Milch-Garantiemengen-Abgabe: Pächter von Kühen als Milcherzeuger
Gesetze: VO (EWG) Nr. 3950/92
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Inhaber einer Anlieferungsreferenzmenge für Milch. Zum schloss er mehrere Verträge mit dem Milcherzeuger H. Dabei handelte es sich —jeweils zeitlich beschränkt auf einen Monat im Jahr— um
einen Nutzungsvertrag über die Überlassung einer Milchviehherde von ca. 50 Milchkühen an den Kläger,
einen Nutzungsvertrag über die Nutzung einer Produktionsstätte für die Milcherzeugung durch den Kläger,
einen Vertrag über die Lieferung von Grundfutter für die Versorgung der Milchviehherde durch H und
einen Geschäftsbesorgungsvertrag, wonach H die Komplettversorgung der Milchviehherde und die damit verbundenen Geschäfte übernahm.
In dem zuletzt genannten Vertrag war u.a. geregelt, dass der Geschäftsbesorger —also H— für alle mit dem Auftrag verbundenen Risiken haftet, insbesondere für Schäden an der Herde, die einer nicht ordnungsgemäßen Auftragserledigung zuzuschreiben sind, und dass als Schaden infolge mangelhafter Auftragserledigung insbesondere gilt, wenn sich die durchschnittliche Milchleistung der Herde während der Beauftragung um mehr als 10 % verschlechtert. Zur Abrechnung der Verträge unterzeichneten die Vertragspartner ein sog. Abrechnungsmuster, wonach jeweils alle über 1 400 € liegenden Überschüsse als leistungsbezogenes Entgelt für die Geschäftsbesorgung an H fallen. Mündlich war abweichend davon vereinbart worden, dass H für seine Tätigkeit als Geschäftsbesorger einen gewinnabhängigen Stundenlohn zwischen 10 und 30 € erhalten sollte.
Mit Bescheid vom zog der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) die Referenzmenge des Klägers mit Ablauf des zu Gunsten des Landes Niedersachsen ein, weil es der Auffassung war, dass der Kläger die Referenzmenge im Zwölf-Monats-Zeitraum 2002/2003 nicht beliefert habe.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Es urteilte, dass der Kläger nicht als Erzeuger der vom Hof des H gelieferten Milchmengen angesehen werden könne, da er die von H überlassenen Produktionseinheiten nicht selbst bewirtschaftet habe. Milcherzeuger könne zwar auch sein, wer Milch in gepachteten Anlagen und durch gepachtete Kühe erzeuge, wobei es unschädlich sei, wenn der Verpächter als Hilfsperson bei der Bewirtschaftung helfe oder diese gar im Wesentlichen übernehme. Im Streitfall könne der Kläger dennoch nicht als selbständiger Milcherzeuger anerkannt werden, weil das wirtschaftliche Risiko der Milcherzeugung im maßgeblichen Umfang beim Verpächter (also bei H) verblieben sei. Aufgrund der in den Verträgen enthaltenen Abrechnungs-, Haftungs- und Risikotragungsregelungen habe der Kläger lediglich einen in der Höhe nach oben begrenzten Gewinn erwirtschaften können, während das Risiko eines Verlustes nahezu ausgeschlossen gewesen sei. Daran ändere auch die mündliche Abrede über einen gewinnabhängigen Stundenlohn nichts, denn diese Regelung sei praktisch nicht handhabbar gewesen und habe nichts anderes bezweckt, als die Kosten für die Geschäftsbesorgung so zu steuern, dass der dem Kläger verbleibende Überschuss in etwa die vereinbarten 1 400 € erreichte. Dies werde durch den nach der vorgelegten Abrechnung im streitigen Milchwirtschaftsjahr tatsächlich erzielten Überschuss des Klägers belegt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, welche dieser auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) und auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe —ungeachtet der Frage, ob sie in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt sind— jedenfalls nicht vorliegen.
1. Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 405/1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 572/2003 (ABlEG Nr. L 82/20) werden Referenzmengen der Erzeuger, die während eines Zwölf-Monats-Zeitraums weder Milch noch andere Milcherzeugnisse vermarktet haben, der einzelstaatlichen Reserve zugeschlagen. Die Entscheidung, ob die Einziehung der Referenzmenge des Klägers zu Recht erfolgt ist, hängt demnach davon ab, ob der Kläger oder der Geschäftsbesorger H als Erzeuger der im Pachtzeitraum erzeugten Milchmengen anzusehen ist. Der für die Zuordnung von Milchmengen maßgebende Begriff des Milcherzeugers wird in Art. 9 Buchst. c VO Nr. 3950/92 definiert und ist höchstrichterlich geklärt. Grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich insoweit nicht.
Die Erzeugereigenschaft kommt demjenigen zu, der den Milch erzeugenden Betrieb oder die Produktionsmittel in eigener Verantwortung leitet und bewirtschaftet (Senatsbeschlüsse vom VII B 196/89, BFH/NV 1991, 565; vom VII B 214/99, BFH/NV 2000, 1002). Dies schließt es zwar nicht aus, auch einen Pächter als Milcherzeuger anzusehen, der die Milchproduktion in gepachteten Anlagen eines anderen Landwirts betreibt, wobei es auch nicht entscheidend darauf ankommt, ob lediglich bestimmte der Milchproduktion dienende Anlagen oder sogar nur einzelne Kühe überlassen worden sind. In Fällen dieser Art setzt die Anrechnung der gelieferten Milchmenge auf die Referenzmenge des Pächters jedoch voraus, dass er die gepachteten Produktionseinheiten selbständig betreibt und dass die von ihm erzeugten Milchmengen eindeutig von den vom Verpächter —falls dieser ebenfalls Erzeuger ist— erzeugten Milchmengen zu unterscheiden sind (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom Rs. C-341/89, EuGHE 1991, I-25; Senatsurteil vom VII R 68/95, BFH/NV 1996, 654).
Es bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein Pächter von Milchkühen und Produktionsanlagen nicht als Milcherzeuger i.S. des Art. 9 Buchst. c VO Nr. 3950/92 angesehen werden kann, wenn sich aus dem Gesamtbild der Verhältnisse ergibt, dass er die gepachteten Produktionseinheiten nicht selbständig betreibt. Auch wenn es ihm gestattet ist, sich zur Bewirtschaftung der gepachteten Produktionseinheiten Hilfspersonen zu bedienen und Verträge abzuschließen, die ihm wirtschaftliche Vorteile sichern und ihn bestmöglich vor Nachteilen bewahren, fehlt es an einem für den selbständigen Betrieb der Milchwirtschaft wesentlichen Merkmal, wenn aus den geschlossenen Verträgen hervorgeht, dass nicht der Pächter das wirtschaftliche Risiko der Milchproduktion trägt, sondern dieses in maßgeblichem Umfang dem Verpächter oder einem anderen Geschäftsbesorger zugewiesen ist. Denn zu den wesentlichen Merkmalen einer selbständigen Tätigkeit gehört nicht nur, dass der jeweilige Unternehmer die Dispositionsbefugnis über die zu seinem Betrieb gehörenden Produktionseinheiten innehat und diese in eigener fachlicher Verantwortung bewirtschaftet bzw. bewirtschaften lässt, sondern auch, dass sich Erfolg und Misserfolg der Tätigkeit wirtschaftlich bei ihm auswirken, er also das Unternehmerrisiko trägt (vgl. auch , nicht veröffentlicht —n.v.—).
Ob danach in Fällen gepachteter Produktionsmittel der Pächter als Milcherzeuger anzusehen ist und die erzeugten und gelieferten Milchmengen ihm zuzurechnen sind, ist eine im Wesentlichen dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der im Einzelfall festgestellten Tatsachen, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob sie gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstößt (Senatsbeschluss vom VII B 316/05, BFHE ..., ...) und ob sie auf einer hinreichenden Grundlage beruht, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt nachzuvollziehen, wie das FG zu der seine Entscheidung tragenden Überzeugung gelangt ist (, BFH/NV 2002, 950, und vom VII R 76/04, BFHE 210, 70).
Das FG hat im Streitfall nach den genannten Grundsätzen aufgrund der festgestellten Tatsachen entschieden, dass mit dem Kläger wirksame Nutzungsverträge über die Verpachtung der Anlagen und der Kühe abgeschlossen worden seien. Aus dem zugleich geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag und den in diesem enthaltenen Abrechnungs-, Haftungs- und Risikoregelungen hat das FG jedoch geschlossen, dass der Kläger das wirtschaftliche Risiko, das für die Annahme eines selbständigen Betriebs der Milchwirtschaft erforderlich sei, nicht übernommen habe, sondern dieses in maßgeblichem Umfang beim Verpächter verblieben sei und daher dieser als Milcherzeuger anzusehen sei. Diese tatsächliche Würdigung der Verhältnisse durch das FG ist möglich und nachvollziehbar; ob das FG aus den Tatsachen ggf. auch eine andere Schlussfolgerung hätte ziehen können, ist unerheblich. Der Senat wäre daher in einem Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO an diese Würdigung gebunden.
2. Mangels klärungsbedürftiger Rechtsfragen ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts nicht gegeben.
3. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Auch eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht ist im Streitfall nicht erkennbar. Abgesehen davon, dass nicht vorgetragen ist, was der Kläger noch hätte anführen wollen, wenn das FG seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung widersprochen und ihn darauf hingewiesen hätte, dass es den Kläger aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit H, insbesondere der §§ 4 und 5 des Geschäftsbesorgungsvertrages, nicht als Milcherzeuger ansehe, brauchte das FG nicht eigens hinzuweisen, dass streitentscheidend ist, ob der Kläger in maßgeblichem Umfang das wirtschaftliche Risiko der Milcherzeugung getragen hat. Ein Gericht ist auch nicht verpflichtet, seine Schlussfolgerungen im Rahmen der Beweiswürdigung und seine Rechtsauffassung den Beteiligten vor der Eröffnung des Urteils bekanntzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 27/04, n.v.; , BFH/NV 1997, 124, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1216 Nr. 6
LAAAC-43776