Zurückweisung einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft
Gesetze: StBerG § 3 Nr. 4, StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4, EG Art. 50, AO § 80 Abs. 5
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin ist eine in Großbritannien registrierte Steuerberatungsgesellschaft mit Niederlassungen in den Niederlanden und in Belgien. In Deutschland ist die Beschwerdeführerin nicht als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt. Ihre Direktoren sind A und B. Beide wohnen jeweils unter einer Adresse in Deutschland, sind aber in Deutschland nicht als Steuerberater bestellt. A's Bestellung als Steuerberater wurde im Jahr 2000 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) widerrufen. Die hiergegen erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
Mit Beschluss vom wies das Finanzgericht (FG) die Beschwerdeführerin als Prozessbevollmächtigte nach § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurück. Sie sei gemäß § 3 Nr. 4 StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen im Inland befugt. Es verwies auf verschiedene Urteile, jeweils vom , veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1286, mit denen es die Klagen der Beschwerdeführerin gegen deren Zurückweisung als Bevollmächtigte gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) abgewiesen hatte. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Beschluss vom VII B 165-167/06 (BFH/NV 2007, 785) die dagegen erhobenen Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen und bestätigt, dass die Beschwerdeführerin ihre Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen auch nicht aus Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) herleiten könne, da sie im Sinne des Art. 50 Satz 3 EG im Inland nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft, regelmäßig wiederkehrend und kontinuierlich steuerberatend tätig werde. Dass die Beschwerdeführerin im Inland nicht nur vorübergehend steuerberatend tätig werde, ergebe sich bereits daraus, dass sie neben dem vorliegenden Verfahren allein beim FG in mindestens 10 weiteren Klage- und Eilverfahren als Bevollmächtigte aufgetreten sei oder auftrete.
Die von der Beschwerdeführerin angeführte Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (EU-Dienstleistungsrichtlinie) führe nicht dazu, dass die in Art. 50 Satz 3 EG geregelte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auf vorübergehende Tätigkeiten in dem Staat der Leistungserbringung aufgehoben worden sei. Vielmehr ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 31 Abs. 2 der EU-Dienstleistungsrichtlinie, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der Dienstleistungserbringer nicht niedergelassen sei, nach wie vor nur vorübergehende Dienstleistungen ohne Beschränkung erbracht werden dürften.
Mit ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, sie sei nur vorübergehend im Inland tätig. Hierunter sei nicht die grenzüberschreitende Tätigkeit, sondern nur der persönliche und körperliche Aufenthalt im Inland zu verstehen. Sie übe ihre Tätigkeit in ihren Niederlassungen in den Niederlanden und Belgien aus. Dort würden auch Bilanzen und Steuererklärungen erstellt und Rechtsbehelfe formuliert. In der Bundesrepublik halte sie sich nur zu Terminen bei Gerichten, Behörden und anderen Instituten sowie gelegentlich bei Mandanten auf.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Beschwerdeführerin als Prozessbevollmächtigte nach § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zurückgewiesen, weil sie nicht nach § 3 Nr. 4 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen im Inland befugt ist.
1. Die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen steht nach § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom (BGBl I 2000, 874) auch Personen und Vereinigungen zu, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 EG erbringen (BFH-Beschlüsse vom VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; in BFH/NV 2007, 785).
Der für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG maßgebende Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG erfasst nur grenzüberschreitende, vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen. Denn zum einen sind nach Art. 49 EG nur solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige von Mitgliedstaaten verboten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Zum anderen sind Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Satz 3 EG: „vorübergehend”) in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom Rs. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801; vom Rs. C-55/94, EuGHE I 1995, 4165, 4195; vom Rs. C-215/01, EuGHE I 2003, 14847; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 785; in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; vom VII B 99/03, BFH/NV 2004, 827; , BFH/NV 2004, 671).
Ob eine grenzüberschreitende Dienstleistung nur einen vorübergehenden Charakter hat, beurteilt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile in EuGHE I 1995, 4165, 4195 f.; vom Rs. C-131/01, EuGHE I 2003, 1659, und in EuGHE I 2003, 14847) nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität. Eine Dienstleistung i.S. von Art. 50 EG schließt auch die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer ein, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer dagegen in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 785).
Aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie ergibt sich nichts Gegenteiliges. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass Art. 31 Abs. 2 EU-Dienstleistungsrichtlinie, der bestimmt, inwieweit die Behörden des Mitgliedstaates, in dem die Dienstleistung erbracht wird, im Falle eines vorübergehenden Ortswechsels des Dienstleistungserbringers dessen Tätigkeit kontrollieren, ein hiervon abweichendes Verständnis einer vorübergehenden Dienstleistung zugrunde liegt.
2. Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat angenommen, die Beschwerdeführerin sei im Inland dauerhaft, regelmäßig wiederkehrend und kontinuierlich steuerberatend tätig, was sich bereits daraus ergebe, dass die Beschwerdeführerin in einer größeren Zahl weiterer Verfahren auftrete. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden.
Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin die Steuererklärungen und Bilanzen für ihre inländischen Mandanten in ihren Niederlassungen in den Niederlanden oder Belgien erarbeitet werden. Gleichwohl erbringen ihre im Inland wohnhaften Direktoren fortwährend wesentliche Teile ihrer Beratungsleistungen im Inland, sei es, dass sie sich mit ihren Mandanten treffen, sei es, dass sie Behörden- oder Gerichtstermine für ihren Mandanten wahrnehmen. Die Beschwerdeführerin, die sich von ihren Niederlassungen aus ständig an (potentielle) Leistungsempfänger im Inland wendet, nimmt über ihre zahlreichen Mandanten kontinuierlich und in verfestigter Weise am Wirtschaftsleben im Inland teil. Sie fällt damit unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen und ist damit nicht nach § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2357 Nr. 12
SAAAC-62155