Ursprünglich für bebautes Grundstück festgestellter und nach der Überführung des Grund und Bodens in "Eigentum des Volkes" einem Gebäudeerwerber zugerechneter Einheitswert als Ausgangspunkt für die Prüfung der Wertfortschreibungsgrenzen bei späterem Erwerb des Grund und Bodens durch Gebäudeeigentümer
Leitsatz
1. Wurde in der DDR nach Überführung des zu einem bebauten Grundstück gehörenden Grund und Bodens in „Eigentum des Volkes” das Gebäude veräußert und sodann dem Erwerber durch Zurechnungsfortschreibung der bisher für das Grundstück samt Gebäude festgestellte Einheitswert zugerechnet, setzte sich die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens nicht im Grund und Boden, sondern im Gebäude fort.
2. Erwirbt der Gebäudeeigentümer nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages den Grund und Boden hinzu, bestimmen sich die Wertfortschreibungsgrenzen nach dem mit der Zurechnungsfortschreibung fortgeführten, inzwischen noch nicht geänderten Einheitswert.
Gesetze: BewG § 22 Abs. 1BewG § 24 Abs. 1 Nr. 1BewG § 129
Instanzenzug: (EFG 2006, 15) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute, kauften im Jahr 1987 ein im späteren Beitrittsgebiet gelegenes Wohnhaus auf einem im „Eigentum des Volkes” stehenden Grundstück, an dem sie ein Nutzungsrecht erhielten. Die seinerzeit zuständige Behörde der DDR rechnete daraufhin durch Zurechnungsfortschreibung auf den das als „Einfamilienhaus” bezeichnete Gebäude mit einem Einheitswert von 4 950 Mark der DDR den Klägern zu und setzte den Grundsteuermessbetrag auf der Grundlage dieses Einheitswerts fest. Der Einheitswert von 4 950 Mark der DDR für das damals den Grund und Boden und das Gebäude umfassende Grundstück war auf der Grundlage des Brandkassenwerts bereits zum in RM festgestellt worden.
Nach der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegenüber den Klägern im Wege der Neuveranlagung einen Grundsteuermessbescheid auf den , durch den der Grundsteuermessbetrag für das „Einfamilienhaus” auf der Grundlage des auf den festgestellten Einheitswerts von „4 950 DM” berechnet wurde.
Die Stadt…wurde am Eigentümerin des bisher „volkseigenen” Grund und Bodens; 1997 kauften ihn die Kläger von der Stadt.
Das FA hob daraufhin mit gegenüber den Klägern erlassenem Bescheid vom den Einheitswert für das diesen zugerechnete „Grundstück” auf den auf und führte aus, bisher seien als Einheitswert 4 950 DM und als Art „Einfamilienhaus auf fremdem Grund und Boden” festgestellt gewesen. Zugleich erließ das FA gegenüber der Stadt einen Einheitswertbescheid —Nachfeststellung auf den —, mit dem es für das „unbebaute Grundstück” einen Einheitswert von 1 700 DM feststellte. Ausgehend von diesem Bescheid rechnete das FA mit Einheitswertbescheid vom —Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung auf den — das Grundstück einschließlich Gebäude den Klägern je zur Hälfte zu und stellte die Grundstücksart „Einfamilienhaus” und einen Einheitswert von 8 600 DM fest.
Die Einsprüche gegen den Aufhebungsbescheid vom und den Einheitswertbescheid vom blieben erfolglos. Während des Klageverfahrens erließ das FA nach § 182 der Abgabenordnung (AO) gegenüber den Klägern als Rechtsnachfolgern der Stadt einen Bescheid über die Nachfeststellung des Einheitswerts für das „unbebaute Grundstück” auf den , der inhaltlich dem der Stadt gegenüber ergangenen Bescheid vom entsprach.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger die Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom und die Herabsetzung des im Bescheid vom festgestellten Einheitswerts auf 4 950 DM begehrt hatten, durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 15 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, der Aufhebungsbescheid beziehe sich auf die ursprünglich auf den erfolgte Feststellung eines Einheitswerts von 4 950 RM. Dieser Einheitswert habe zwar sowohl den Grund und Boden als auch das Gebäude umfasst, weil die Aufspaltung in zwei wirtschaftliche Einheiten erst später erfolgt sei. Mit der nur auf den Grund und Boden bezogenen Nachfeststellung auf den sei aber die Trennung der wirtschaftlichen Einheiten erstmals für die Einheitsbewertung nachvollzogen worden, so dass es hinsichtlich der ursprünglichen Feststellung u.a. einer Artfortschreibung in „Gebäude auf fremdem Grund” bedurft hätte. Diese sei jedoch im Hinblick auf § 132 Abs. 2 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. § 42 des Grundsteuergesetzes (GrStG) unterblieben.
Die wirtschaftliche Einheit „Gebäude auf fremdem Grund und Boden” sei mit dem Erwerb des Grund und Bodens durch die Kläger weggefallen. Der Einheitswert für diese wirtschaftliche Einheit sei daher nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BewG auf den Beginn des Jahres 1998 aufzuheben gewesen. Bestehen geblieben sei demgegenüber die wirtschaftliche Einheit „Grund und Boden”. Die in § 22 Abs. 1 BewG bestimmten Grenzen für eine Wertfortschreibung seien ausgehend von dem für den Grund und Boden festgestellten Einheitswert erreicht. Das sei entscheidend. Bedenken gegen die Höhe des im Bescheid vom festgestellten Einheitswerts bestünden nicht.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, der Aufhebungsbescheid sei zu Unrecht ergangen. Die wirtschaftliche Einheit „Einfamilienhaus” sei nicht weggefallen, sondern nur um das Eigentum am Grund und Boden ergänzt worden. Der auf den festgestellte Einheitswert habe bereits den Grund und Boden und das Gebäude umfasst und sei der Prüfung, ob die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG erreicht seien, zugrunde zu legen. Die für eine Wertfortschreibung erforderliche Abweichung um mindestens 5 000 DM nach oben sei daher nicht gegeben.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom und den Aufhebungsbescheid vom aufzuheben und den im Bescheid vom festgestellten Einheitswert auf 4 950 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom , des Aufhebungsbescheids vom und des Einheitswertbescheids vom , soweit er die Wertfortschreibung betrifft (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Klage ist insgesamt zulässig. Die im Bescheid vom erfolgte Aufhebung der Einheitswertfeststellung belastet die Kläger bei isolierter Betrachtung zwar nicht. Der Bescheid steht aber in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Einheitswertbescheid vom und beschwert sie daher (§ 40 Abs. 2 FGO).
2. Die Klage ist auch begründet. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Aufhebungsbescheid vom und die Wertfortschreibung im Bescheid vom rechtmäßig seien.
a) Der Aufhebungsbescheid kann weder auf § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG noch auf eine andere Vorschrift gestützt werden.
aa) Nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG wird der Einheitswert aufgehoben, wenn dem FA bekannt wird, dass die wirtschaftliche Einheit wegfällt. Aufhebungszeitpunkt ist in diesem Fall der Beginn des Kalenderjahres, das auf den Wegfall der wirtschaftlichen Einheit folgt (§ 24 Abs. 2 BewG). Diese Vorschrift gilt nach § 129 Abs. 2 BewG auch für Grundstücke im Beitrittsgebiet.
bb) Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG sind nicht erfüllt. Durch den Erwerb des Grund und Bodens durch die Kläger ist die wirtschaftliche Einheit „Einfamilienhaus” nicht weggefallen. Sie hat vielmehr als bebautes Grundstück fortbestanden und lediglich ihre Eigenschaft als Gebäude auf fremdem Grund und Boden verloren. Weggefallen ist hingegen die wirtschaftliche Einheit „unbebautes Grundstück”. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die Überführung des Grund und Bodens in „Eigentum des Volkes” konnte theoretisch wie folgt beurteilt werden:
Entstehung von zwei neuen, je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten, nämlich „unbebautes Grundstück” und „Gebäude auf fremdem Grund und Boden";
Fortbestand der ursprünglichen wirtschaftlichen Einheit in der wirtschaftlichen Einheit „unbebautes Grundstück” und Entstehung einer neuen wirtschaftlichen Einheit „Gebäude auf fremdem Grund und Boden";
Fortbestand der ursprünglichen wirtschaftlichen Einheit in der wirtschaftlichen Einheit „Gebäude auf fremdem Grund und Boden” und Entstehung einer neuen wirtschaftlichen Einheit „unbebautes Grundstück”.
Die seinerzeit zuständige Behörde der DDR ging von der zuletzt genannten Möglichkeit aus und nahm daher nach dem Erwerb des Gebäudes durch die Kläger lediglich eine Zurechnungsfortschreibung vor. Den ursprünglich auf den festgestellten Einheitswert führte sie unverändert und als für das Gebäude maßgebend fort.
Dieser bewertungsrechtliche Vorrang des Gebäudes bei der Aufspaltung des Eigentums am bebauten Grundstück beruhte auf der seinerzeit in der DDR geltenden Rechtslage. Der im „Eigentum des Volkes” stehende Grund und Boden unterlag weder der Grundsteuer noch sonstigen einheitswertabhängigen Steuern (Erbschaft-, Schenkung- und Vermögensteuer). Der ursprünglich für das bebaute Grundstück festgestellte Einheitswert wurde daher in voller Höhe auf das Gebäude bezogen und sowohl der Grundsteuer als auch ggf. den sonstigen einheitswertabhängigen Steuern zu Grunde gelegt.
Das FA schloss sich dieser Sachbehandlung an und setzte deshalb den Grundsteuermessbetrag auf den gegenüber den Klägern für deren „Einfamilienhaus” auf der Grundlage des zum festgestellten, nach § 129 Abs. 1 BewG fortgeltenden Einheitswerts von „4 950 DM” fest. Dem Aufhebungsbescheid vom lag ebenfalls die Auffassung zu Grunde, dass sich die ursprüngliche wirtschaftliche Einheit in dem Gebäude auf fremdem Grund und Boden fortgesetzt habe, deshalb der auf den festgestellte Einheitswert für das „Einfamilienhaus” der Kläger maßgebend gewesen und daher nunmehr aufzuheben sei. Hätte das FA angenommen, dass die ursprüngliche wirtschaftliche Einheit nach der Überführung des Grund und Bodens in „Eigentum des Volkes” in dem „unbebauten Grundstück” fortbestanden habe und demgemäß der auf den festgestellte Einheitswert für diese wirtschaftliche Einheit maßgebend sei, hätte es für den Grund und Boden gegenüber der Stadt statt der Nachfeststellung (§ 23 BewG) auf den gemäß § 22 Abs. 1 BewG eine Wertfortschreibung vornehmen müssen.
Aufgrund der Besonderheiten der Rechtslage und der tatsächlichen Handhabung der Bewertung in der DDR hatte das Gebäude bei der (erneuten) Vereinigung des Eigentums am Gebäude und am Grund und Boden in der Hand der Kläger bewertungsrechtlich ebenfalls Vorrang. Die in dem Gebäude bestehende wirtschaftliche Einheit setzte sich in der nunmehr aus dem Grund und Boden und dem Haus bestehenden wirtschaftlichen Einheit fort. Eine gesetzliche Grundlage für die vom FA vorgenommene Aufhebung des Einheitswerts gibt es daher nicht.
b) Die im Bescheid vom vorgenommene Wertfortschreibung ist zu Unrecht erfolgt. Die in § 22 Abs. 1 BewG bestimmten Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift, die gemäß § 129 Abs. 2 BewG auch für Grundstücke im Beitrittsgebiet gilt, scheidet eine Wertfortschreibung nach oben aus, wenn der in DM ermittelte und auf volle hundert DM abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nicht um mindestens 5 000 DM nach oben abweicht. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
Bei der Prüfung, ob die in § 22 Abs. 1 BewG bestimmte Grenze erreicht ist, ist von dem für das „Einfamilienhaus” der Kläger zuletzt maßgebenden Einheitswert von 4 950 DM auszugehen, da sich die in dem Gebäude bestehende wirtschaftliche Einheit in der nunmehr aus dem Grund und Boden und dem Haus bestehenden wirtschaftlichen Einheit fortgesetzt hat. Der für die wirtschaftliche Einheit „unbebautes Grundstück” festgestellte Einheitswert ist insoweit ohne Bedeutung, da diese durch den Erwerb des Grund und Bodens durch die Kläger weggefallen ist. Es spielt danach keine Rolle, dass ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden lediglich als Grundstück im bewertungsrechtlichen Sinn „gilt” (§ 70 Abs. 3 BewG, für das Beitrittsgebiet § 129 Abs. 2 Nr. 1 BewG i.V.m. § 50 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik).
Soweit die Finanzverwaltung die Auffassung vertritt, dass bei einem Erwerb des Grund und Bodens durch den Eigentümer des Gebäudes der Einheitswert der wirtschaftlichen Einheit des Grund und Bodens im Wege der Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung fortzuschreiben und ein für das Gebäude bestehender Einheitswert aufzuheben sei (so Abschn. 2.2 des im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergangenen Erlasses des Thüringer Finanzministeriums vom 22 G 1120 A-4-201.5, Deutsches Steuerrecht 1996, 1167), kann dem jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art nicht gefolgt werden.
3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Aufhebungsbescheid vom und der Einheitswertbescheid vom , soweit er die Wertfortschreibung betrifft, sowie die Einspruchsentscheidung sind aufzuheben. Die in dem Einheitswertbescheid enthaltene Art- und Zurechnungsfortschreibung ist nicht angefochten und daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 690
BB 2007 S. 1608 Nr. 30
BFH/NV 2007 S. 1559 Nr. 8
BStBl II 2007 S. 690 Nr. 15
DStRE 2007 S. 1026 Nr. 16
HFR 2007 S. 834 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2007 S. 2359
StB 2007 S. 286 Nr. 8
StBW 2007 S. 7 Nr. 15
StC 2007 S. 13 Nr. 8
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2007 S. 789
PAAAC-49138