Kein wirtschaftliches Eigentum eines "Dauernutzungsberechtigten" ohne Entschädigungsanspruch in Höhe des vollen Verkehrswerts der Wohnung; unzulässige Veräußerungsbeschränkung bei Dauerwohnrecht
Leitsatz
Wirtschaftlicher Eigentümer i. S. des § 39 AO ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Der schuldrechtlich wie der dinglich Nutzungsberechtigte hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Gleiches gilt für das eigentumsähnliche Dauerwohnrecht i. S. des § 31 WEG oder ein vergleichbar ausgestaltetes schuldrechtliches Dauerwohnungsrecht. Trägt aber der Nutzungsberechtigte statt des zivilrechtlichen Eigentümers die Kosten der Anschaffung oder Herstellung einer von ihm selbstgenutzten Wohnung, ist er dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ihm auf Dauer, nämlich für die voraussichtliche Nutzungsdauer der Wohnung, Substanz und Ertrag der Wohnung wirtschaftlich zustehen. Das ist u. a. der Fall, wenn ihm für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswerts der Wohnung gegen den zivilrechtlichen Eigentümer zusteht. Ein solcher (Entschädigungs-)Anspruch kann sich aus einem Vertrag oder aus dem Gesetz ergeben; einen gesetzlichen Anspruch auf vollen Wertersatz hat z. B. der Bauende, der in begründeter Erwartung künftigen Eigentumserwerbs eine Wohnung errichtet. Ein vertraglicher Anspruch auf Entschädigung nur in Höhe des "Verkehrswerts des Dauernutzungsrechts" ist insoweit nicht ausreichend.
Gesetze: AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; EigZulG § 2 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Eltern des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Miteigentümer eines Wohnhauses, das sie zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Mit Vertrag vom Juli 1998 bestellten sie dem Kläger unentgeltlich ein zeitlich unbegrenztes (schuldrechtliches) „Dauernutzungsrecht” an einer von ihm noch zu errichtenden Wohnung im nicht ausbebauten Dachgeschoss ihres Wohnhauses. Das Nutzungsrecht war veräußerlich und vererblich; diese Verfügungen durften jedoch nur an die Eltern oder Geschwister des Klägers erfolgen. War eine Nutzung der zu errichtenden Räumlichkeiten aus von den Miteigentümern zu vertretenden Gründen zeitlich unbegrenzt nicht möglich, waren diese dem Nutzungsberechtigten zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, die sich „nach dem Verkehrswert des Dauernutzungsrechts” bemessen sollte.
Der Kläger baute —hauptsächlich in Eigenleistung— vereinbarungsgemäß das Dachgeschoss zu einer abgeschlossenen Wohnung aus und nutzte diese nach der Fertigstellung zu eigenen Wohnzwecken. Die beantragte Eigenheimzulage ab 2001 gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) auf den Einspruch des Klägers hin auf der Basis der Herstellungskosten in Höhe von 21 889 DM.
Im Jahr 2003 erwarb der Kläger zusammen mit seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau ein Einfamilienhaus. Nach dem Umzug in dieses Objekt gewährte das FA dafür antragsgemäß Eigenheimzulage und hob die Festsetzung der Eigenheimzulage für die Dachgeschosswohnung gemäß § 11 Abs. 3 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) ab 2004 auf.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, die streitige Wohnung nach seinem Umzug unentgeltlich an seine Eltern über-lassen zu haben und deshalb weiter die Eigenheimzulage für das Erstobjekt zu beanspruchen. Zum Nachweis reichte er die Vereinbarung vom März 2004 zwischen ihm, seinen Eltern und seiner Schwester ein, wonach er die Dachgeschosswohnung seiner Schwester kostenlos zu Wohnzwecken überlassen habe.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 869). Dem Kläger stehe nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 Satz 2 EigZulG weiterhin die Eigenheimzulage für die Dachgeschosswohnung zu. Er habe deren Herstellungskosten getragen, aufgrund des ihm eingeräumten Dauernutzungsrechts mit Entschädigungsanspruch bei vorzeitiger Beendigung sei er auch wirtschaftlicher Eigentümer dieser Wohnung. Nach seinem Auszug sei die unentgeltliche Überlassung an seine Schwester zu deren Wohnzwecken durch die gemeinschaftliche Vereinbarung vom März 2004 vereinbart worden.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 Satz 2 EigZulG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung —AO—).
Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vor-entscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst durch Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Zu Unrecht hat das FG den Kläger als wirtschaftlichen Eigentümer der Dachgeschosswohnung angesehen und ihm dafür die Eigenheimzulage gewährt.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder An-schaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus begünstigt; Ausbauten und Erweiterungen an einer solchen Wohnung stehen der Herstellung einer Wohnung i.S. des Absatzes 1 gleich (§ 2 Abs. 2 EigZulG). Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) für jedes Kalenderjahr in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG), in dem er die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken oder durch unentgeltliche Überlassung der Wohnung an einen Angehörigen nutzt (§ 4 EigZulG).
a) Der Begriff „eigen” bedeutet, dass der Anspruchsberechtigte wenn nicht zivilrechtlicher so doch wirtschaftlicher Eigentümer des begünstigten Objekts (hier: der neu hergestellten Dachgeschosswohnung) i.S. von § 39 AO sein muss. Wirtschaftlicher Eigentümer ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (z.B. , BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, und III R 42/02, BFH/NV 2005, 164, jeweils m.w.N.).
b) Der schuldrechtlich wie der dinglich Nutzungsberechtigte hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut (vgl. , BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203; vom X R 15/99, BFH/NV 2002, 175, jeweils m.w.N.).Gleiches gilt für das eigentumsähnliche Dauerwohnrecht (i.S. des § 31 des Wohnungseigentumgesetzes —WEG—) oder ein vergleichbar ausgestaltetes schuldrechtliches Dauerwohnungsrecht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203, unter II. 5. b; vom X R 127/96, BFH/NV 2001, 1108, unter II. 2., m.w.N.).
Trägt aber der Nutzungsberechtigte statt des zivilrechtlichen Eigentümers die Kosten der Anschaffung oder Herstellung einer von ihm selbstgenutzten Wohnung, ist er dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ihm auf Dauer, nämlich für die voraussichtliche Nutzungsdauer der Wohnung, Substanz und Ertrag der Wohnung wirtschaftlich zustehen (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 164, und BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80; vom IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225). Das ist u.a. der Fall, wenn ihm für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswertes der Wohnung gegen den zivilrechtlichen Eigentümer zusteht. Ein solcher (Entschädigungs-)Anspruch kann sich aus einem Vertrag oder aus dem Gesetz ergeben; einen gesetzlichen Anspruch auf vollen Wertersatz hat z.B. der Bauende, der in begründeter Erwartung künftigen Eigentumserwerbs eine Wohnung errichtet (vgl. , BGHZ 108, 256, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1989, 2745, unter III. 1., m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203, unter II. 5. c aa; vom X R 23/99, BFHE 196, 145, BStBl II 2002, 281, unter II. 2. c).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das FG zu Unrecht vom wirtschaftlichen Eigentum des Klägers an der auf seine Kosten erstellten und von ihm zunächst selbst genutzten Dachgeschoss-wohnung ausgegangen. Folglich steht dem Kläger dafür die Eigenheimzulage ab 2004 nicht zu. Auf die Frage, ob die Dachgeschosswohnung unentgeltlich an Angehörige überlassen (§ 4 Satz 2 EigZulG) wurde, kommt es daher nicht an.
a) Der Kläger hat aufgrund des Vertrages vom Juli 1998 keine dem zivilrechtlichen Eigentum oder dem Dauerwohnrecht (§ 31 Abs. 1 WEG) ähnlich ausgestaltete Rechtsstellung erlangt. Zwar wurde dem Kläger ein zeitlich unbegrenztes, und damit auf die voraussichtliche Nutzungsdauer der Wohnung bestelltes „Dauernutzungsrecht” eingeräumt; auch hat er die Herstellungskosten der von ihm errichteten Dachgeschosswohnung getragen. Er war jedoch nach der Vertragsgestaltung nicht in der Lage, wie ein Eigentümer oder ein Dauerwohnberechtigter über die Wohnung zu verfügen. Denn dem Kläger stand vertragsgemäß ein Anspruch auf Entschädigung nur in Höhe des „Verkehrswertes des Dauernutzungsrechts” zu, nicht aber in Höhe des vollen Verkehrswertes der Wohnung gegen seine Eltern als (zivilrechtlichen) Miteigentümer; dies zudem nur, wenn eine Nutzung aus von den Miteigentümern zu vertretenden Gründen zeitlich nicht unbegrenzt möglich war. Durch eine solche Vereinbarung sind weitergehende Ansprüche nach § 812 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches —BGB— ausgeschlossen (vgl. , NJW 1992, 2690; Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., § 812 Rz 12), entsprechende Ansprüche nach § 951 i.V.m. § 812 BGB als dispositives Recht (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 951 Rz 1; Erman/Ebbing, BGB Bd. II, 11. Aufl., § 951 Rz 1) nach Umfang und Zeitpunkt (zumindest konkludent) abbedungen. In diesem Zusammenhang kann das Vorbringen, der Kläger habe als potentieller Erbe in Erwartung späteren Eigentums am elterlichen Anwesen wirtschaftliches Eigentum an der Dachgeschosswohnung erlangt, als neuer Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl. , BFH/NV 2005, 1309). Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) stand eine rechtlich verdichtete, konkret auf die nachfolgende Eigentumsübertragung gerichtete vertragliche Bindung nicht in Rede.
Auch konnte der Kläger über das Nutzungsrecht nur beschränkt „an die Eltern oder Geschwister” verfügen; dies ist gemessen am Regelstatut des Dauerwohnrechts im Wohnungseigentumsgesetz eine weitergehende Einschränkung der Befugnisse des Wohnberechtigten und zudem nach § 33 Abs. 1, § 35, § 12 WEG als Gebot, nur an bestimmte Personen zu veräußern, unzulässig (vgl. Erman/ Grziwotz, a.a.O., § 12 WEG Rz 1; MünchKommBGB/Engelhardt, § 33 WEG Rz 2, MünchKommBGB/Commichau, § 12 Rz 4). Für eine nur eingeschränkte Nutzungsbefugnis und gegen einen Ausschluss der Eltern als zivilrechtliche Eigentümer spricht auch die Vereinbarung vom März 2004 über die unentgeltliche Wohnraumüberlassung an die Schwester des Klägers, in der die Eltern zudem als „wirtschaftliche Eigentümer” bezeichnet sind; denn anderenfalls ist ihre Einbindung als gleichberechtigte Vertragspartei nicht erklärlich.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist mangels wirtschaft-lichen Eigentums des Klägers an der Dachgeschosswohnung abzu-weisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1471 Nr. 8
HFR 2007 S. 836 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 3
JAAAC-47290