Leitsatz
Bei der 1 v.H.-Regelung zur Ermittlung der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs handelt es sich um eine zwingende Bewertungsregelung, die nicht durch die Zahlung eines Nutzungsentgelts vermieden werden kann, selbst wenn dieses als angemessen anzusehen ist. Die vereinbarungsgemäß gezahlten Nutzungsvergütungen sind von den nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG ermittelten Werten in Abzug zu bringen.
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1EStG § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff.EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
Instanzenzug: (EFG 2005, 431) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Streitig ist, ob für die Nutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken sowie zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein pauschal ermittelter geldwerter Vorteil auch dann anzusetzen ist, wenn der Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen für diese Nutzung ein entfernungsbezogenes Entgelt in Rechnung stellt.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind seit 1995 verheiratet und werden seither zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Dem Kläger wurde in den Streitjahren (1994 bis 1997) von seinem Arbeitgeber ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt, das er neben dienstlichen Fahrten auch für die Wege zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte nutzen durfte. Nach den über die Fahrzeuggestellung getroffenen Vereinbarungen hatte der Kläger an seinen Arbeitgeber für die Fahrten zum Dienstsitz eine sog. Kilometerpauschale von 0,80 DM je gefahrenem Kilometer zu entrichten. Die gleiche Regelung sollte für etwaige Privatfahrten gelten, die dem Kläger gesondert genehmigt werden mussten. Zudem hatte der Kläger ein sog. Pflichtenheft zu führen, ohne darin allerdings die einzelnen Fahrten aufzeichnen zu müssen. Der Arbeitgeber des Klägers hatte diese Vertragsgestaltung im Jahr 1994 der für seine Besteuerung zuständigen Finanzbehörde mitgeteilt und von dort die Auskunft erhalten, dass bei den Arbeitnehmern ein geldwerter Vorteil für eine Privatnutzung nicht zu versteuern sei. Daher unterblieb insoweit eine Erfassung von Arbeitslohn sowohl beim Lohnsteuerabzug als auch im Zuge der Einkommensteuerveranlagungen des Klägers.
Im Jahr 2000 erlangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) infolge einer Lohnsteuer-Außenprüfung von der Dienstwagengestellung Kenntnis. Er schloss sich der Auffassung der Prüferin an, aufgrund der Verfügungsmöglichkeit des Klägers über das Fahrzeug sei eine private Nutzung nicht tatsächlich ausgeschlossen gewesen. Es sei daher insoweit noch ein pauschaler Nutzungswert von 1 v.H. des Fahrzeuglistenpreises je Kalendermonat zu versteuern. Zudem sei in den Jahren 1996 und 1997 der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschalierte geldwerte Vorteil aus der Verwendung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte höher gewesen als die hierfür in diesen Jahren jeweils an den Arbeitgeber aufgrund der Kilometerpauschale gezahlten Beträge. Die Differenz müsse ebenfalls nachversteuert werden. Das FA erließ daher geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die ermittelten Beträge als zusätzliche Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit erfasste.
Die gegen die Änderungsbescheide erhobene Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 431 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 8 Abs. 2 EStG.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger treten der Revision mit den Gründen des angefochtenen Urteils entgegen.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG benennt die geldwerten Güter und Vorteile und bringt zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer durch die Zuwendung objektiv bereichert sein muss, weil die Zuwendung für ihn einen wirtschaftlichen Wert hat. § 8 Abs. 2 bestimmt daneben auch den Maßstab für die Bewertung des Vorteils (, BStBl II 2006, 781).
Ein Vorteil wird „für” eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingegangen wird und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886). Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehung oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (, BFHE 199, 322, BStBl II 2002, 829; vom VI R 25/02, BFHE 207, 457, BStBl II 2006, 10). Ob ein Leistungsaustausch aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung vorliegt, ist aufgrund einer Würdigung der den Einzelfall prägenden Umstände zu entscheiden (, BFH/NV 2005, 702).
Im Streitfall bestand nach den Feststellungen des FG eine solche Sonderrechtsbeziehung nicht. Die Überlassung des Firmenfahrzeugs auch für private Zwecke gründete allein auf dem Dienstverhältnis.
2. Die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370).
a) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt ab dem Veranlagungszeitraum 1996 für die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung entsprechend; diese Nutzung ist daher für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Es handelt sich um eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung (, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; Birk in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 8 EStG Anm. 75, 83). Der Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erhöht sich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03 v.H. des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn das Fahrzeug für solche Fahrten genutzt werden kann. Der Wert nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG kann auch mit dem auf die private Nutzung entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG). Diese vom Gesetz vorgegebenen Alternativen zur Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs regeln einheitlich und abschließend, welche Aufwendungen von dem gefundenen Wertansatz erfasst und in welchem Umfang die dem Steuerpflichtigen hieraus zufließenden Sachbezüge abgegolten werden. Sowohl die 1 v.H.-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG) als auch die Fahrtenbuchmethode (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG) stellen unterschiedliche Methoden zur Bewertung dieses Vorteils dar. Als Spezialvorschriften zu § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sperren sie, soweit ihr Regelungsgehalt reicht, den Rückgriff auf die dort geregelte Bewertung von Sachbezügen im Übrigen (, BFHE 211, 215, BStBl II 2006, 72).
b) Die Berechnung des geldwerten Vorteils wegen der Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für private Zwecke richtet sich, wie der Wortlaut der Vorschrift verdeutlicht, ausschließlich nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG, sofern der Arbeitnehmer nicht von der Möglichkeit, ein Fahrtenbuch zu führen, Gebrauch macht (Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 19 Rz 50 Stichwort Kraftfahrzeuggestellung). Die danach zwingend vorgeschriebene Anwendung der Vorschrift kann auch nicht durch Zahlung eines Nutzungsentgelts vermieden werden, selbst wenn sich dieses an Durchschnittssätzen orientiert. Vom Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß gezahlte Nutzungsvergütungen sind ggf. von den nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ermittelten Werten in Abzug zu bringen. Denn insoweit fehlt es an einer Bereicherung des Arbeitnehmers (Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 8 Rz 41; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 8 Rn 389; Blümich/ Glenk, § 8 EStG Rz. 109; Thomas, Der Betrieb —DB— 2006, Beilage Nr. 6/2006 zu Heft Nr. 39, 58, 63; R 31 Abs. 9 Nr. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien —LStR—; a.A. Kirchhof in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 8 Rn 51; Steiner in Lademann, EStG, § 8 Anm. 106). Da § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG der Ermittlung des geldwerten Vorteils dient, kommt die Regelung nur dann nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet (, BFH/NV 2005, 1300).
c) In den Streitjahren 1994 und 1995 war der geldwerte Vorteil nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort zu bewerten. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) hatte in dem Schreiben vom IV B 6 -S 2353- 76/82 (BStBl I 1982, 814) unter Nr. 7 sowie in Abschn. 31 Abs. 7 Satz 3 LStR 1993 drei verschiedene Methoden der Ermittlung des in der privaten Kraftfahrzeugnutzung liegenden geldwerten Vorteils zugelassen. Die dort u.a. auch vorgesehene Berechnung des geldwerten Vorteils nach der —ab 1996 in das Gesetz übernommenen— sog. 1 v.H.-Methode fand die Billigung der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370; Beschluss vom VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330).
3. Nach diesen Maßstäben hat das FA den Nutzungsvorteil für Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in den Streitjahren 1996 und 1997 zu Recht gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG unter Abzug des vom Kläger gezahlten Nutzungsentgelts ermittelt. Denn dem Kläger war die Nutzung des Firmenwagens für diese Fahrten ausdrücklich erlaubt.
Hinsichtlich der zwischen den Beteiligten strittigen Frage, ob eine private Nutzung des Fahrzeugs zu verneinen ist, ist die Sache nicht spruchreif. Das FG hat insoweit, aus seiner Sicht zu Recht, keine Feststellungen getroffen. Diese sind nunmehr nachzuholen. Sollte sich dabei herausstellen, dass eine Privatnutzung des Fahrzeugs nicht ausscheidet, ist der Nutzungsvorteil, wie vom FA vorgenommen, nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bzw. für die Streitjahre 1994 und 1995 nach den genannten Verwaltungsanweisungen zu bewerten und der Besteuerung zu unterwerfen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 269
BB 2007 S. 195 Nr. 4
BBK-Kurznachricht Nr. 3/2007 S. 140
BFH/NV 2007 S. 329 Nr. 2
BStBl II 2007 S. 269 Nr. 6
DB 2007 S. 258 Nr. 5
DStR 2007 S. 104 Nr. 3
DStRE 2007 S. 187 Nr. 3
DStZ 2007 S. 89 Nr. 4
EStB 2007 S. 36 Nr. 2
FR 2007 S. 357 Nr. 7
FR 2007 S. 500 Nr. 10
HFR 2007 S. 218 Nr. 3
INF 2007 S. 86 Nr. 3
KÖSDI 2007 S. 15419 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15421 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15422 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15422 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15422 Nr. 2
NJW 2007 S. 1167 Nr. 16
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2007 S. 163
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2008 S. 3292
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2008 S. 741
SJ 2007 S. 9 Nr. 6
StB 2007 S. 42 Nr. 2
StBW 2007 S. 2 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 2/2007 S. 76
PAAAC-34402