Beratungsbefugnis von Lohnsteuerhilfevereinen erstreckt sich nicht auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit; keine Bagatellgrenze
Gesetze: StBerG § 4 Nr. 11, StBerG § 13 Abs. 1, EStG § 18, EStG § 19
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Lohnsteuerhilfeverein, betreute ein Vereinsmitglied, das als Polizistin tätig ist und in den Jahren 2003 und 2004 einige Übersetzungstätigkeiten für seinen Arbeitgeber gegen Entgelt übernommen hatte. Hinsichtlich dieser Tätigkeit liegen Rechnungen für das Jahr 2003 über 258 € und für das Jahr 2004 über 125 € vor. Seit August 2004 ist die Übersetzungstätigkeit beendet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) wies den Kläger gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) als Bevollmächtigten im Besteuerungsverfahren des Vereinsmitglieds zurück, da wegen dessen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit mit der Vertretung durch den Kläger § 4 Nr. 11 i.V.m. § 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) verletzt sei. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 239 veröffentlichten Urteil die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—, § 80 Abs. 5 AO, § 4 Nr. 11 StBerG).
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Zurückweisungsverfügung vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom sowie das Urteil des FG aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Kläger vom FA nach § 80 Abs. 5 AO als Bevollmächtigter zurückgewiesen wurde.
1. Gemäß § 80 Abs. 5 AO sind Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leisten, ohne dazu befugt zu sein. Nach § 13 Abs. 1 StBerG sind Lohnsteuerhilfevereine Selbsthilfeeinrichtungen von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in Steuersachen im Rahmen der begrenzten Befugnis des § 4 Nr. 11 StBerG für ihre Mitglieder. Gemäß § 4 Nr. 11 StBerG in der im Streitfall geltenden Fassung erstreckt sich ihre Befugnis nicht auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit, es sei denn, die entsprechenden Einnahmen sind gemäß § 3 Nr. 12 oder 26 EStG in voller Höhe steuerfrei. Umfasst sind demgegenüber Einnahmen aus anderen —in § 4 Nr. 11 Buchst. a und b StBerG nicht genannten— Einkunftsarten, die insgesamt die Höhe von 9 000 €, bei Zusammenveranlagung 18 000 €, nicht übersteigen (§ 4 Nr. 11 Buchst. c StBerG).
Mit der Beschränkung der Hilfeleistungsbefugnis von Lohnsteuerhilfevereinen auf in § 4 Nr. 11 StBerG genannte Einkünfte soll sichergestellt werden, dass diese nur bei den typischen Arbeitnehmereinkünften Hilfe leisten (ständige Rechtsprechung, , BFHE 176, 193, BStBl II 1995, 10, m.w.N.). Liegen noch andere Einkünfte vor, dürfen Lohnsteuerhilfevereine insgesamt nicht tätig werden. Die Beschränkung der Hilfeleistungsbefugnis eines Lohnsteuerhilfevereins auch in den Fällen der Arbeitnehmer-Veranlagung (§ 46 EStG) auf die in § 4 Nr. 11 StBerG genannten Einkünfte findet ihre Rechtfertigung darin, dass Personen, die die Hilfeleistung für den Verein ausüben, keiner umfassenden beruflichen Qualifikation auf dem Gebiet der Steuerberatung bedürfen (ständige Rechtsprechung, , BFHE 151, 289, BStBl II 1988, 147, unter II. 3. a).
Soweit der BFH die Befugnis der Lohnsteuerhilfevereine zur Hilfeleistung bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung in den Arbeitnehmerveranlagungsfällen auch auf Sachverhalte erstreckt hat, in denen der Steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Beteiligung an einer Grundstückgemeinschaft bezieht (§ 179 Abs. 1 und 2, § 180 AO), hat er dies im Wesentlichen damit begründet, dass derartige Beteiligungseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Einkommensteuererklärung nur nachrichtlich anzuführen sind und es insoweit keiner eigenständigen steuerlichen Beratungsleistung des Lohnsteuerhilfevereins bedarf; ein Schutz des Vereinsmitglieds vor fehlerhafter Beratung hinsichtlich der für Arbeitnehmer nicht typischen Einkünfte sei nicht erforderlich (BFH-Urteil in BFHE 151, 289, BStBl II 1988, 147). Dies hat der BFH jedoch auf einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb, an denen mehrere Personen beteiligt sind, und die diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind, nicht ausgedehnt (BFH-Urteil in BFHE 176, 193, BStBl II 1995, 10); denn bei den Gewinneinkünften erfolgt die Einkünfteermittlung nach wesentlich anderen Grundsätzen als bei anderen (Überschuss-)Einkünften, die -unter bestimmten Voraussetzungen- als arbeitnehmertypische Einkünfte in § 4 Nr. 11 StBerG geregelt sind.
Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) durch die Beschränkung der Beratungsbefugnis eines Lohnsteuerhilfevereins in § 4 Nr. 11 StBerG hat der BFH verneint, weil ein Lohnsteuerhilfeverein mit den zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen nicht vergleichbar ist (, BFHE 155, 292, BStBl II 1989, 384).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zutreffend die Berechtigung des Klägers zur Hilfeleistung in Steuersachen verneint.
a) Das Mitglied erzielte in den Streitjahren 2003 und 2004 nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Übersetzerin) gemäß § 18 EStG, die nicht nach § 3 Nr. 12 oder Nr. 26 EStG steuerfrei sind. Die Übersetzungstätigkeit war nicht Bestandteil der nichtselbständigen Tätigkeit des Mitglieds als Polizistin (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Das Mitglied war im Rahmen seiner Übersetzungstätigkeit auch nicht in die Arbeitsorganisation der Polizei eingebunden, insbesondere nicht weisungsabhängig. Zwischen der polizeilichen Tätigkeit und der Übersetzungstätigkeit bestand schon angesichts der vom Polizeidienstverhältnis unabhängigen Entgeltzahlung nach den allgemein für Übersetzer geltenden Vordrucken kein derart unmittelbarer Zusammenhang, dass eine Zuordnung der Übersetzungstätigkeit zur nichtselbständigen Arbeit als Polizistin gerechtfertigt wäre (vgl. , BFHE 181, 488, BStBl II 1997, 254). Vielmehr handelte es sich um zwei nach Inhalt und Anforderungsprofil sachlich zu trennende Leistungen. Die Nachhaltigkeit der Übersetzungstätigkeit ergab sich aus der tatsächlichen Wiederholung in den Jahren 2003 und 2004.
b) Der Umstand, dass die Höhe der erzielten Einkünfte aus Übersetzungsleistungen ggf. unter die Bagatellgrenze des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG fällt, ist für die Anwendung von § 4 Nr. 11 StBerG unerheblich. Denn auch im Rahmen der Anwendung von § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind —so insbesondere bei der Bestimmung der positiven Summe der Einkünfte und Leistungen— Fragen steuerrechtlicher Natur zu behandeln, hinsichtlich derer ein Schutzbedürfnis des Mitglieds vor fehlerhafter Beratung zu bejahen ist. Eine etwaige Ausweitung der Regelung des § 4 Nr. 11 StBerG auf Fälle, in denen § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG eingreift, wäre einer gesetzlichen Regelung vorzubehalten.
c) Schließlich bestehen auch keine verfassungsrechtlichen oder europarechtlichen Bedenken gegen die Zurückweisung des Klägers im Streitfall. Insbesondere gebietet Art. 12 Abs. 1 GG, soweit das Betreiben eines Lohnsteuerhilfevereins als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern (§ 13 Abs. 1 StBerG) überhaupt unter den Schutzbereich der Berufsfreiheit zu fassen sein sollte, jedenfalls nicht die Entlastung einer solchen Selbsthilfeeinrichtung von den Ausbildungsanforderungen, die für Steuerberater gelten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Umschreibung der Tätigkeiten, zu denen ein Lohnsteuerhilfeverein gemäß § 4 Nr. 11 StBerG berechtigt ist, das typisierte Schutzbedürfnis der organisierten Arbeitnehmer vor fehlerhafter Beratung im Hinblick auf die —im Vergleich insbesondere zu Steuerberatern (§ 3 Nr. 1 StBerG)— geminderten Anforderungen an die Ausbildung des Leiters einer Beratungsstelle (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nrn.2, 3 StBerG) verfehlt, die Grenzen seiner Einschätzungsprärogative überschritten und so Lohnsteuerhilfevereine in unverhältnismäßiger Weise von der Steuerberatung ausgeschlossen hätte.
Eine europarechtliche Diskriminierung ist nicht erkennbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HFR 2008 S. 674 Nr. 7
HAAAC-70827