Anschaffung einer Wohnung mit Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums; Bestellung eines lebenslangen Nießbrauchsrechts führt nicht zum Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Übertragenden; Abzug der Vorkostenpauschale nur im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung
Leitsatz
Bei Anschaffung einer Wohnung beginnt der Förderzeitraum gem. § 3 EigZulG im Jahr der Anschaffung unabhängig davon, ob in diesem Jahr tatsächlich Anschaffungskosten entrichtet wurden. Eine Wohnung ist i. S. des § 2 EigZulG mit der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums angeschafft. Weder schuldrechtliche Belastungs- und Veräußerungsverbote sowie Rückübertragungsverpflichtungen bei Verstoß hiergegen oder Rückforderungsrechte des Übertragenden gegen die Erben des Erwerbers noch die Bestellung eines lebenslänglichen dinglichen Wohnrechts zugunsten des Übertragenden führen dazu, dass das wirtschaftliche Eigentum beim Übertragenden verbleibt.
Gesetze: EigZulG § 2, EigZulG § 3, AO § 39 Abs. 2, EStG § 10i
Instanzenzug: , 12 K 421/01 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Vertrag vom von ihrem Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein bebautes Grundstück mit drei Wohnungen. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten gingen im Dezember 1998 auf die Klägerin über. Eine der Wohnungen nutzte die Klägerin zu eigenen Wohnzwecken.
Der Vater behielt sich ein lebenslängliches Wohnrecht an einer der Wohnungen sowie ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor. Der Klägerin war nicht gestattet, das Grundstück zu Lebzeiten des Vaters ohne dessen Zustimmung zu veräußern oder zu belasten; bei Zuwiderhandlung wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, den Vertragsgegenstand unentgeltlich auf ihre Kosten und unter Tragung der Steuern unverzüglich zurückzuübertragen. Wäre die Klägerin vor ihrem Vater verstorben, so wären ihre Erben verpflichtet gewesen, auf Verlangen des Vaters das Eigentum an dem Grundstück auf ihn unentgeltlich auf Kosten des Nachlasses der Klägerin zu übertragen.
Die Klägerin verpflichtete sich zudem, an ihre Geschwister Abfindungsbeträge von insgesamt 110 000 DM zu zahlen. Die Zahlungen waren innerhalb von drei Monaten nach dem Ableben des Vaters fällig. Der Vater verstarb im August 1999. Die Klägerin leistete die vereinbarten Abfindungsbeträge im September 1999.
Im Oktober 2000 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) Eigenheimzulage ab 1998 für die von ihr genutzte Wohnung. Mit Bescheid vom setzte das FA die Eigenheimzulage ab 1999 bis 2005 niedriger als beantragt fest.
Gegen den Bescheid über Eigenheimzulage legte die Klägerin Einspruch ein. Im Rahmen eines weiteren Einspruchs gegen den Bescheid über Einkommensteuer 1999 vom beantragte die Klägerin zudem den Ansatz einer sog. Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr (1999) gültigen Fassung. Der Einspruch gegen den Bescheid über Eigenheimzulage hatte lediglich insoweit Erfolg, als das FA die Eigenheimzulage höher festsetzte. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die hiergegen gerichteten Klagen der Klägerin wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1748, veröffentlichten Urteil ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung —AO— sowie der §§ 2 und 3 des Eigenheimzulagengesetzes —EigZulG— in der für das Streitjahr gültigen Fassung).
Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Einspruchsbescheid vom aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 vom dahingehend zu ändern, dass die Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gewährt wird, sowie den Bescheid über Eigenheimzulage ab 1999 vom in Gestalt des Einspruchsbescheids vom dahingehend zu ändern, dass die Eigenheimzulage auch für das Jahr 2006 festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Zutreffend hat die Vorinstanz entschieden, dass der Förderzeitraum des § 3 EigZulG aufgrund der Anschaffung der Wohnung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG im Jahr 1998 mit dem Jahr 2005 endet und eine sog. Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG mangels Anschaffung in 1999 nicht zu gewähren ist.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist u.a. die Anschaffung einer Wohnung in einem eigenen Haus begünstigt. Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) für jedes Kalenderjahr der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken (§ 4 EigZulG) in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG).
a) Der Begriff „eigen” i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet, dass der Anspruchsberechtigte Eigentümer des begünstigten Objekts i.S. von § 39 AO sein muss. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander fallen, ist für die Förderung auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen (vgl. , BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, und vom IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225). Wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne der Norm ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von den Einwirkungen auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ein wirtschaftlicher Ausschluss in diesem Sinne liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder der Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (z.B. BFH-Urteile in BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, m.w.N., und in BFH/NV 2006, 2225).
b) Maßgebend für den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums und damit auch für die Anschaffung der Wohnung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist dabei, wann der Erwerber nach dem Willen beider Vertragsparteien wirtschaftlich über das Wirtschaftsgut verfügen kann. Das ist bei der Übertragung eines Grundstücks in der Regel dann der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen (vgl. , BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, unter II. 3. a; , BFH/NV 2006, 259).
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Vorbehaltsnießbraucher nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn sich seine rechtliche oder tatsächliche Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks von der normalen —lediglich eine Nutzungsbefugnis vermittelnden— Position eines Nießbrauchers so deutlich unterscheidet, dass er die tatsächliche Herrschaft über das nießbrauchsbelastete Grundstück ausübt (z.B. , BFHE 187, 390, BStBl II 1999, 263, und vom X R 38/98, BFHE 190, 139, BStBl II 2000, 653, unter II. 2. b).
Schuldrechtliche Veräußerungsverbote, auch wenn sie durch eine Auflassungsvormerkung gesichert sind, hindern nach neuerer Rechtsprechung des BFH nicht, dass das betroffene Wirtschaftsgut dem rechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 187, 390, BStBl II 1999, 263, und in BFHE 190, 139, BStBl II 2000, 653). Denn weder aufgrund eines vorbehaltenen Nutzungsrechts noch aufgrund eines schuldrechtlichen Veräußerungsverbots kann der Nießbraucher ähnlich einem Eigentümer über die Substanz des Grundstücks verfügen (, BFH/NV 2003, 443). Auch ein zusätzlich vertraglich vereinbartes Rückforderungsrecht im Falle des Vorversterbens der übernehmenden Person hängt vom Eintritt eines künftigen Ereignisses und von der Ausübung eines sodann bestehenden Rechts ab und ist daher —abhängig von diesen Eventualitäten— nicht geeignet, dem Nießbraucher die tatsächliche Sachherrschaft über das Grundstück zu vermitteln (vgl. , BFH/NV 1999, 9, und in BFHE 190, 139, BStBl II 2000, 653, m.w.N.; P. Fischer in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 39 AO Rz 78a).
2. a) Bei Anwendung dieser Maßstäbe führten im Streitfall weder das Nießbrauchsrecht des Vaters noch das schuldrechtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot noch die Rückübertragungsverpflichtung bei Verstoß hiergegen und auch nicht das Rückforderungsrecht des Vaters gegenüber den Erben der Klägerin laut Vertrag vom dazu, dass kein Herausgabeanspruch der Klägerin gegenüber ihrem Vater bestand oder deren Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hatte. Ebenso ist die Bestellung des lebenslänglichen dinglichen Wohnrechts zugunsten des Vaters der Klägerin nicht geeignet, die Klägerin als Eigentümerin für die gewöhnliche Nutzungsdauer von den Einwirkungen auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich auszuschließen (vgl. , BFH/NV 2001, 9, und in BFH/NV 2006, 2225, unter II. 1. d, m.w.N.). Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin hat ihr Vater daher kein wirtschaftliches Eigentum an dem Grundstück behalten.
b) Das FG ist danach zu Recht davon ausgegangen, dass der Förderzeitraum (§ 3 EigZulG) bereits im Jahr 1998 begonnen hat, denn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten sind aufgrund notariellen Vertrags im Dezember 1998 auf die Klägerin übergegangen.
Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin beginnt der Förderzeitraum (§ 3 EigZulG) auch unabhängig davon, ob im Jahr der Anschaffung tatsächlich Anschaffungskosten entrichtet wurden (vgl. , BFH/NV 2002, 1152, unter II. 4. a).
Demgemäß endet der Förderzeitraum von acht Jahren im Jahr 2005 und nicht im Jahr 2006.
3. Zu Recht hat das FG im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für 1999 keine sog. Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gewährt.
Danach kann der Steuerpflichtige eine sog. Vorkostenpauschale von 3 500 DM wie Sonderausgaben im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung abziehen, wenn er für die Wohnung im Jahr der Herstellung oder Anschaffung oder in einem der zwei folgenden Jahre eine Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz in Anspruch nimmt. Da im Streitfall aber die Wohnung bereits in 1998 angeschafft wurde, ist die Vorkostenpauschale für das Jahr 1999 nicht zu gewähren.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1891 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 7
TAAAC-52024