BFH Beschluss v. - V B 34/05

Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde; Prüfung eines Verfahrensmangels

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform der KG ein Unternehmen mit der Herstellung von Kunststoffteilen. Da die Klägerin mehrere Umsatzsteuer- und Lohnsteueranmeldungen verspätet einreichte, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) Verspätungszuschläge in Höhe von 142 720 DM zur Umsatzsteuer und in Höhe von 25 210 DM zur Lohnsteuer fest. Die Klägerin beantragte deren Erlass mit der Begründung, mit der Erstellung und Einreichung der Lohnsteuer- und Umsatzsteueranmeldungen sei ihr kaufmännischer Angestellter X betraut gewesen. X habe die ihm obliegenden Aufgaben nicht zuverlässig erfüllt, sondern sie, die Klägerin, durch kriminelle Machenschaften erheblich geschädigt.

Das FA lehnte den Erlass ab. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass keine Ermessensfehler des FA erkennbar seien. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen setze voraus, dass ein unanfechtbarer Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig fehlerhaft sei und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und zumutbar war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren. Die Festsetzung der Verspätungszuschläge sei vorliegend aber nicht offensichtlich und eindeutig fehlerhaft. Die Steueranmeldungen seien unstreitig verspätet abgegeben worden und Umstände, die dieses Versäumnis entschuldbar erscheinen lassen, seien weder offensichtlich noch erkennbar.

Selbst wenn die verspätete Abgabe der Steueranmeldungen darauf beruhe, dass der Buchhaltungsleiter der Klägerin seine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt habe, könne dies die Klägerin nicht entschuldigen, weil sie sich das Verhalten ihres Angestellten zurechnen lassen müsse.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), die Fortentwicklung des Rechts erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs —BFH— (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) und das Urteil des FG leide unter Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil das FG davon ausgehe, dass sie, die Klägerin, sich das Verhalten ihres Angestellten unabhängig vom Ausmaß seines Fehlverhaltens zurechnen lassen müsse. Die Frage, ob die Zurechnung des Verschuldens dritter Personen im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung unbegrenzt sei, habe grundsätzliche Bedeutung, weil an ihrer Klärung ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit bestehe.

Aus demselben Grund verbunden mit der Frage, ob eine Zurechnung von Fremdverschulden nicht wenigstens in atypischen Fällen zu begrenzen sei, erfordere die Fortentwicklung des Rechts eine Entscheidung durch den BFH.

Ein Verfahrensmangel liege vor, weil das FG unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO die von ihr, der Klägerin, beantragte Beweiserhebung nicht durchgeführt habe. Das FG habe weder den Zeugen Z dazu gehört, ob der Buchhalter X die festgesetzten Verspätungszuschläge mit krimineller Energie vor ihr verheimlicht habe noch die Zeugen A und B darüber vernommen, ob Herr X seine Tätigkeit zunächst mit der gebotenen Sorgfalt und Zuverlässigkeit ausgeübt und sie, die Klägerin, dies stichprobenartig überprüft habe. Das FG habe auch nicht die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht in dem Ermittlungsverfahren gegen Herrn X wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung beigezogen. Aufgrund der Zeugenaussagen und der Ermittlungsakten hätte das FG das Ausmaß des Fehlverhaltens des Buchhalters X erkennen und feststellen können, dass sie, die Klägerin, kein Verschulden an den Fristversäumnissen treffe.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

1. Der V. Senat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für 2007 (Ergänzende Regelungen I.1.) auch für die Entscheidung über den Erlass der Verspätungszuschläge zur Lohnsteuer zuständig, weil die Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer, die in das Aufgabengebiet des V. Senats fällt, den höchsten Streitwert bilden.

2. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung durch den BFH, weil die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist. Beide Zulassungsgründe setzen die Rechtserheblichkeit der zu klärenden Rechtsfrage voraus (z.B. , BFH/NV 2004, 1310). Das FG hat sein Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt. In diesem Fall muss ein Zulassungsgrund hinsichtlich aller tragenden Begründungen vorliegen (BFH-Beschlüsse vom V B 85/04, BFH/NV 2005, 712; vom VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215). Hieran fehlt es.

Das FG hat sein Urteil in erster Linie darauf gestützt, dass vorliegend die Festsetzung von Verspätungszuschlägen nicht offensichtlich und eindeutig fehlerhaft gewesen sei. Das Erfordernis der offensichtlichen und eindeutigen Fehlerhaftigkeit der Festsetzung jener Steuern, deren Erlass begehrt wird, entspricht ständiger Rechtsprechung (, BFH/NV 2005, 825; BFH-Beschlüsse vom IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289; vom V B 59/02, BFH/NV 2003, 1531). Die Beschwerde greift die —den Senat bindenden— Feststellungen des FG zur fehlenden Offensichtlichkeit und Eindeutigkeit der Fehlerhaftigkeit der Festsetzung von Verspätungszuschlägen nicht an.

Die Ausführungen unter 2. b in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils zur Zurechnung des Fehlverhaltens von Angestellten sind Hilfserwägungen, auf die das FG sein Urteil zusätzlich stützt.

3. Es liegt auch kein Verfahrensfehler vor. Das FG hat ohne Rechtsverstoß auf die von der Klägerin beantragte Beweiserhebung verzichten können. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (, BFH/NV 2005, 712). Danach ist es auf die Beweisthemen, zu denen die Klägerin eine Beweiserhebung beantragt hat, nämlich die sorgfältige Auswahl des Buchhalters X sowie dessen kriminelles Fehlverhalten, aus den bereits genannten Gründen nicht angekommen.

Fundstelle(n):
KAAAC-50112