel ausspricht, dass ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt. Dabei ist er durch § 358 Abs. 2 StPO nicht gehindert, höhere Strafen als die bisher erkannten zu verhängen, die jedoch die im angefochtenen Urteil als an sich verwirkt und ohne Kompensation als schuldangemessen festgesetzten Einzelstrafen nicht übersteigen dürften. Die zu verbüßende Strafe (die schuldangemessene Strafe abzüglich des für vollstreckt zu erklärenden Teils) darf vier Jahre und sechs Monate nicht übersteigen.
Der Angeklagte wird, auch wenn der neue Tatrichter auf eine vier Jahre und sechs Monate übersteigende Gesamtfreiheitsstrafe erkennt, hier durch die Kompensation in Form einer Anrechnung besser gestellt, da sich der Zeitpunkt, zu dem ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann, vorverlagert. Der Angeklagte kann deshalb - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - früher zur Bewährung aus dem Strafvollzug entlassen werden.
Die Feststellungen des Landgerichts sind sämtlich durch die rechtsfehlerhafte Verfahrensweise bei der Kompensierung nicht berührt. Sie können daher aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende, zu ihnen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAC-71243
1Nachschlagewerk: nein