Leitsatz
[1] a) Die Entscheidung, durch die eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil versagt wird, muss auch dann durch Urteil ergehen, wenn sie isoliert vorab und nicht zusammen mit der Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung sowie ohne mündliche Verhandlung getroffen wird.
b) Fehlt auf einer Zustellungsurkunde die nach § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO erforderliche Unterschrift des Zustellers (hier: statt Unterschrift nur Paraphe), ist die Zustellung nicht unwirksam. Die fehlende Unterschrift kann nachgeholt werden. Eine entsprechend ergänzte Zustellungsurkunde hat nicht die Beweiskraft des § 418 ZPO, sondern ist nach § 419 ZPO frei zu würdigen.
Gesetze: ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 182 Abs. 2 Nr. 8; ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 341 Abs. 2; ZPO § 418; ZPO § 419; ZPO § 542 Abs. 1
Instanzenzug: LG Köln 15 O 735/03 vom OLG Köln 12 U 8/05 vom
Tatbestand
Der Kläger hat am gegen die Beklagte im schriftlichen Verfahren ein Versäumnisurteil über 80.784,11 € nebst Zinsen erwirkt. Nach der Zustellungsurkunde ist das Versäumnisurteil der Beklagten am im Wege der Ersatzzustellung an ihren erwachsenen ständigen Mitbewohner S. zugestellt worden. Die Beklagte hat gegen das Versäumnisurteil am Einspruch erhoben. Am hat sie beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren.
Hierzu hat die Beklagte geltend gemacht, sie habe vor dem weder von der Zustellung der Klage noch von der des Versäumnisurteils Kenntnis erlangt. Zu diesem Zeitpunkt habe ihr der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung angedroht. Sie sei von Anfang Juli bis Ende August 2004 nicht in Köln gewesen. Während ihrer Abwesenheit habe sie ihren Untermieter S. beauftragt, ihren Briefkasten zu leeren, ihre Post zu sichten, Briefe mit unklarem Inhalt zu öffnen und sie über Schriftstücke von Bedeutung zu informieren oder diese ihr zuzusenden. Der Untermieter habe in der Zeit ihrer Abwesenheit das Versäumnisurteil nicht entgegengenommen. Über den Erhalt von Gerichtspost habe er sie auch nicht unterrichtet, und sie habe das Versäumnisurteil auch nach der Rückkehr nicht vorgefunden.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten mit Beschluss vom zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das zunächst als unzulässig verworfen, weil gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung nur das Rechtsmittel der Berufung statthaft sei. Auf die Gegenvorstellung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Beschluss vom geändert und die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren. Der Kläger war im Revisionsverfahren trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten.
Gründe
I. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Beklagte habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen zu sein. Nach der Zustellungsurkunde vom sei eine Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an den Untermieter S. der Beklagten und nicht nur eine Benachrichtigung über eine Zustellung oder eine Zustellung durch Einwurf in den Briefkasten erfolgt. Als öffentlicher Urkunde komme der Zustellungsurkunde volle Beweiskraft zu. Den nach § 418 Abs. 2 ZPO möglichen Gegenbeweis habe die Beklagte nicht geführt. Es sei schon fraglich, ob die Anordnung an S. ausgereicht habe. Die Anweisung sei unbestimmt und gewährleiste den Erhalt wichtiger Schriftstücke nicht im notwendigen Umfang.
Selbst wenn die Anordnung ausreichend gewesen sei, sei der Beklagten das Verschulden des Mitbewohners S. zuzurechnen, der zur Entgegennahme von zuzustellenden Schriftstücken bevollmächtigt gewesen sei. Die eidesstattliche Versicherung des S. sei nicht geeignet, den durch die Zustellungsurkunde erbrachten Beweis, dass die Zustellung an ihn erfolgt sei, zu erschüttern.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Über die Revision ist auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil gemäß § 555 Abs. 1, § 331 Abs. 1 ZPO zu entscheiden, weil der Revisionsbeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten war.
2. Die Revision ist zulässig.
a) Das Oberlandesgericht hat zwar nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss entschieden. Daraus folgt jedoch nicht die Unzulässigkeit der Revision, auch wenn dieses Rechtsmittel nach § 542 Abs. 1 ZPO nur gegen Endurteile statthaft ist. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung, der im Fall einer nicht korrekten Form der Entscheidung eingreift. Hat das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt, steht den Parteien sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre (BGHZ 98, 362, 364; 152, 213, 216; Wieczorek/Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 542 Rdn. 53; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., Vor § 511 Rdn. 30).
b) Im Streitfall hat das Landgericht über das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten statt durch Urteil verfahrensfehlerhaft durch Beschluss entschieden.
Nach § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags und auf die Anfechtung der Entscheidung die Vorschriften anzuwenden, die für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Dabei macht es keinen Unterschied, ob über das Wiedereinsetzungsgesuch isoliert vorab oder zusammen mit der nachgeholten Prozesshandlung eine Entscheidung getroffen wird.
aa) Nach § 341 Abs. 2 ZPO in der Fassung vom konnte das Gericht nach seinem Ermessen über die Unzulässigkeit des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss oder aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil befinden. Die Entscheidung durch Beschluss konnte die Partei mit der sofortigen Beschwerde, diejenige durch Urteil mit der Berufung anfechten (§ 341 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.). Zweck der am in Kraft getretenen Neuregelung ist es, dieses unübersichtliche Nebeneinander verschiedener Rechtsmittel zu bereinigen, durch die zwingende Urteilsform die Entscheidung aufzuwerten und eine einheitliche Behandlung sicherzustellen (Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 87). Die Neufassung des § 341 Abs. 2 ZPO sieht daher zwingend eine Entscheidung durch Urteil auch dann vor, wenn sie ohne mündliche Verhandlung getroffen wird (vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/4722, S. 86). Das Landgericht hätte daher über den Einspruch der Beklagten durch Urteil entscheiden müssen (vgl. Zöller/Herget aaO § 341 Rdn. 8 f.).
bb) Folglich hätte das Landgericht auch über die - regelmäßig unzweckmäßige - isolierte Versagung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Urteil erkennen müssen (a.A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 238 Rdn. 6; MünchKomm.ZPO/Feiber, 2. Aufl., § 238 Rdn. 11; Musielak/Grandel, ZPO, 5. Aufl., § 238 Rdn. 4; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., § 238 Rdn. 9).
Die Entscheidung durch Urteil entspricht auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften. § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO soll die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch an die nachgeholte Prozesshandlung binden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung nimmt deshalb denselben Gang wie die versäumte Prozesshandlung (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, Abteilung 1, Begründung des Entwurfs §§ 206-208, S. 173). Dem Zweck des § 341 Abs. 2 ZPO n.F. entspricht es ebenfalls, die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag bei Versäumung der Einspruchsfrist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 341 Abs. 2 ZPO stets durch Urteil und nicht durch Beschluss zu treffen, um verschiedene Rechtsmittel gegen in unterschiedlicher Form ergangene Entscheidungen auszuschließen.
cc) Hätte das Landgericht über das Wiedereinsetzungsgesuch richtigerweise durch Urteil erkannt, hätte die Beklagte das die Wiedereinsetzung versagende Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung und das die Berufung zurückweisende Urteil des Berufungsgerichts gegebenenfalls mit der Revision anfechten können (vgl. BGHZ 47, 289, 291 f.; Zöller/Greger aaO § 238 Rdn. 7). Der Umstand, dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft nicht durch ein mit der Berufung anfechtbares Urteil entschieden und das Berufungsgericht die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten nicht durch ein gegebenenfalls mit der Revision anfechtbares Urteil zurückgewiesen haben, kann sich nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung nicht zum Nachteil der Beklagten auswirken.
3. Die Revision ist auch begründet.
a) Einer Entscheidung in der Sache steht nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde gegen den die Wiedereinsetzung versagenden Beschluss des Landgerichts zunächst mit Beschluss vom als unzulässig mit der Begründung verworfen hat, die Beklagte hätte die landgerichtliche Entscheidung mit der Berufung anfechten müssen. Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom auf die Gegenvorstellung der Beklagten hin in prozessual zulässiger Weise geändert (vgl. BGHZ 150, 133, 136).
b) Der kann aber schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Oberlandesgericht - ebenso wie schon das Landgericht - keine ausreichenden Feststellungen über die nach § 341 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit des Einspruchs getroffen hat.
aa) Die Vorinstanzen hätten zunächst von Amts wegen klären müssen, ob das Versäumnisurteil der Beklagten am durch Ersatzzustellung an den Mitbewohner S. nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugestellt worden war. Die Beklagte hat dies in Abrede gestellt. Die Zustellungsurkunde über die Ersatzzustellung an den Mitbewohner S. begründete entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts keinen vollen Beweis der in der Urkunde bezeugten Tatsachen nach § 418 ZPO.
bb) Die Zustellungsurkunde enthielt nicht die nach § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO erforderliche Unterschrift des Zustellers.
Für eine Unterschrift reicht es aus, dass ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individuell gestalteter Namenszug vorliegt, der die Absicht erkennen lässt, eine volle Unterschrift zu leisten. Der Namenszug kann flüchtig geschrieben sein und braucht weder die einzelnen Buchstaben klar erkennen zu lassen noch im Ganzen lesbar zu sein; ein Handzeichen genügt jedoch nicht (vgl. , NJW 1992, 243; OLG Frankfurt NJW 1993, 3079; Zöller/Stöber aaO § 182 Rdn. 12).
Diesen Anforderungen entspricht das auf der Zustellungsurkunde angebrachte Schriftzeichen des Zustellers nicht. Auch unter Heranziehung des Stempelaufdrucks mit dem vollständigen Vor- und Nachnamen des Zustellers besteht das Zeichen lediglich aus einer Paraphe, die als Unterschrift i.S. von § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO nicht ausreicht.
Das Fehlen der Unterschrift des Zustellers führt nach der Neufassung der Zustellungsvorschriften durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren vom (BGBl. I 1206) allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung, weil die Beurkundung des Zustellungsvorgangs nach § 182 ZPO nur dem Nachweis der Zustellung dient und nicht konstitutiver Bestandteil der Zustellung ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/4554, S. 15; Zöller/Stöber aaO § 167 Rdn. 1; Musielak/Wolst aaO § 166 Rdn. 2). Die Unterschrift des Zustellers könnte deshalb noch nachgeholt werden (vgl. Zöller/Stöber aaO § 182 Rdn. 18; enger: Wieczorek/Rohe aaO § 182 Rdn. 36: Nachholung nur in engem zeitlichen Zusammenhang). Die Beweiskraft der entsprechend ergänzten Zustellungsurkunde wäre vom Tatrichter, gegebenenfalls nach Vernehmung des Zustellers und des Mitbewohners S. der Beklagten, nach freier Überzeugung gemäß § 419 ZPO ohne Bindung an die Beweiskraft öffentlicher Urkunden nach § 418 ZPO zu würdigen.
c) Einer nachträglichen Einholung der Unterschrift des Zustellers auf der Zustellungsurkunde und zusätzlicher Beweiserhebungen über eine Zustellung des Versäumnisurteils am an den Mitbewohner S. der Beklagten bedarf es im Streitfall aber ausnahmsweise nicht. Dies gilt auch, wenn - wie vorliegend - eine Partei an sich behauptet, eine gerichtliche Frist eingehalten zu haben, und den Antrag auf Wiedereinsetzung daher schlüssig nur hilfsweise für den Fall der Fristversäumnis stellt (zur hilfsweisen Stellung des Wiedereinsetzungsantrags: , NJW 2007, 1457 Tz. 12). Aus Gründen der Verfahrensvereinfachung kann in derartigen Fällen, in denen es noch weiterer Beweiserhebungen zur Rechtzeitigkeit eines Rechtsbehelfs bedarf, andererseits aber schon jetzt davon auszugehen ist, dass selbst dann, wenn sich die Fristwahrung nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen lässt, jedenfalls Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, dem Wiedereinsetzungsgesuch stattgegeben werden (, NJW-RR 2002, 1070 f.). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall.
aa) Das Oberlandesgericht hat der Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht verwehrt. Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist von zwei Wochen nach § 339 Abs. 1 ZPO einzuhalten (§ 233 Abs. 1 ZPO).
bb) Die Beklagte traf kein eigenes Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist. Sie hat durch ihre eidesstattliche Versicherung vom glaubhaft gemacht, dass sie sich in der Zeit vom 3. Juli bis nicht in Köln aufgehalten hat.
Die Beklagte musste allerdings Vorkehrungen treffen, dass sie von gerichtlichen Zustellungen Kenntnis erlangte. Denn sie musste mit einer gerichtlichen Zustellung eines Versäumnisurteils rechnen, nachdem ihr die Klage mit der Anordnung des schriftlichen Verfahrens am durch Niederlegung gemäß § 181 Abs. 1 ZPO zugestellt worden war. Dem durch die Zustellungsurkunde erbrachten vollen Beweis gemäß § 418 Abs. 1 ZPO über die Zustellung der Klageschrift hat die Beklagte mit ihrer gegenteiligen eidesstattlichen Versicherung nicht widerlegt. Die Klageschrift wurde ihr nach der Zustellungsurkunde vom durch Niederlegung in ihren Hausbriefkasten zugestellt. Nach ihrer eidesstattlichen Versicherung vom war die Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung nicht verreist. Einen Grund, warum sie die Klageschrift nicht erhalten hat, hat die Beklagte nicht dargelegt.
Die getroffenen Vorkehrungen, die die Beklagte durch ihre eigene eidesstattliche Versicherung und die ihres Mitbewohners S. glaubhaft gemacht hat, um von einer gerichtlichen Zustellung Kenntnis zu erlangen, waren entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts jedoch ausreichend. Die Beklagte hat ihren Mitbewohner beauftragt, den Briefkasten zu leeren, die Briefe zu sichten, Briefe mit unklarem Inhalt zu öffnen und sie über Schriftstücke von Bedeutung zu unterrichten. Dass der Mitbewohner S. unzuverlässig war, ist nicht ersichtlich. Die Vorgehensweise, die die Beklagte mit ihrem Mitbewohner verabredet hatte, war auch bestimmt genug, um von Gerichtssendungen Kenntnis zu erhalten. Gerichtspost wird ein zuverlässiger Erwachsener stets als wesentlich ansehen. Förmliche gerichtliche Zustellungen sind auch ohne Weiteres erkennbar. Sie erfolgen gemäß § 190 ZPO i.V. mit der Anlage 2 der Zustellungsvordruckverordnung vom (BGBl. I S. 671, berichtigt S. 1019) in gelben Umschlägen. Diese enthalten als Absender das jeweilige Gericht, das Aktenzeichen sowie den Aufdruck "förmliche Zustellung". Auf der Rückseite ist unter der Überschrift "wichtiger Hinweis:" unter anderem der Vermerk enthalten: "Mit dieser Sendung werden Ihnen in gesetzlich vorgeschriebener Form die im Umschlag enthaltenen Schriftstücke förmlich zugestellt."
Die Beklagte durfte sich unter diesen Umständen darauf verlassen, dass ihr Mitbewohner S. sie von eingehender Gerichtspost verständigen würde.
cc) Ein etwaiges Verschulden des Mitbewohners S. muss sich die Beklagte entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht zurechnen lassen.
Eine Zurechnung eines möglicherweise gegebenen Verschuldens des S. nach § 85 Abs. 2 ZPO scheidet aus, weil S. nicht Bevollmächtigter im Sinne dieser Vorschrift war. Dazu reichte die mit S. getroffene Vereinbarung, sich in der dargestellten Weise um die Post der Beklagten zu kümmern, nicht aus. S. war lediglich eine Hilfsperson, die der Beklagten half, ihren Obliegenheiten bei möglichen Zustellungen nachzukommen. Für ein etwaiges Verschulden des S. im Zusammenhang mit der Zustellung des Versäumnisurteils und der Information der Beklagten haftet diese nicht (vgl. , NJW-RR 2000, 444, 445; Beschl. v. - VIII ZB 8/01, NJW-RR 2002, 137).
III. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht und das Revisionsverfahren sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben, weil sie bei richtiger Entscheidung des Landgerichts nicht angefallen wären.
Eine Entscheidung über die übrigen Kosten ist der Endentscheidung des Berufungsgerichts in der Hauptsache vorbehalten, bei dem das Berufungsverfahren gegen das anhängig ist, durch das der Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen worden ist (vgl. hierzu auch , NJW 2006, 693, 695).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 218 Nr. 3
HAAAC-63777
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja