Leitsatz
[1] Tritt der Gesellschafter eine zu funktionalem Eigenkapital umqualifizierte Darlehensforderung an einen Dritten ab, der gleichzeitig seine Gesellschafterstellung übernimmt, dann teilt die dadurch erlangte Kaufpreisforderung das Schicksal der Darlehensforderung. Dem bisherigen Gesellschafter ist es deswegen verwehrt, diese Kaufpreisforderung dazu zu verwenden, einen gegen ihn bestehenden Anspruch der Gesellschaft - sei es durch Aufrechnung, sei es durch Weiterverkauf an die Gesellschaft - zum Erlöschen zu bringen.
Gesetze: GmbHG § 30; GmbHG § 31; GmbHG § 32 a
Instanzenzug: LG Aachen 42 O 161/96 vom OLG Köln 18 U 169/03 vom
Tatbestand
Der Kläger, Verwalter in dem am über das Vermögen der R. GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) eröffneten Konkursverfahren, macht gegen den Beklagten wegen der vermeintlichen Erstattung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens einen Rückzahlungsanspruch geltend.
Der Beklagte gewährte der Gemeinschuldnerin als deren Alleingesellschafter bis zum Darlehensmittel in Höhe von 1.137.306,20 DM. In einem mehrseitigen notariellen Vertrag vom trafen der Beklagte, die Gemeinschuldnerin und weitere Beteiligte folgende Vereinbarungen: Zunächst übertrug der Beklagte seine Geschäftsanteile an der Gemeinschuldnerin zum Preis von 70.000,00 DM auf H. L. ; außerdem verkaufte er seine gegen die Gemeinschuldnerin gerichtete Darlehensforderung zum Nominalbetrag von 1.137.306,20 DM unter gleichzeitiger Abtretung dieser Forderung an L. . Den durch diesen Forderungsverkauf begründeten Kaufpreisanspruch trat der Beklagte an die W. GmbH und die I. GmbH (nachfolgend für beide: W. GmbH) ab, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer er war. Die ihr abgetretene Kaufpreisforderung verkaufte nunmehr die W. GmbH ebenfalls zum Nominalbetrag von 1.137.306,20 DM bei gleichzeitiger Abtretung dieser Forderung an die Gemeinschuldnerin. Die daraus sich ergebende Kaufpreisschuld der Gemeinschuldnerin wurde durch Verrechnung ihr gegen die W. GmbH zustehender Forderungen von 1.137.306,20 DM getilgt.
Der Kläger erblickt in diesem Vorgang eine unzulässige Einlagenrückgewähr an den Beklagten. Seine auf Zahlung von 1.137.306,20 DM (= 581.495,42 €) gerichtete Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Mit der - von dem Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Oberlandesgericht meint, einem Anspruch des Klägers stehe nicht der Umstand entgegen, dass Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen Forderungen der W. GmbH und nicht gegen Forderungen des Beklagten verrechnet worden seien, weil es sich bei der W. GmbH um ein mit dem Beklagten verbundenes Unternehmen handele. Es könne offen bleiben, ob sich die Gemeinschuldnerin am in einer Krise befunden habe. Als weitere Voraussetzung eines Rückerstattungsanspruchs sei nämlich eine Auszahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen nicht gegeben. Eine Auszahlung zu Lasten des Stammkapitals könne nicht angenommen werden, wenn es sich um eine wechselseitige Leistungsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem mit dem Gesellschafter verbundenen Unternehmen handele, bei der Leistung und Gegenleistung gleichwertig und damit bilanzneutral seien. An der erforderlichen Gleichwertigkeit fehle es nur, wenn die von der W. GmbH der Gemeinschuldnerin im Rahmen des Forderungsverkaufs als Gegenleistung abgetretene Forderung gegen L. nicht werthaltig sei. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger habe eine fehlende Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit des Schuldners L. nicht hinreichend dargetan bzw. unter Beweis gestellt.
II. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Da das Berufungsgericht zugunsten des Klägers eine Krise der Gemeinschuldnerin unterstellt hat, ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass es sich bei dem von dem Beklagten der Gemeinschuldnerin gewährten Darlehen um eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung handelt, auf die während der Dauer der Krise keine Zahlungen erbracht werden dürfen. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht auf der Grundlage dieses Sachverhalts angenommen, dass der Beklagte für eine etwaige Rückzahlung dieses eigenkapitalersetzenden Darlehens an die W. GmbH einzustehen hätte (Sen.Urt. v. - II ZR 103/02, ZIP 2005, 660 f.), weil diese ein mit ihm verbundenes Unternehmen, die Sachlage also so zu betrachten ist, als sei an ihn selbst geleistet worden.
2. Das Berufungsgericht hat aber verkannt, dass durch die hier gewählte Vertragskonstruktion zu Lasten der Gemeinschuldnerin die Eigenkapitalersatzregeln umgangen wurden, weil die Gemeinschuldnerin durch den entgeltlichen Erwerb der gegen L. gerichteten Kaufpreisforderung zugleich mittelbar das an ihn abgetretene eigenkapitalersetzende Darlehen getilgt hat.
a) Der Beklagte hätte anstelle der tatsächlich verwirklichten Vertragskonstruktion seine Darlehensforderung gegen die Gemeinschuldnerin an die mit ihm verbundene W. GmbH abtreten können. Da die Gesellschaft den eigenkapitalersetzenden Charakter eines Darlehens gemäß § 404 BGB auch einem Zessionar entgegenhalten kann (BGHZ 104, 33, 43), wäre in diesem Fall eine Aufrechnung durch die W. GmbH gegen die Forderung der Gemeinschuldnerin an § 390 Satz 1 BGB gescheitert (Sen.Urt. v. - II ZR 104/80, NJW 1982, 383, 385). Wegen der Unstatthaftigkeit der Aufrechnung hätte auch nicht die Möglichkeit bestanden, durch einen dreiseitigen Vertrag (BGHZ 94, 132, 134 ff.) die eigenkapitalersetzende Darlehensforderung des Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin mit der Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die W. GmbH als mit dem Beklagten verbundenen Unternehmen zu verrechnen (BGHZ 15, 52, 60). Ferner hätte der Beklagte nicht als Drittzahler (§ 267 BGB) durch Aufrechnung mit seinem einredebehafteten Darlehen die Verbindlichkeiten der W. GmbH gegenüber der Gemeinschuldnerin zum Erlöschen bringen können (BGHZ 81, 365, 368).
b) Die von dem Beklagten gewählte Konstruktion ist der Versuch, diese nach den Eigenkapitalersatzregeln bestehenden Beschränkungen zu unterlaufen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hätte sie, würde man sie rechtlich anerkennen, zur Folge, daß die Gemeinschuldnerin werthaltige Vermögensgegenstände weggibt, indem sie ihre gegen die W. /I. - wirtschaftlich also gegen den Beklagten - bestehende Forderung aus Leasingverträgen mit der "wertlosen" Kaufpreisforderung aus der Abtretung der nicht durchsetzbaren Darlehensforderung "bezahlen" ließe. Im Ergebnis ist also auch hier der Beklagte wirtschaftlich von einer ihn treffenden Verbindlichkeit durch Verrechnung mit einer künstlich geschaffenen - der Sache nach aber das Schicksal der Darlehensforderung teilenden - "Kaufpreisforderung" frei geworden. Dadurch hat die Gemeinschuldnerin ihren vollwertigen Anspruch gegen den Beklagten verloren, also einen Vermögensverlust erlitten, der sich im Ergebnis wie ein Verzicht auf diesen Anspruch auswirkt.
III. Die Zurückweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, zur behaupteten Krise der Gemeinschuldnerin die notwendigen Feststellungen zu treffen. Entgegen der von dem Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Rechtsansicht ist die Klage nicht schon wegen des von dem Beklagten für sein Darlehen erteilten Rangrücktritts begründet, weil dieser die Geltendmachung der Forderung nur im Falle einer bisher nicht ordnungsgemäß festgestellten Krise der Gesellschaft verbietet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 2710 Nr. 50
DB 2006 S. 2680 Nr. 49
DStR 2007 S. 36 Nr. 1
GmbH-StB 2007 S. 8 Nr. 1
GmbHR 2007 S. 43 Nr. 1
NJW-RR 2007 S. 391 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 2/2007 S. 86
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2007 S. 286
WM 2007 S. 20 Nr. 1
ZIP 2006 S. 2272 Nr. 49
PAAAC-31272
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja