Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 1944 Abs. 1; InsO § 34 Abs. 1; InsO § 6; InsO § 7; InsO § 317; InsO § 317 Abs. 1
Instanzenzug: AG Hanau 70 IN 274/06 vom LG Hanau 3 T 210/06 vom
Gründe
I.
Der weitere Beteiligte (fortan: Beteiligter) ist der Vater des am verstorbenen T. V. (fortan: Erblasser). Mit notariell beurkundeter Erklärung vom , beim Nachlassgericht eingegangen am , schlug er die Erbschaft aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen aus. Nachdem das Nachlassgericht ihn auf die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen hingewiesen hatte, erklärte er, erst am vom Tode seines Sohnes erfahren zu haben.
Am beantragte der Beteiligte die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens über den Nachlass des Erblassers. Er erklärte, seiner Ansicht nach sei die Ausschlagung fristgerecht gewesen. Ein vom Insolvenzgericht übersandtes Formular für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses füllte er "mangels Kenntnisse" nicht aus. Auf weiteren Hinweis des Insolvenzgerichts, der Antrag sei wegen der Ausschlagung wohl unzulässig, antwortete er, das Nachlassgericht habe die Ausschlagung "nicht anerkannt".
Mit Beschluss vom hat das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, nicht zur Prüfung der Erbenstellung des Beteiligten verpflichtet zu sein. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten hat das Landgericht diesen Beschluss am aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Eröffnungsantrag an das Insolvenzgericht zurückverwiesen. Begründet hat es die Zurückverweisung damit, dass das Insolvenzgericht von Amts wegen zu ermitteln habe, ob die Ausschlagung innerhalb der Frist des § 1944 Abs. 1 BGB erfolgt und deshalb rechtswirksam sei. Mit Beschluss vom hat das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag erneut als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, der Beschluss des Beschwerdegerichts sei unrichtig, aber bindend. Die Prüfung der Wirksamkeit der Ausschlagung habe nunmehr ergeben, dass der Beteiligte die Erbschaft rechtzeitig, nämlich innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Tode des Erblassers ausgeschlagen habe. Die erneute sofortige Beschwerde des Beteiligten ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Beteiligte weiterhin die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 317 Abs. 1, § 34 Abs. 1, §§ 6, 7 InsO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Rechtsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Das Beschwerdegericht hat sich zur Begründung seiner Entscheidung auf die Gründe des Insolvenzgerichts bezogen und ergänzend ausgeführt, es halte "zur Frage des Amtsermittlungsgrundsatzes im Antragsverfahren und damit zur Zulässigkeit der Antragstellung" an seiner im ersten Beschluss vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Demgegenüber beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht von seiner zunächst vertretenen Rechtsauffassung abgewichen sei, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. Sie meint, dem Beteiligten könne nicht zugemutet werden, einen Erbschein zu beantragen, um die Frage seiner Erbenstellung verbindlich vom Nachlassgericht klären zu lassen. Insoweit habe die Rechtssache auch grundsätzliche Bedeutung.
2. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist fehlerhaft, soweit dieses von seiner im (ersten) Beschluss vom vertretenen Rechtsansicht abgewichen ist. Dieser Fehler hat sich jedoch nicht ausgewirkt.
a) Hebt das Beschwerdegericht einen mit der sofortigen Beschwerde angefochtenen Beschluss auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Ausgangsgericht zurück, ist dieses an die vom Beschwerdegericht vertretene Rechtsansicht, welche der Aufhebung zugrunde lag, gebunden (§ 563 Abs. 2 ZPO analog). Entscheidet es entsprechend, ist die Entscheidung (insoweit) rechtmäßig. Ohne eine Rechtsverletzung zu begehen, kann deshalb ein Beschwerdegericht seiner zweiten Entscheidung nicht eine andere Rechtsauffassung zugrunde legen als die, auf der sein zurückverweisender Beschluss beruhte (BGHZ 15, 122, 124; 51, 131, 135; 159, 122, 127).
b) Das Beschwerdegericht hatte seine erste Entscheidung damit begründet, dass das Insolvenzgericht von Amts wegen zu klären habe, ob die Ausschlagung der Erbschaft rechtzeitig gewesen sei. An diese Rechtsauffassung war es bei seiner Entscheidung über die erneute sofortige Beschwerde des Beteiligten auch selbst gebunden. Dass es an ihr nicht mehr festhalten wollte, stand dazu im Widerspruch. Darauf beruht die angefochtene Entscheidung jedoch nicht. Das Beschwerdegericht hat sich vielmehr die (zweite) Entscheidung des Insolvenzgerichts zu Eigen gemacht, welches die der Aufhebung zugrunde liegende rechtliche Würdigung übernommen und die Wirksamkeit der Ausschlagung bejaht hat. Dass dem Insolvenzgericht dabei rechtliche Fehler unterlaufen seien oder es nahe liegende Ermittlungen unterlassen hätte, meint auch die Rechtsbeschwerde nicht. Der Beteiligte geht vielmehr selbst davon aus, die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen zu haben.
3. Wegen der bindenden Wirkung, welche die erste Entscheidung des Beschwerdegerichts auch für dieses entfaltet, ist dem Senat die eigenständige Beantwortung der von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage nach den Ermittlungspflichten des Insolvenzgerichts im Rahmen eines Antrags nach § 317 InsO verwehrt. In dem Umfang, in welchem das Beschwerdegericht an seine aufhebende Entscheidung gebunden ist, ist auch das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. Hält sich das Beschwerdegericht an die Bindung, die durch seinen früheren, zurückverweisenden Beschluss entstanden ist, kann darin keine Rechtsverletzung liegen. Eine Rechtsbeschwerde kann also nicht darauf gestützt werden, dass die dem zurückverweisenden und damit auch dem zweiten Beschluss zugrunde liegende Rechtsauffassung unrichtig sei (BGHZ 15, 122, 125; 51, 131, 135). Im Rahmen des vorliegenden Eröffnungsverfahrens steht also die Verpflichtung des Insolvenzgerichts fest, die Erbenstellung des Beteiligten zu ermitteln. Eine eigenständige Beurteilung dieser Rechtsfrage ist dem Senat verwehrt.
4. Die Rechtsbeschwerde ist schließlich auch nicht wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten zuzulassen. Übergangenen Tatsachenvortrag des Beteiligten zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Der Beklagte hat vielmehr in den Tatsacheninstanzen weder dargetan noch glaubhaft gemacht, Erbe geworden zu sein. Seiner Darstellung nach hat er die Erbschaft vielmehr innerhalb der Frist des § 1944 Abs. 1 BGB ausgeschlagen. Das Nachlassgericht scheint zeitweilig zwar die gegenteilige Auffassung vertreten zu haben. Allein damit ist die Erbenstellung des Beteiligten jedoch nicht glaubhaft gemacht worden. Eine förmliche Entscheidung des Nachlassgerichts, die außerhalb eines Erbscheinsverfahrens unstatthaft gewesen wäre (BayObLGZ 1985, 244, 247 f), liegt nicht vor. Meinungsäußerungen des Nachlassgerichts außerhalb eines solchen Verfahrens sind nicht nur unverbindlich, sondern auch nicht zulässig (BayObLGZ 1985, 244, 248; Palandt/Edenhofer, BGB 66. Aufl. § 1945 Rn. 6). Was der Beteiligte ergänzend vorgetragen hätte, wenn das Beschwerdegericht auf seine geänderte Rechtsauffassung hingewiesen hätte, sagt die Rechtsbeschwerde schließlich ebenfalls nicht.
5. Die Bejahung der Wirksamkeit der Ausschlagung im vorliegenden Verfahren entfaltet keine Rechtskraft. Der Beteiligte hat auch nicht die Möglichkeit, in einem Erbscheinverfahren klären zu lassen, dass er nicht Erbe geworden ist. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass ein Nachlassgläubiger den Beteiligten als Erben verklagt. Daraus erwächst dem Beteiligten jedoch kein unzumutbarer Nachteil. Er kann im Prozess einwenden, nicht Erbe geworden zu sein, und hilfsweise die beschränkte Erbenhaftung einreden. Falls er mit dieser Maßgabe verurteilt werden sollte, kann er erneut die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen. Die Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hindert nicht, dass der abgewiesene Antragsteller mit verbesserter Begründung oder unter Behauptung neuer Umstände einen neuen Antrag stellt (vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO § 6 Rn. 55).
Fundstelle(n):
ZAAAC-46761
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein