BFH Urteil v. - IX R 8/07

Steuerrechtliche Anerkennung eines Mietverhältnisses zwischen nahen Angehörigen

Leitsatz

Die steuerrechtliche Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen ist u. a. davon abhängig, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Die Zahlung von Unterhalt an das mietende Kind, die Vereinbarung einer verbilligten Miete und ein schriftlicher Mietvertrag sind keine Kriterien des Fremdvergleichs.

Gesetze: EStG § 21, EStG § 12, EStG § 9

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) zahlten in den Streitjahren 2000 und 2001 ihrer Tochter (geb. 1966) Unterhalt in Höhe von 20 280 DM (2000) und 16 700 DM (2001), der in Höhe von 13 500 DM in 2000 und 14 040 DM in 2001 als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wurde. Sie sind zu gleichen Teilen Miteigentümer einer Wohnung (33 qm Wohnfläche), welche zunächst für 350 DM monatlich fremdvermietet war und lt. Mietvertrag vom bis für 228 DM per Barzahlung an die Tochter vermietet wurde. Eine Nebenkostenpauschale wurde nicht vereinbart; die Betriebskosten waren nach dem Mietvertrag in der Miete nicht enthalten, sondern als Vorschuss an den Vermieter zu zahlen und jährlich abzurechnen. Weiter verpflichtete sich die Mieterin, die umlagefähigen Nebenkosten eigenständig direkt an den Erheber zu zahlen.

Der Mietvertrag wurde auf Vermieterseite lediglich vom Kläger unterzeichnet. Die Tochter der Kläger hat nur die Stromkosten unmittelbar an das Versorgungsunternehmen bezahlt.

Die Kläger machten aus der Vermietung für das Jahr 2000 einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 10 462 DM, für das Jahr 2001 in Höhe von 6 370 DM geltend (u.a. umlagefähige Nebenkosten in Höhe von 1 830 DM und 2 575 DM, resultierend aus Aufwendungen für Grundsteuer, Heizung, Wasser, Versicherung und Müllgebühren).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte zunächst die Umlagen nicht als Werbungskosten an. In der Einspruchsentscheidung vom berücksichtigte das FA die Einkünfte aus der Vermietung an die Tochter insgesamt nicht mehr.

Die Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das Mietverhältnis der Kläger mit der Tochter sei steuerlich nicht anzuerkennen.

Das Mietverhältnis zwischen den Klägern und ihrer Tochter halte dem erforderlichen Fremdvergleich nicht stand. Die Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalles führe vielmehr zu dem Ergebnis, dass das Mietverhältnis sowohl in der Gestaltung als auch in der Durchführung in mehreren Punkten nicht dem zwischen Dritten Üblichen entspreche. Die Abweichungen seien zwar nicht einzeln betrachtet, aber in ihrer Gesamtheit so gravierend, dass das Mietverhältnis in den Streitjahren keine steuerliche Anerkennung finden könne.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere sei eine pauschale Vereinbarung von Nebenkosten durchaus fremdüblich. Durch faktisches Weiterwohnen hätten die Regelungen des Mietvertrags weiter Bestand. Die Hauptpflichten des Vertrages (Mietgegenstand, Mietzahlung) seien eindeutig geregelt und auch in den Jahren des Vermietens beachtet worden. Der Tatsache der verbilligten Vermietung sei bei der Überprüfung des Mietvertrages im Rahmen des Fremdvergleichs keine Bedeutung beizumessen. Auch ziehe das FG einerseits den Veranlagungszeitraum 1998 für die steuerliche Nichtanerkennung des Vertrages heran, beziehe aber andererseits die objektiven Beweisanzeichen aus den späteren veranlagten Zeiträumen nicht mit ein. Im Übrigen habe das FG zu Unrecht auf die Unterhaltszahlungen an die Tochter der Kläger abgestellt.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001, jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass unter Berücksichtigung der geltend gemachten Werbungskostenübeschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Einkommensteuer 2000 auf 34 346 DM und 2001 auf 18 366 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Unrecht in seine Gesamtwürdigung im Rahmen des Fremdvergleichs die Gesichtspunkte der verbilligten Vermietung sowie der Unterhaltsgewährung an die Tochter der Kläger mit einbezogen.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die steuerrechtliche Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen u.a. davon abhängig, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. , BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294, m.w.N.).

a) Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessengegensatz mangelt und somit zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können (vgl. Bundesverfassungsgericht —BVerfG—, Beschluss vom 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34). Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2 BvR 769/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1992, 23; vom 1 BvR 1406/84, HFR 1985, 283).

Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85, 88 der Abgabenordnung und § 76 Abs. 1 FGO. Er ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch unter Angehörigen stattgefunden hat, ob aufgrund eines den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllenden Vertrages oder aus privaten, familiären Gründen. Erst das Ergebnis dieser der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden Indizienwürdigung ermöglicht die nachfolgende rechtliche Subsumtion, ob es sich bei den Aufwendungen des Steuerpflichtigen um nicht abziehbare Privatausgaben oder aber um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt (, BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699).

Die revisionsrechtliche Überprüfung der (hierfür notwendigen) Gesamtwürdigung des FG durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen einbezogen und dabei nicht gegen Denkansätze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (, BFH/NV 2005, 192).

b) Maßgebliche Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des EinkommensteuergesetzesEStG—) zugehörig sind, bilden insbesondere die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleiches (BFH-Urteil in BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294, m.w.N.).

Jedenfalls die Hauptpflichten der Vertragsparteien müssen klar und eindeutig vereinbart worden sein und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (ständige Rechtsprechung seit , BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106). Eine verbilligte Miete ist nicht in den Fremdvergleich einzubeziehen, sondern Kriterium der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht (, BFHE 202, 566, BStBl II 2003, 806; vom IX R 28/03, BFH/NV 2005, 50).

Auch die Gewährung von Unterhalt ist kein Kriterium des Fremdvergleichs. Eine Wohnung kann grundsätzlich auch an ein unterhaltsberechtigtes Kind mit steuerlicher Wirkung vermietet werden (, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224).

Ist einem Mietvertrag zwischen nahen Angehörigen nicht zu entnehmen, ob eine Warmmiete oder Kaltmiete vereinbart wurde, so fehlt es an einer klaren und eindeutigen Bestimmung der Höhe der Miete als einer vertraglichen Hauptpflicht (, BFH/NV 2004, 1531). Sind andererseits hinsichtlich der Nebenabgaben keine Vereinbarungen getroffen, muss dies nicht zwingend zur Nichtanerkennung des Vertrages führen. Dieser Umstand ist vielmehr im Zusammenhang mit sämtlichen weiteren Umständen zu würdigen, die für oder gegen die private Veranlassung des Vertragsverhältnisses sprechen (, BFH/NV 2001, 305). Dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen wie eine vom Vertrag abweichende Abwicklung von Nebenkosten die Anerkennung eines Mietvertrages unter Angehörigen aus (Anschluss an BFH-Urteil in BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; , BFH/NV 2004, 1270, m.w.N.).

Bei der Prüfung von Mietverträgen unter Angehörigen am Maßstab des Fremdvergleichs kann für die Auslegung ursprünglich unklarer Vereinbarungen die spätere tatsächliche Übung der Parteien herangezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699). Im Rahmen des Fremdvergleichs können auch Tatsachen außerhalb der Streitjahre berücksichtigt werden, soweit sie für die Streitjahre von Bedeutung sind (, BFH/NV 2001, 778).

Weisen ein mit Fremden geschlossener Mietvertrag und ein Mietvertrag mit Angehörigen nach ihrem Inhalt oder in ihrer Durchführung gleichartige Mängel auf, so verliert das zwischen fremden Dritten übliche Vertragsgebaren für die Indizienwürdigung an Gewicht. Die Mängel des Angehörigenvertrages deuten dann nicht ohne weiteres auf eine private Veranlassung des Leistungsaustausches hin (BFH-Urteil in BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699).

2. Diesen Maßstäben entspricht die Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Zu Unrecht hat das FG die Unterhaltszahlungen der Kläger an die Tochter und die Verbilligung der Miete der Tochter gegenüber dem vorgehenden Mietvertrag mit einem Dritten als Kriterien des Fremdvergleichs herangezogen. Andererseits fehlen Feststellungen zur Marktüblichkeit der Miete im Hinblick auf die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger.

Nicht in die Gesamtwürdigung einzubeziehen ist die fehlende Schriftform des Mietverhältnisses, da diese schon für die zivilrechtliche Wirksamkeit unerheblich ist (, BFH/NV 2000, 429, und vom IX R 35/05, BFH/NV 2006, 1648). Hinsichtlich der Mietdauer ist von den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zur konkludenten Fortsetzung eines zunächst befristeten Mietverhältnisses auszugehen. Insoweit stellt das FG zu Unrecht auf eine Unerheblichkeit einer nachträglichen, nicht unmittelbar die Streitjahre betreffenden Mieterhöhung ab und lässt andererseits aber die Fortsetzung des Mietverhältnisses offen.

Insgesamt wird das FG unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze das streitige Mietverhältnis erneut zu beurteilen haben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 350 Nr. 3
EStB 2008 S. 99 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 16045 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 10
FAAAC-68143