Entschuldbarer Irrtum über die Erscheinenspflicht
Gesetze: FGO § 53 Abs. 2; FGO § 82
Instanzenzug: FG Nürnberg Beschlüsse vom VII 87/2006, VII 88/2006
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) hatte mit zwei Beweisbeschlüssen vom in den Verfahren VII 87/2006 und VII 88/2006 die Vernehmung des Beschwerdeführers als Zeugen angeordnet und ihn zu dem jeweils auf den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme geladen. Die Ladungen waren an „Herrn A.B.” unter der Anschrift „.” gerichtet. Der Namenszusatz „senior (sen.)” war auf den Ladungen nicht angegeben.
Zu dem Termin am erschien der Beschwerdeführer nicht. Außer der anderweitig geladenen Zeugin Z, einer Schwester des Klägers, und dem Kläger persönlich erschien auch der Bruder des Klägers, Herr A.B. jun.. Das FG beschloss, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben und einen neuen Termin von Amts wegen festzusetzen. Zu diesem Termin am wurde der Beschwerdeführer wiederum als Zeuge geladen. Er machte jedoch mit Schreiben vom von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Daraufhin sah das FG von der Vernehmung des Beschwerdeführers ab. Die Klageverfahren wurden nach Vernehmung der zu dem Termin am erneut geladenen Zeugin Z durch Urteil entschieden.
Das FG setzte mit dem hier angefochtenen Beschluss vom gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld von 200 € fest und legte ihm die durch sein Ausbleiben zu dem Termin am verursachten Kosten auf. Zur Begründung führte das FG aus, der ordnungsgemäß als Zeuge geladene und gleichwohl nicht erschienene Beschwerdeführer habe sein Ausbleiben nicht entschuldigt. Zwar hätten der Kläger, die Zeugin Z und Herr A.B. jun. erklärt, die Familie habe nicht gewusst, welcher Träger des Namens „A.B.” in der Ladung angesprochen gewesen sei. Dies sei indessen nicht glaubhaft, weil unter der Ladungsanschrift der Sohn des Beschwerdeführers A.B. jun. nicht wohnhaft und auch nicht gemeldet gewesen sei.
Mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, trägt der Beschwerdeführer vor, es habe sich um eine Verwechslung gehandelt. Herr A.B. jun. habe in den Streitjahren (1996 bis 1999) ebenfalls unter der Adresse „.” gewohnt. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seines fortgeschrittenen Alters gesundheitlich angeschlagen und könne sich aus diesem Grunde auch nur schlecht an die Vorgänge in den Streitjahren erinnern. Aus diesem Grunde sei er ebenso wie der Kläger, dessen Schwester und Bruder der Auffassung gewesen, dass mit der Zeugenladung Herr A.B. jun. gemeint gewesen sei. Folgerichtig sei dieser zu dem Verhandlungstermin erschienen. Auch die Zeugin Z sei unter der Anschrift „.” geladen worden, obwohl dem FG die jetzige, anders lautende ladungsfähige Anschrift der Zeugin bekannt gewesen sei.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat dem Beschwerdeführer zu Recht die Kosten auferlegt und ein Ordnungsgeld festgesetzt.
1. Gemäß § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, ohne dass es eines Antrages bedarf. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt. Gemäß § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 ZPO unterbleiben die Festsetzung eines Ordnungsmittels und die Auferlegung der Kosten, wenn der Zeuge sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt. Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben.
2. Der Beschwerdeführer ist ordnungsgemäß geladen worden. Die Ladung wurde dem Beschwerdeführer wirksam zugestellt (§§ 82 FGO, 377 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 53 Abs. 2 FGO, § 166 ZPO). Der Ladung war auch klar und eindeutig zu entnehmen, dass sie für den Beschwerdeführer bestimmt war. Der Beschwerdeführer war in der Ladung mit vollem Vor- und Zunamen bezeichnet. Das Fehlen des Namenszusatzes „sen.” steht der Ordnungsmäßigkeit der Ladung nicht entgegen. Denn unter der in der Ladung angegebenen Anschrift war zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Ladung nur der Beschwerdeführer mit dem Namen A.B. wohnhaft (zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Zugangs bei der Auslegung von Verwaltungsakten vgl. auch , BFH/NV 1989, 758, 760, unter 2.d aa der Gründe; Klein/ Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 119 Rz 5, jeweils m.w.N.). Der Sohn des Beschwerdeführers, A.B. jun., wohnte unter dieser Adresse nicht mehr, wie der Beschwerdeführer selbst eingeräumt hat. Die Ladung entsprach auch im Übrigen den Anforderungen der §§ 82 FGO, 377 Abs. 2 ZPO.
3. Der Beschwerdeführer hat —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— vor dem Termin am sein Ausbleiben nicht entschuldigt. Auch die von ihm mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe rechtfertigen keine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
a) Eine genügende Entschuldigung i.S. von § 381 Abs. 1 ZPO kann nur Umständen entnommen werden, die das Verhalten des Zeugen nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen. Dazu sind schwerwiegende Gründe für das Ausbleiben erforderlich, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben (vgl. , BFH/NV 2007, 468, m.w.N.). Zwar kann ausnahmsweise auch ein entschuldbarer Irrtum über die Erscheinenspflicht trotz Kenntnis von der Ladung das Ausbleiben des Zeugen entschuldigen (vgl. MünchKommZPO/Damrau, 2. Aufl., § 381 Rz 7; Stein/Jonas/ Berger, ZPO, 22. Aufl., § 381 Rz 8 i.V.m. Stein/ Jonas/Roth, a.a.O., § 233 Rz 50 „Rechtsirrtum”, jeweils m.w.N.). Allerdings obliegt es dem Ladungsempfänger, wenn er trotz einer (unmissverständlichen) Ladung Zweifel daran hat, ob er erscheinen muss, beim Gericht nachzufragen. Unterlässt er eine solche Nachfrage, liegt grundsätzlich keine genügende Entschuldigung des Ausbleibens vor (vgl. , OLGR Köln 1999, 14).
b) Nach diesen Maßstäben vermag die vermeintliche Annahme des Beschwerdeführers, die Ladung betreffe nicht ihn, sondern seinen Sohn, sein Ausbleiben nicht zu entschuldigen. Selbst wenn der Beschwerdeführer angenommen haben sollte, dass nicht er, sondern sein Sohn zu dem Termin erscheinen müsse, hätte er angesichts der eindeutig an ihn adressierten Ladung beim Gericht nachfragen müssen. Wenn er hierzu gleichwohl keinen Anlass sah, ist sein Ausbleiben zum Termin jedenfalls nicht genügend entschuldigt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das FG die Tochter des Beschwerdeführers, Z, ebenfalls unter dessen Anschrift als Zeugin geladen hatte.
4. Die Höhe des vom FG festgesetzten Ordnungsgeldes liegt mit 200 € im unteren Bereich des in Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vorgegebenen Rahmens von 5 € bis 1 000 €. Einer besonderen Begründung bedurfte sie daher nicht (vgl. , BFH/NV 1994, 733, m.w.N.). Der festgesetzte Betrag, der nach pflichtgemäßem Ermessen insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung der Rechtssache sowie der Bedeutung der Zeugenaussage für die Entscheidung, ferner der Schwere der Pflichtverletzung und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen zu bestimmen ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 468, m.w.N.), ist auch angemessen. Das nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers mindestens fahrlässige Ausbleiben rechtfertigt das festgesetzte Ordnungsgeld im unteren Bereich des Ordnungsgeldrahmens, zumal das Nichterscheinen des Beschwerdeführers einen neuen Termin erforderlich machte, so dass für das FG, die übrigen Beteiligten und die Zeugin Z ein nicht unerheblicher zusätzlicher Aufwand entstand (vgl. , BFH/NV 1987, 381). Im Übrigen hat der Beschwerdeführer keine Umstände, insbesondere im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse vorgetragen, die eine Herabsetzung des Ordnungsgelds rechtfertigen könnten.
Fundstelle(n):
SAAAC-66215