Leitsatz
Bei der Bemessung von Deichbeiträgen, deren Belastungswirkung für die Abgabenschuldner objektiv betrachtet sehr geringfügig ist, kann die Anknüpfung an die festgeschriebenen Einheitswerte der deichgeschützten Grundstücke eine Entscheidung des Landesgesetzgebers sein, die unter Beachtung des Gleichheitssatzes weiterhin gerechtfertigt ist (im Anschluss an - BFHE 209, 138 <140 f.> zur Grundsteuer).
Der Landesgesetzgeber handelt im Rahmen seines willkürfreien Ermessens, wenn er die Eigentümer der deichgeschützten Grundstücke zu Zwangsmitgliedern eines Deichverbandes macht, der die ihm aufgetragenen Aufgaben durch eine von diesen Mitgliedern zu tragende Umlage (Deichlast) finanziert.
Wenn lediglich das Land Niedersachsen eine mit der Deichpflicht verbundene Deichlast kennt, stellt die daraus resultierende Ungleichbehandlung gegenüber Eigentümern in anderen Bundesländern schon deswegen keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, weil der Landesgesetzgeber nur in seinem jeweiligen Kompetenzbereich verpflichtet ist, den Gleichheitsgrundsatz zu wahren (im Anschluss an BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 239/52 - BVerfGE 10, 354 <371> und vom - 2 BvR 413/88 u.a. - BVerfGE 93, 319 <351>).
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; BewG 1991 § 21 Abs. 1 Nr. 1; WVG § 28; WVG § 29; WVG § 31 Abs. 1; NDG § 6 Abs. 1 Satz 1; NDG § 9 Abs. 1; NDG § 9 Abs. 2
Instanzenzug: VG Oldenburg 1 A 962/03 vom OVG I Lüneburg 13 LC 22/04 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Sache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Grundsätzliche Bedeutung soll es zunächst haben,
"dass die Bemessung der Deichverbandsbeiträge nach Einheitswerten der im Verbandsgebiet gelegenen Grundstücke durchgeführt wird, obwohl dies zu einer gegen Art. 3 Grundgesetz verstoßenden Wertermittlung führt und damit als Bewertungsmaßstab ungeeignet ist".
Die Beschwerde formuliert hiermit jedoch nicht - wie es das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beim Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verlangt - eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage revisiblen Rechts (vgl. z.B. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Es wird vielmehr lediglich eine Rechtsbehauptung aufgestellt, mit der die nachfolgende Kritik des angefochtenen Urteils eingeleitet wird. Diese läuft darauf hinaus, die Vorinstanz habe mit ihrer Entscheidung in Anwendung einfachen Rechts das verfassungsrechtliche Willkürverbot verletzt. Der gerügte Verfassungsverstoß soll sich daraus ergeben, dass seit der Hauptfeststellung der Einheitswerte im Jahre 1964 sich auf dem Immobiliensektor vielfältige Änderungen der Verhältnisse ergeben hätten, die notwendig unterschiedliche Wertentwicklungen zur Folge haben müssten. Ein Beispiel dafür sei die unterschiedliche Wertentwicklung des privaten und gewerblichen Vermögens einerseits und des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens andererseits. Da diese und andere Unterschiede sich in den seit 40 Jahren unveränderten Einheitswerten nicht widerspiegelten, könnten diese kein auch nur annähernd reales Bild vom Wert des Grundvermögens liefern. Dies habe dazu geführt, dass das Bundesverfassungsgericht in den Einheitswerten keine geeignete Bemessungsgrundlage für die Vermögenssteuer und die Erbschaftssteuer gesehen habe. Die Einheitswerte könnten dann aber auch nicht als Grundlage für eine Beitragsbemessung herangezogen werden, zumal es darüber hinaus in nennenswertem Umfang öffentlichen Zwecken dienendes Grundvermögen gebe, das aus steuerpolitischen Gründen bisher nicht von der Einheitsbewertung erfasst worden sei. Das BVerwG 4 C 185.65 - (Buchholz 445.2 § 81 WVVO Nr. 1), in dem das Bundesverwaltungsgericht die Einheitswerte noch als geeigneten Beitragsmaßstab für Deichlasten angesehen habe, sei insofern überholt und deswegen von der Vorinstanz zu Unrecht herangezogen worden, um die Beitragsbemessung mit Blick auf den Gleichheitssatz zu rechtfertigen.
Selbst wenn man die eingangs zitierte Rechtsbehauptung als Frage formuliert, fehlt es an einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie erschöpft sich nämlich in einer - teilweise wörtlichen - Wiederholung der Ausführungen in der Klagebegründung (Schriftsatz vom , S. 2 ff.) und in der Berufungsbegründung (Schriftsatz vom , S. 6 ff.), wobei darauf verzichtet wird, sich mit den landesrechtlichen Prämissen auseinanderzusetzen, die der Entscheidung der Vorinstanz zugrunde liegen und vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO, § 560 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO). So nimmt die Beschwerde nicht davon Kenntnis, dass sich die Vorinstanz durch Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil die dort näher begründete Auffassung zu eigen gemacht hat, § 30 Abs. 2 Satz 2 der Verbandssatzung habe durch den Korrekturfaktor 1,5 einer abweichenden Wertentwicklung der Einheitswerte bei land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken angemessen Rechnung getragen. Ebenso ignoriert die Beschwerde die - im erstinstanzlichen Urteil gleichfalls herangezogene - Vorschrift des § 31 Abs. 6 der Verbandssatzung. Die dort zu findende Vorgabe, dass bei den öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmungen dienenden Grundstücken, die nicht bewertet sind, zwecks Einbeziehung dieses Grundbesitzes in die Beitragserhebung gemäß den Richtlinien für die Einheitsbewertung ein Ersatzwert zu ermitteln ist, lässt aber den Vorwurf der Beschwerde ins Leere gehen, insoweit finde eine mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbarende Privilegierung bestimmter Eigentümer statt. Denn die Vorinstanz hat dazu - für das Revisionsgericht bindend (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) - in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, der Beklagte habe insoweit einen ordnungsgemäß geschätzten Betrag in Höhe von 30 Mio. DM an Einnahmen der ersatzbewerteten Flächen berücksichtigt, um den sich der Beitrag der einheitsbewerteten Flächen vermindert habe.
Die sich im Beschwerdevortrag schließlich noch andeutende Fragestellung, ob der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und zur Erbschaftssteuer (Beschlüsse vom - 2 BvL 37/91 und 2 BvR 552/91 - BVerfGE 93, 121 ff. u. 165 ff.) zu entnehmen ist, dass die Einheitswerte als Bemessungsgrundlage für Deichbeiträge ungeeignet sind, rechtfertigt die begehrte Revisionszulassung ebenso wenig. Denn die Beschwerde setzt sich in diesem Zusammenhang nicht damit auseinander, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen maßgeblich auf Wertverzerrungen abgestellt hat, die zwischen dem einheitswertgebundenen Grundvermögen einerseits und den Wertansätzen des übrigen - nicht einheitswertgebundenen - Vermögens eingetreten sind. Hieraus ist zwar zu entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz für sämtliche Vermögensarten einen einheitlichen Abgabensatz festlegen kann, wenn er nicht etwa durch Korrekturfaktoren die erwähnten Wertverzerrungen in der Bemessungsgrundlage ausgleicht. Dass die weitere Verwendung der auf den festgeschriebenen Einheitswerte (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom - BGBl I S. 851; Satz 3 i.d.F. von Art. 2 des Gesetzes vom - BGBl I S. 1118) als Bemessungsgrundlage auch bei reinen Grundbesitzabgaben notwendig zu verfassungswidrigen Belastungsunterschieden führt, folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht. Zumindest so lange, wie die Belastungswirkung für die Abgabenschuldner objektiv betrachtet sehr geringfügig bleibt, kann hier die Anknüpfung an Einheitswerte vielmehr eine Entscheidung des Gesetzgebers sein, die unter Beachtung des Gleichheitssatzes weiterhin gerechtfertigt ist (vgl. zur Grundsteuer - BFHE 209, 138 <140 f.>). Die Beschwerde legt nicht dar, dass die streitigen Deichbeiträge sich bereits jenseits der Schwelle einer Bagatellabgabe bewegen. Deswegen zeigt sie auch nicht nachvollziehbar auf, warum ein Beitragsmaßstab, der typisierend an die Einheitswerte anknüpft, für die Beitragspflichtigen Ungerechtigkeiten zur Folge hat, die unter Berücksichtigung der durch die Typisierung erzielten Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität nicht mehr zu rechtfertigen sind, und zwar, obwohl bei der Regelung von Massenerscheinungen im Abgabenrecht Typisierungen und Pauschalierungen im Grundsatz durchaus erlaubt sind (vgl. BVerwG 10 C 6.05 - juris Rn. 46 m.w.N.).
2. Die Beschwerde vermag die grundsätzliche Bedeutung der Sache auch nicht darzulegen, indem sie unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 GG die Frage aufwirft,
"ob mit der Erhebung der Beiträge zur Erhaltung der Hochwasserdeiche von den Anwohnern der Küstenregionen eine besondere Abgabe verlangt werden kann, obwohl der Hochwasserschutz eine darüber hinausgehende Aufgabe darstellt" und
"warum die Deichkosten, also Kosten für die Herstellung und den Erhalt der Hochwasserdeiche im Sinne von § 2 der Satzung des Beklagten von den Anwohnern in einem mehr oder minder engen Einzugsgebiet getragen werden sollen".
Die Beschwerde wiederholt insofern wörtlich ihre Berufungsbegründung (Schriftsatz vom , S. 15 f.), ohne sich mit den landesrechtlichen Grundlagen der Deichpflicht der im beklagten Deichverband zusammengeschlossenen Eigentümer und Erbbauberechtigten der deichgeschützten Grundstücke auseinanderzusetzen, an die der Satzungsgeber mit der Beitragspflicht der Verbandsmitglieder anknüpft. In ihrem Urteil vom - 7 LB 3372/01 - NdsVBl 2003, 209 ff.), das im erstinstanzlichen Urteil in diesem Zusammenhang zitiert wird, hat die Vorinstanz ausführlich die konkreten Umstände dargestellt, die es sachlich rechtfertigen, nach der Errichtung und Inbetriebnahme eines dem Sturmflutschutz dienenden Sperrwerks die früheren Hauptdeiche als "zweite Deichlinie" zu widmen, die nunmehr überwiegend zur Abwehr landseitigen Hochwassers bestimmt ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem geklärt, dass eine "Gefahrengemeinschaft" ein hinreichender Anknüpfungspunkt für die Einführung einer Deichpflicht und die daraus erwachsende Deichlast darstellt (vgl. BVerwG 4 C 22.63 - BVerwGE 18, 324 <327>, auch BVerwG 7 CN 2.02 - Buchholz 445.1 Allg. Wasserrecht Nr. 8 S. 9). Der Landesgesetzgeber handelt somit im Rahmen seines willkürfreien Ermessens, wenn er die Eigentümer und Erbbauberechtigten der deichgeschützten Grundstücke zu Zwangsmitgliedern eines Deichverbandes macht, der die ihm aufgetragenen Aufgaben durch eine von diesen Mitgliedern zu tragende Umlage finanziert. Wenn lediglich das Land Niedersachsen eine mit der Deichpflicht verbundene Deichlast kennt, stellt die daraus resultierende Ungleichbehandlung gegenüber Eigentümern und Erbbauberechtigten in anderen Bundesländern schon deswegen keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, weil der Landesgesetzgeber nur in seinem jeweiligen Kompetenzbereich verpflichtet ist, den Gleichheitsgrundsatz zu wahren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 239/52 - BVerfGE 10, 354 <371> und vom - 2 BvR 413/88 u.a. - BVerfGE 93, 319 <351>). Mit ihrem pauschalen Hinweis, dem Hochwasserschutz sei auch in anderen Regionen des Bundesgebiets - sei es teilweise auch erst nach einem zu erwartenden Klimawandel - eine besondere Bedeutung beizumessen, kann die Beschwerde unter diesen Gegebenheiten nicht einen Bedarf für eine zusätzliche Klärung der aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Folgerungen aufzeigen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2007 S. 319 Nr. 3
UAAAC-34555