Einer Limited nach englischem Recht steht die nach § 3 Nr. 3 StBerG gegebene Befugnis nicht zu
Leitsatz
Die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 3 Nr. 3 StBerG steht einer Limited nach englischem Recht nicht zu. Von dem für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG maßgebenden Begriff der Dienstleistung i. S. des Art. 50 EG werden nur grenzüberschreitende vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Wer im Inland nicht nur einzelne, sondern mehrere Steuerpflichtige an verschiedenen Orten berät und vor verschiedenen Finanzämtern und Finanzgerichten in einer Vielzahl von Verfahren vertritt, ist nicht nur vorübergehend im Inland tätig, sondern erbringt seine Leistungen in stabiler und kontinuierlicher Weise und überschreitet somit den durch die Dienstleistungsfreiheit gezogenen Rahmen. § 3 StBerG, der die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen dem dort bezeichneten Personenkreis vorbehält, steht mit der nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit in Einklang.
Gesetze: StBerG § 3 Nr. 3; StBerG § 3 Nr. 4; StBerG § 49; EG Art. 43; EG Art. 49; FGO § 62 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. In dem Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) wegen Einkommensteuer 2000 hat das FG die Prozessbevollmächtigte der Kläger (Beschwerdeführerin) —eine nach englischem Recht gegründete Limited, die über Geschäftsadressen in Belgien und in den Niederlanden verfügt— gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leiste, ohne dazu nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) befugt zu sein. Gegen die Zurückweisung mit hat die Beschwerdeführerin im eigenen Namen Beschwerde eingelegt. Ihre Befugnis zur geschäftsmäßigen Steuerberatung leitet sie aus § 3 Nr. 4 StBerG ab.
II. Die Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat die Beschwerdeführerin zu Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zurückgewiesen. Weder die Beschwerdeführerin selbst noch ihre für sie handelnden Direktoren A und B sind zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt.
1. Die nach § 3 Nr. 3 StBerG gegebene Befugnis liegt nicht vor.
Die Beschwerdeführerin ist nicht als eine der dort genannten Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften anerkannt und eine Anerkennung kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil die Rechtsform der Limited in § 49 Abs. 1 und 2 StBerG für Steuerberatungsgesellschaften nicht genannt ist und einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft unabhängig von der Rechtsform ohnehin die Befugnis zur Beratung in steuerlichen Angelegenheiten nicht zukommt.
A hat die Befugnis zur Steuerberatung durch rechtskräftigen Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater verloren (, BFH/NV 2002, 1499).
B ist nicht als Steuerberaterin bestellt.
2. Nicht in Betracht kommt auch die nach § 3 Nr. 4 StBerG mögliche Befugnis für Personen oder Vereinigungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland oder in der Schweiz beruflich niedergelassen sind und dort befugt sind, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates zu leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung in Steuersachen eine Dienstleistung nach Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 2002 Nr. C 325/1) erbringen.
a) Dahingestellt bleiben kann, ob die Beschwerdeführerin nach dem Recht der Staaten (Belgien und Niederlande), in denen sie niedergelassen zu sein behauptet, überhaupt zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob das zum Schutz der Steuerpflichtigen in § 3 Nr. 4 Sätze 2 und 3 StBerG enthaltene Transparenzgebot (vgl. Gehre/ von Borstel, Steuerberatungsgesetz, 5. Aufl., § 3 Rz 18) und dessen Missachtung durch die Beschwerdeführerin ihre Zurückweisung rechtfertigt.
b) Die Beschwerdeführerin ist als Prozessbevollmächtigte aufgrund folgender Überlegungen zu Recht zurückgewiesen worden.
aa) Die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, von deren Fehlen das FG im Streitfall ausgegangen ist, steht nach § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom (BGBl I 2000, 874) auch Personen und Vereinigungen zu, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 EG erbringen. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 7. StBÄndG heißt es insoweit, dass mit der Beschränkung dieses Erlaubnistatbestands auf Erbringer von Dienstleistungen in Steuersachen im Anwendungsbereich des Art. 50 EG den Anforderungen des EG-Vertrages im Bereich der Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitender Hilfeleistung in Steuersachen Rechnung getragen werde (BTDrucks 14/2667, S. 27).
bb) Von dem für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG somit maßgebenden Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG werden nur grenzüberschreitende vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Denn zum einen sind nach Art. 49 EG nur solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige von Mitgliedstaaten verboten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Zum anderen sind Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Satz 3 EG: „vorübergehend”) in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801; vom Rs. C-55/94, EuGHE 1995, I-4165, 4195; vom Rs. C-215/01, EuGHE 2003, I-14847; BFH-Beschlüsse vom VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; vom VII B 99/03, BFH/NV 2004, 827).
Der vorübergehende Charakter einer grenzüberschreitenden Dienstleistung ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen, und er schließt nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer i.S. des Art. 50 EG aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer dagegen in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen.
cc) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FG den vorübergehenden Charakter der Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Inland zutreffend verneint. Wer, wie die Beschwerdeführerin, im Inland nicht nur einzelne, sondern mehrere Steuerpflichtige an verschiedenen Orten berät und vor verschiedenen Finanzämtern und Finanzgerichten in einer Vielzahl von Verfahren vertritt, ist nicht nur vorübergehend im Inland tätig, sondern erbringt seine Leistungen in stabiler und kontinuierlicher Weise und überschreitet somit den durch die Dienstleistungsfreiheit gezogenen Rahmen. Deshalb geht auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den vom Bundesgerichtshof (BGH) in einer Strafsache mit Urteil vom 3 StR 385/04 (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 3732) entschiedenen Fall ins Leere, in dem der BGH von einer lediglich vorübergehenden Dienstleistung ausging.
3. Die diesen Überlegungen zugrunde liegenden Grundsätze beruhen auf einer gefestigten Rechtsprechung des EuGH und des BFH. Der angerufene Senat hat daher keine Zweifel daran, dass durch § 3 Nr. 4 StBerG die in Art. 43 ff. EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 49 ff. EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit nicht unzulässig beeinträchtigt werden (BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; in BFH/NV 2004, 827). Zu der von der Beschwerdeführerin begehrten Anrufung des EuGH zum Zwecke einer Vorabentscheidung über die Auslegung der für den Streitfall maßgeblichen Vorschriften des EG besteht daher kein Anlass.
4. Ebenso wenig besteht Grund zu der Annahme, § 3 StBerG, der die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen dem dort bezeichneten Personenkreis vorbehält, stehe nicht mit der nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierten Berufsfreiheit in Einklang (vgl. , BFHE 134, 206, BStBl II 1982, 43, und vom VII R 27/82, BFHE 138, 129, BStBl II 1983, 318). Es handelt sich insoweit nicht um eine unzumutbare Einschränkung der Berufsfreiheit. Die Steuerberatung ist ein Teil der Rechtsberatung. Die Berufsaufgaben des Steuerberaters dienen der Steuerrechtspflege und damit einem wichtigen Gemeinschaftsgut. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass es —wie es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für den Bereich des Handwerks mit Beschluss vom 1 BvR 1730/02 (Deutsches Verwaltungsblatt 2006, 244) angenommen hat— zweifelhaft erscheinen muss, ob die Voraussetzungen, die § 3 StBerG für die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen aufstellt, mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände noch zumutbar sind. Die Anforderungen, die eine zuverlässige Hilfeleistung in Steuersachen stellt, sind in Anbetracht der allseits unbestrittenen Kompliziertheit des deutschen Steuersystems eher gestiegen. Angesichts dieses Umstandes ist nicht ersichtlich, dass sich Steuerberater in Deutschland einer ähnlich ernsthaften Konkurrenz von Dienstleistern aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen grenzüberschreitender vorübergehender steuerlicher Dienstleistungen gegenübersehen, wie sie das BVerfG für das Handwerk angenommen hat (vgl. dazu , juris).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1197 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2007 S. 1526
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 14
KAAAC-42615