Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis infolge einer nicht ausgeführten, auf Tonträger diktierten Büroanweisung; Ergänzung eines unvollständigen Frachtbriefs durch Frachtauftrag
Gesetze: FGO § 56, VO (EWG) Nr.. 3665/87
Instanzenzug: ,
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat am Käse zur Ausfuhr nach Jugoslawien angemeldet und antragsgemäß differenzierte Ausfuhrerstattung erhalten. Sie hat die Ware als Gouda gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3445/89 (VO Nr. 3445/89) vom zur Festlegung der vollständigen Fassung der ab geltenden Nomenklatur der Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse —Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) Nr. L 336/1— (Marktordnungs-Warenlistennummer 0406 9077 ....) angemeldet. Die Verordnung (EWG) Nr. 1706/89 (VO Nr. 1706/89) der Kommission vom (ABlEG Nr. L 166/36) setzte hierfür ebenso wie die am in Kraft getretene Verordnung (EWG) Nr. 69/90 (VO Nr. 69/90) der Kommission vom (ABlEG Nr. L 10/8) auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L 148/13) geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3904/87 des Rates vom (ABlEG Nr. L 370/1) einen Ausfuhrerstattungssatz fest, der dem Satz für „anderen Käse” entsprach (Pos. 0406 9089 ...., welche die Klägerin jetzt für die tarifliche Einordnung ihrer Ausfuhrware in Betracht zieht).
Bei dem ausgeführten Erzeugnis handelte es sich nicht um handelsüblichen Gouda, sondern um zur Verarbeitung bestimmte Rohware. In der Kombinierten Nomenklatur —KN— (Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2886/89, ABlEG Nr. L 282/1) findet sich in diesem Zusammenhang —neben Gouda— eine weitere, in der vorgenannten Nomenklatur der Ausfuhrerstattungen und dementsprechend der Warenliste nicht enthaltene Unterposition mit der Warenbezeichnung „anderer Käse —für die Verarbeitung—” (KN-Code 0406 90 11).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt —HZA—) fordert die der Klägerin gewährte Ausfuhrerstattung zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab. Es urteilte, der Erstattungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, weil für Schmelzrohware keine Erstattung vorgesehen sei. Die VO Nr. 3445/89 umfasse im Unterschied zu der KN Käse für die Verarbeitung nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, die erst nach Fristablauf begründet worden ist, weswegen die Klägerin jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat.
Der Senat hat auf sein Ersuchen (Beschluss vom ) vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Vorabentscheidung (Urteil vom Rs. C-136/04, EuGHE 2005, I-10095) erhalten:
„Für 1990 ausgeführten Käse, der seiner Beschaffenheit nach zur Verarbeitung in einem Drittland bestimmt ist, kann eine Ausfuhrerstattung nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68…gewährt werden, sofern er in einen der im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 1706/89…enthaltenen Erzeugniscodes eingereiht ist, wie sie in der Nomenklatur für erstattungsfähige landwirtschaftliche Erzeugnisse im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3445/89…definiert sind.”
Die Klägerin trägt auf der Grundlage dieser Vorabentscheidung zur Begründung ihrer Revision vor:
Die Tarifierung der Erstattungsware —ob sie als Gouda der Pos. 0406 9077 3000 oder als Käse der Pos. 0406 9089 9790 (anderer Käse mit einem Fettgehalt ab 39 GHT und mit einem Wassergehalt in der fettfreien Käsemasse ab 52 bis 62 GHT), wie es die Oberfinanzdirektion Hamburg für richtig gehalten habe, zu tarifieren sei— sei zwar unklar; sie könne jedoch dahinstehen, weil für beide Tarifpositionen derselbe Erstattungssatz gelte. Selbst wenn die Klägerin in der Ausfuhrerklärung nicht die richtige Position angegeben habe, sei ihr nach den Urteilen des (EuGHE 2005, I-3989), und des erkennenden Senats vom VII R 65/04 (BFH/NV 2006, 845) Ausfuhrerstattung zu gewähren; denn nach diesen Entscheidungen bestehe dieser Anspruch auch bei einer unzutreffenden Anmeldung dann, wenn die beantragte Erstattung nicht höher sei als die für ein gleichgestelltes Erzeugnis tatsächlich zu gewährende Erstattung. Diese Rechtsprechung sei auf Fälle wie den vorliegenden übertragbar.
Der Rückforderungsbescheid könne auch nicht darauf gestützt werden, dass in dem vorgelegten Beförderungspapier Name und Anschrift des Frachtführers fehlten. Auf diesen Gesichtspunkt sei der Rückforderungsbescheid nicht gestützt gewesen; er könne deshalb vom HZA nicht später nachgeschoben werden. Im Übrigen sei entscheidend, dass das mit den Antragsunterlagen vorgelegte Beförderungspapier beim Transport der Ware als Nämlichkeitsmittel gedient und den Transport tatsächlich begleitet habe. Dies sei vorliegend der Fall. Der Name des Beförderers könne dem Transportauftrag entnommen werden. Dass Name und Anschrift des Frachtführers nicht in Feld 16 des Frachtbriefes eingetragen wurden, sei für eine Nämlichkeitskontrolle, dem die verordnungsrechtlich vorgeschriebene Vorlage des Frachtbriefes diene, ohne Bedeutung. Überdies sei die Vorlage eines Beförderungspapiers an sich gänzlich unnötig; die Nämlichkeitsfeststellung könne nämlich anhand anderer Unterlagen, insbesondere der Verzollungsbescheinigung ausreichend vorgenommen werden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage gegen den Rückforderungsbescheid des HZA in der Fassung der Einspruchsentscheidung stattzugeben.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Klägerin stehe keine Ausfuhrerstattung zu, weil in dem mit den Erstattungsunterlagen vorgelegten CMR-Frachtbrief das Feld 16 nicht ausgefüllt sei, Angaben zum Frachtführer also fehlten. Dieser bereits in der Einspruchsentscheidung hervorgehobene Mangel sei auch bislang nicht beseitigt worden.
II. 1. Die Revision ist zulässig, obwohl die Klägerin sie erst nach Ablauf der durch die Zustellung des Beschlusses des Senats, mit dem die Revision zugelassen worden ist, in Lauf gesetzten Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) begründet hat. Denn der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) zu gewähren. Ihr Bevollmächtigter hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraute Kanzleisekretärin entgegen einer klaren und bisher befolgten Anweisung den vorgenannten Beschluss des Senats nicht an die für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin, sondern an das Sekretariat des bearbeitenden Rechtsanwalts weitergeleitet habe und dass dessen Sekretärin den Beschluss ebenfalls entgegen einer klaren und bisher befolgten Anweisung nicht der vorgenannten Mitarbeiterin zur Fristenkontrolle vorgelegt, sondern die Frist selbst ermittelt und auf der zweiten Seite des Beschlusses handschriftlich vermerkt habe. Der bearbeitende Rechtsanwalt habe dies sowie das Fehlen des an sich vorgesehenen roten Fristenlaufzettels und des Handzeichens der Mitarbeiterin der zentralen Fristenbearbeitung bemerkt, sei jedoch selbstverständlich davon ausgegangen, dass seine als zuverlässig arbeitende Kraft bekannte Sekretärin die erforderlichen Schritte zur zentralen Notierung der Frist selbst in die Wege leiten werde. Gleichwohl habe er bei dem Diktat eines an seine Mandantin gerichteten Schreibens auf dem Tonträger eine entsprechende Anweisung noch einmal ausdrücklich erteilt, welche jedoch ebenfalls unerwartet nicht ausgeführt worden sei. Auf diesen Versäumnissen beruhe es, dass der Ablauf der Frist erst nach einem entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle des erkennenden Senats bemerkt worden sei.
Unter diesen Umständen ist der Klägerin die von ihr innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren. Denn ihr Bevollmächtigter, dessen Verschulden ihr zuzurechnen wäre (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), war ohne Verschulden an der Einhaltung der Revisionsbegründungfrist gehindert.
a) Ein Bevollmächtigter darf Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung einer zuverlässigen Bürokraft überlassen. Dazu gehört die Berechnung einfacher und in dem jeweiligen Büro geläufiger Fristen, die Eintragung in das Fristenkontrollbuch und die weitere Kontrolle derartiger Fristen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IV R 29/90, BFH/NV 1991, 174, 175, und vom III B 46/01, BFH/NV 2002, 39). Für die Fristnotierung im Kalender und die Überwachung der Fristen muss eine bestimmte Fachkraft verantwortlich sein. Unterläuft ihr dabei ein Versehen, so hat der Prozessbevollmächtigte dieses grundsätzlich nicht als eigenes Verschulden zu vertreten (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 39).
Es ist dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Berechnung und zentrale Notierung der Frist für die Begründung einer Revision beim BFH in dem Büro der damaligen Bevollmächtigten der Klägerin eine gängige Tätigkeit war, die den besonders geschulten Fristensacharbeitern übertragen wurde.
Beruft sich ein durch einen Prozessbevollmächtigten vertretener Beteiligter auf ein (nicht zu vertretendes) Büroversehen, so muss er allerdings auch darlegen, dass kein Organisationsmangel vorliegt, d.h. dass alle Vorkehrungen getroffen worden sind, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass durch regelmäßige Belehrung und Überwachung der Bürokräfte für die Einhaltung diesbezüglicher Anordnungen Sorge getragen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 150/02, BFH/NV 2002, 1489; , BFH/NV 2003, 1589).
Den Bevollmächtigten der Klägerin, der schon damals die Sache bearbeitet hat, trifft jedoch im Streitfall auch kein Organisationsverschulden. Er hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass in seinem damaligen Büro eine verbindliche Anweisung bestand, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet war. Das Fristenteam hatte danach sämtliche gerichtlichen, behördlichen oder ähnliche Verfahrensfristen zentral zu notieren. Es haben nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Klägerin Einweisungen und Kontrollen hinsichtlich der Beachtung dieser Anweisung stattgefunden. Die Zuverlässigkeit der Mitarbeiterinnen ist gleichfalls dargelegt und glaubhaft gemacht worden.
b) Es liegt auch kein eigenes Verschulden des bearbeitenden Rechtsanwalts vor, das sich die Klägerin zurechen lassen müsste.
Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten kann nicht darin gesehen werden, dass er die an seine Sekretärin gerichtete Anweisung, für eine nachträgliche Notierung der Frist bei der zentralen Fristensachbearbeiterin Sorge zu tragen, auf einen Tonträger diktiert hat. Der erkennende Senat sieht es auch als glaubhaft an, dass er diese Anweisung tatsächlich —wie von ihm versichert— diktiert hat, obwohl jene sich nicht an eine derartige Anweisung auf dem Tonträger erinnern kann.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Verschulden eines Prozessbevollmächtigten angenommen, der eine Verfügung zur Eintragung der Berufungsbegründungsfrist auf einen Tonträger diktiert hatte (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1994, 2831). Damit sichergestellt sei, dass die Frist wirklich eingetragen werde, sei es erforderlich gewesen, durch deutliche Hinweise —etwa durch Aufkleber oder farbliche Markierungen— auf der Akte und dem Tonträger unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das Diktat eine im Fristenkalender einzutragende Frist betreffe. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Fristverfügung als solche von den Mitarbeitern in der Kanzlei nicht erkannt werde, dass Akte und Tonträger getrennt würden und erstere unbearbeitet weggelegt werde (vgl. BGH-Beschluss in NJW 1994, 2831). Dem ist das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 2 AZR 358/99 (nicht veröffentlicht) für den Fall gefolgt, dass ein Rechtsanwalt eine Fristverfügung auf einen Tonträger diktiert, der zugleich Diktate zu verschiedenen Akten enthielt.
In berechtigter Abgrenzung zu dem Beschluss in NJW 1994, 2831 hat der BGH aber in seinem Beschluss vom VII ZB 36/96 (Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht —NJW-RR— 1998, 1139) ausgeführt, ein Prozessbevollmächtigter müsse nicht damit rechnen, dass eine im Zusammenhang mit einer Berufungsschrift auf demselben Tonträger diktierte Berufungsbegründungsfrist durch sein Personal unbeachtet bleibe. Die bei isolierten Termindiktaten bestehende Gefahr, dass die Fristverfügung als solche von den Mitarbeitern in der Kanzlei nicht erkannt werde oder dass Akte und Tonträger getrennt würden und die Akte unbearbeitet weggelegt werde, bestehe in einem solchen Fall nicht (BGH-Beschluss in NJW-RR 1998, 1139, 1140).
Dies hat auch im Streitfall zu gelten. Denn es handelte sich bei der Anweisung nicht um ein isoliertes Termindiktat, sondern um eine Verfügung, die im Anschluss an ein dieselbe Sache betreffendes Schreiben diktiert wurde, mit der die Klägerin über den Eingang des Zulassungsbeschlusses in Kenntnis gesetzt werden sollte. Überdies lag die Gefahr einer Trennung von Akte und Tonträger fern, weil der bearbeitende Rechtsanwalt mit dem Tonträger seiner Sekretärin die Akte übergeben hat. Da er zudem davon ausging, dass diese als stets zuverlässig arbeitende Kraft bereits eigenverantwortlich aufgrund der Dienstanweisung die erforderlichen Schritte für die Notierung der Frist bei der zentralen Fristensachbearbeiterin in die Wege leiten würde, stellte die auf dem Tonträger diktierte Anweisung nur eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme dar, welche die zentrale Notierung der bereits zutreffend ermittelten Frist sicherstellen sollte. Auch dies unterscheidet den Streitfall von den Sachverhalten, die dem Beschluss in NJW 1994, 2831, und dem zugrunde lagen.
Ein Rechtsanwalt darf im Übrigen im Allgemeinen darauf vertrauen, dass eine von ihm erteilte Einzelanweisung von seinem ansonsten zuverlässig arbeitenden Personal befolgt wird (vgl. Senatsurteil vom VII R 13/02, BFH/NV 2003, 639, 640).
2. Die Revision ist auch begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO), weil nach der Vorabentscheidung des EuGH davon auszugehen ist, dass für die Ausfuhrware aufgrund der Festsetzung von Erstattungssätzen in der VO Nr. 69/90, auf deren Anwendbarkeit das HZA mit Recht hinweist, deren Festsetzungen jedoch denen in der VO Nr. 1706/89 entsprechen, für die Ausfuhrware Ausfuhrerstattung zu gewähren war, und zwar ungeachtet der Frage, ob diese in die Erstattungsnomenklatur als Gouda oder als anderer Käse einzureihen ist. Denn auch wenn Letzteres der Fall sein sollte, die Ausfuhranmeldung der Klägerin also falsch gewesen ist, kann nach der von der Klägerin dazu angeführten Rechtsprechung davon ausgegangen werden —ohne dass dies hier näherer Darlegungen bedürfte—, dass dies dem Erstattungsanspruch der Klägerin nicht abträglich ist.
Es kann ferner unterstellt werden, dass die Erstattungsvoraussetzungen insofern vorlagen, als der nach vorgenannten Verordnungen maßgebliche Frei-Grenze-Ausfuhrpreis (mindestens 140 Ecu/Kilogramm) eingehalten und die Ware von gesunder und handelsüblicher Qualität war (Art. 13 Satz 1 der hier noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen —VO Nr. 3665/87—), wozu in diesem Verfahren auch vom HZA Zweifel nicht vorgetragen worden sind und vom FG nichts Gegenteiliges festgestellt worden ist.
3. Das Urteil des FG ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).
Die der Klägerin gewährte Ausfuhrerstattung ist allerdings zurückzufordern, wenn der Klägerin kein Anspruch auf Ausfuhrerstattung zusteht, ihr die Ausfuhrerstattung also zu Unrecht gewährt worden ist. Es sind keine Tatsachen festgestellt, aus denen sich ergibt, dass der Rückforderung § 48 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) entgegensteht (zu dessen Auslegung statt aller: Beschluss des Senats vom VII B 213/99, BFH/NV 2000, 1374), auf welchen die Revision erneut hingewiesen hat.
Bei der Prüfung, ob der Rückforderungsbescheid des HZA rechtmäßig ist, ist das Bestehen eines Ausfuhrerstattungsanspruches der Klägerin unter allen einschlägigen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten zu prüfen, auch soweit diese für das HZA nicht der Anlass waren, den angefochtenen Bescheid zu erlassen. Das Gericht hat daher, anders als die Klägerin meint, insbesondere auch zu prüfen, ob ein Beförderungspapier vorliegt, das den Anforderungen des Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 genügt.
a) Der erkennende Senat hat dazu in seinem Urteil vom VII R 20/05 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2007, 17) entschieden, dass mit dem in Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 erwähnten Beförderungspapier, dessen Vorlage nach Art. 16 Abs. 1, Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 bei je nach Bestimmung unterschiedlichen Erstattungssätzen (differenzierter Erstattung) erforderlich ist, wenn der Ausführer die Zahlung einer Erstattung begehrt, eine Urkunde gemeint ist, die über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag ausgestellt worden ist und den ganzen Transportweg abdeckt. Wird dafür im grenzüberschreitenden Verkehr ein CMR-Frachtbrief verwandt, muss dieser nach Maßgabe des Übereinkommens vom über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr —CMR— (BGBl II 1961, 1120) ausgestellt sein und darf die in Art. 6 Abs. 1 des vorgenannten Übereinkommens vorgesehenen Angaben insofern nicht nur teilweise enthalten, als Name und Anschrift des Frachtführers sowie dessen Unterschrift nicht fehlen dürfen. Denn dies ist für die Nachweisfunktion des Frachtbriefes —anders als möglicherweise etwa Angaben über die Beförderungskosten oder die Ankunftsbestätigung des Abnehmers— unverzichtbar; ohne dies wäre das Beförderungspapier nicht mehr als ein substantiierter Beförderungsplan des Versenders, anhand dessen die tatsächliche Durchführung der so geplanten Beförderung nicht festgestellt werden könnte.
Diesen Anforderungen entspricht das von der Klägerin mit ihrem Erstattungsantrag vorgelegte Beförderungspapier —unstreitig— nicht. Nähere Feststellungen des FG dazu fehlen zwar, weil es darauf aus der rechtlichen Sicht des FG nicht ankam. Das FG hat auf das von der Klägerin vorgelegte Beförderungspapier in seinem Urteil —aus dem gleichen Grunde— auch nicht ausdrücklich verwiesen und dieses nicht dadurch ausdrücklich zum Gegenstand seiner Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) gemacht. Dem Urteil des FG kann jedoch mit Rücksicht darauf, dass der Inhalt der Antragsunterlagen Gegenstand insbesondere auch des Verwaltungsverfahrens und der Einspruchsentscheidung war, auf die sich das FG gerade auch im Hinblick auf den Streit um das Beförderungspapier in seinem Urteil bezogen hat, und dass dazu in tatsächlicher Hinsicht von der Klägerin keine Einwendungen erhoben worden sind, als stillschweigend festgestellt angesehen werden (vgl. Entscheidung des Großen Senats des , BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285, und BFH-Entscheidung vom VI R 7/66, BFHE 92, 333, BStBl II 1968, 589), so dass der erkennende Senat nicht gehindert ist, den Inhalt des Beförderungspapiers in dieser Revisionsentscheidung selbst rechtlich zu würdigen. Es enthält keinerlei Angaben zur Identität des Frachtführers und zu dessen Anschrift, sondern trägt nur in Feld 23 eine Unterschrift, anhand der sich dessen Name nicht erkennen lässt.
b) Dass es der Klägerin möglicherweise noch gelingen könnte, ein den verordnungsrechtlichen Anforderungen genügendes Beförderungspapier nachzureichen, macht sie inzwischen selbst nicht mehr geltend. Es kann daher in diesem Zusammenhang unerörtert bleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen anderenfalls für den Senat, der gemäß § 118 Abs. 2 FGO ein solches nachgereichtes Beförderungspapier nicht selbst berücksichtigen könnte (vgl. u.a. Senatsurteil vom VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93), Anlass bestehen könnte, die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihre Antragsunterlagen zu vervollständigen.
c) Die Klägerin hat sich jedoch bereits im erstinstanzlichen Verfahren und vor dem erkennenden Senat darauf berufen, die in dem als Beförderungspapier vorgelegten CMR-Frachtbrief fehlenden Angaben zu Name und Anschrift des Frachtführers ergäben sich hinreichend aus dem Frachtauftrag, auf den das FG in seinem Urteil —freilich beiläufig und in einem anderen rechtlichen Zusammenhang als dem hier zu beurteilenden— Bezug genommen hat und dessen Inhalt daher als festgestellt angesehen werden kann. Ob die Klägerin mit ihrem Vorbringen insoweit durchdringen kann, ist indes noch von einer Reihe tatsächlicher und rechtlicher Fragen abhängig, welche der erkennende Senat derzeit nicht abschließend zu entscheiden vermag. Die Sache muss daher zurück an das FG gehen. Dazu ist im Einzelnen Folgendes zu bemerken:
Für die Vorlage der Erstattungsunterlagen, zu denen nach Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 das Beförderungspapier gehört, sind in der Verordnung Fristen vorgeschrieben (vgl. Art. 47 Abs. 2, Art. 48 Abs. 2a VO Nr. 3665/87). Es ist nicht festgestellt, dass der vorgenannte Frachtauftrag innerhalb dieser Fristen dem HZA vorgelegt worden ist.
Der Senat hat es allerdings in seinem Beschluss vom VII B 146/00 (BFH/NV 2001, 75) für möglich gehalten, dass auch nach Ablauf dieser Fristen von dem Ausführer vorgelegte Unterlagen berücksichtigt werden können, wenn das HZA selbst das Fehlen solcher Unterlagen zunächst nicht bemerkt und trotz der fehlenden Unterlagen Ausfuhrerstattung gewährt hat, und ferner der Ausführer, nachdem das Fehlen der betreffenden Unterlagen festgestellt worden ist, diese unverzüglich nachreicht. Der Senat hat dazu ausgeführt, die Wahrung jener Fristen könnte als eine unselbständige Nebenpflicht angesehen werden und einem Ausführer die ihm bereits gewährte Ausfuhrerstattung unbeschadet der nicht fristgerechten Vorlage der Erstattungsunterlagen, insbesondere des Beförderungspapiers, dann belassen werden, wenn er nach Aufdeckung eines solchen Mangels die betreffenden Unterlagen unverzüglich nachreicht. Denn in einem solchen Fall hat die Nichteinhaltung der Nebenpflicht keine Auswirkungen auf die im Erstattungsverfahren getroffene Entscheidung. Das Verwaltungsverfahren ist nämlich nicht verzögert worden, und es wäre keine andere Entscheidung ergangen, wenn die Nichtvorlage des Beförderungspapiers rechtzeitig bemerkt worden und der Fehler dann behoben worden wäre (im Ergebnis ähnlich: Erkenntnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom Zl. 2001/17/0057; vgl. auch Senatsbeschluss vom VII B 317/05, BFH/NV 2006, 1894).
Die Frage, ob und unter welchen Umständen solche nachgereichten Erstattungsunterlagen zu berücksichtigen sind, liegt inzwischen dem EuGH aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des (ZfZ 2006, 170) vor (Aktenzeichen des EuGH Rs. C-428/05). In diesem Verfahren kann auch die Beantwortung der Frage erwartet werden, ob der Ausführer, sofern der EuGH das Nachreichen von Unterlagen im Übrigen für zulässig hält, dabei unverzüglich handeln muss oder sonst von ihm Fristen zu beachten sind, innerhalb derer er seine Antragsunterlagen vervollständigen muss, um der Rückforderung gewährter Erstattung zu entgehen.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang auf der Grundlage dieser Vorabentscheidung zu prüfen haben, wann das HZA den Frachtauftrag erhalten hat und ob demnach etwaige einschlägige Fristen gewahrt sind.
Aber auch ungeachtet dessen ist die Sache nicht spruchreif (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Denn neben der fristgerechten Vorlage des Frachtauftrages ist ferner in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen, ob sich hinreichend sicher feststellen lässt, dass die in dem CMR-Frachtbrief enthaltene (unleserliche) Unterschrift von dem in dem Transportauftrag ausgewiesenen Frachtführer stammt und dieser überhaupt zu dem hier strittigen Ausfuhrvorgang gehört (wofür aufgrund der Übereinstimmung der Angaben zu Menge und Warenart, zum Transportdatum und anderem mehr freilich alles zu sprechen scheint). Nur wenn dieses feststeht, könnte im Streitfall aufgrund einer Gesamtschau der vorliegenden Unterlagen —Frachtauftrag in Verbindung mit CMR-Frachtbrief— davon ausgegangen werden, dass es an dem Beförderungspapier nicht fehlt.
Die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 könnten dann als erfüllt angesehen werden. Allerdings verlangt diese Vorschrift, dass der Ausführer das Beförderungspapier „vorlegt”. Das entspricht dem Grundsatz, dass —wie jedes Zollverfahren— das Verfahren der Gewährung von Ausfuhrerstattung als auf papiermäßige Abwicklung angelegtes Massenverfahren grundsätzlich darauf angewiesen ist, dass die Erstattungsvoraussetzungen durch die verordnungsrechtlich vorgeschriebenen Dokumente nachgewiesen werden und dass der Ausführer dafür sorgt, dass diese der Erstattungsstelle (und zwar innerhalb genau bestimmter Fristen) vorgelegt werden. Es genügt also nicht, dass die Erstattungsstelle oder sogar erst das Gericht in irgendeiner sonstigen Weise Informationen erhalten, auf die sie meinen die Überzeugung gründen zu können, die gleichsam „materiellen” Erstattungsvoraussetzungen (dass erstattungsfähige Ware exportiert worden ist und ggf. das vorgesehene Drittland erreicht hat) seien erfüllt. Das gilt auch im Rückforderungsverfahren; etwas anderes anzunehmen, würde bedeuten, dass der Ausführer aus der infolge eines Irrtums oder Versehens der Behörde dem Gemeinschaftsrecht nicht entsprechenden Gewährung von Ausfuhrerstattung Vorteile zieht, was allenfalls dann in Betracht kommen könnte, wenn —anders als hier— der Grundsatz des Vertrauensschutzes dies geböte.
Es ist nicht festgestellt, dass die Klägerin den Frachtauftrag dem HZA vorgelegt hat. Es ist für den erkennenden Senat nach Aktenlage überhaupt nicht klar erkennbar, wie die (dort in einem Heft „Sonstiges” befindliche) Kopie des Frachtauftrages zu dem Vorgang gelangt ist. Das mag im zweiten Rechtsgang geklärt werden, wobei der Senat allerdings unter den besonderen Umständen des Streitfalls in Betracht zieht, dass —sofern alle sonstigen, eben erörterten Bedingungen erfüllt sind— eine Urkunde, die sich bei den Erstattungsunterlagen des HZA befindet und ihrem Inhalte nach (ggf. in Verbindung mit anderen Urkunden) den Anforderungen an ein „Beförderungspapier” entspricht, zugunsten des Ausführers berücksichtigt werden kann, auch wenn dieser sie nicht vorgelegt hat und sich auf sie auch nicht ausdrücklich oder —wie im Streitfall (vgl. nur ergänzende Klagebegründung vom )— nicht in substantiierter Weise bezogen hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1212 Nr. 6
QAAAC-41521