Streitwertbestimmung bei Aufnahme des durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Finanzrechtsstreits
Leitsatz
Wird der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners unterbrochene Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids vom Insolvenzverwalter aufgenommen, so bestimmt sich der Wert des Streitgegenstands für das weitere Verfahren ab Aufnahme des Rechtsstreits nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die noch unerfüllte Steuerforderung zu erwarten ist.
Gesetze: InsO § 180 Abs. 2InsO § 182InsO § 185GKG a.F. § 13 Abs. 1 Satz 1GKG a.F. § 14 Abs. 1GKG a.F. § 15ZPO § 240FGO § 155
Instanzenzug:
Gründe
I.
Im Laufe des Revisionsverfahrens war über das Vermögen des K (des früheren Klägers und Revisionsklägers) das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der (nachmalige) Revisionskläger nahm in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des K den anhängigen Rechtsstreit wegen Einkommensteuer 1990 und 1991 beim Bundesfinanzhof (BFH) auf. Mit Urteil vom X R 22/02 (BFHE 210, 345, BStBl II 2006, 457) wies der beschließende Senat die gemeinsame Revision des Insolvenzverwalters als Revisionskläger und der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), der Ehefrau des K, zurück. Die Kosten des Revisionsverfahrens gab der Senat bezüglich des Streitjahres 1991 dem Revisionskläger und hinsichtlich des Streitjahres 1990 (für das K nicht getrennt, sondern mit der Klägerin zusammen veranlagt worden war) den (Revisions-)Klägern auf.
Der Kostenbeamte des BFH legte der Berechnung der Gerichtsgebühren einen Streitwert von 7 516 503 € zugrunde. Dabei ging er davon aus, dass eine Stattgabe der Revision für das Streitjahr 1990 bei K und der Klägerin zu einer um 747 990 € geringeren Einkommensteuer und für das Streitjahr 1991 bei K zu einer um 6 768 513 € niedrigeren Einkommensteuerfestsetzung geführt hätte.
Der Revisionskläger vertritt die Auffassung, im Verhältnis zu ihm als Insolvenzverwalter sei es in dem Rechtsstreit allein darum gegangen, ob die Steuerforderungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) überhaupt bestanden hätten und wenn ja, in welcher Höhe sie bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderungen zu berücksichtigen gewesen wären. Der Streitwert bestimme sich daher nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderungen zur Verfügung stehe. Im Hinblick darauf sei die Abrechnung auf der Grundlage eines Streitwerts von 1 000 € vorzunehmen. Das Insolvenzverfahren habe inzwischen ergeben, dass eine Insolvenzmasse zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger nicht zur Verfügung stehen werde.
II.
1. Auf die Bestimmung des Streitwerts sind die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) in dessen Fassung vor Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG) vom (BGBl I 2004, 718) weiter anzuwenden (GKG a.F.), da das Revisionsverfahren X R 22/02 beim BFH vor dem anhängig geworden ist (vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des KostRMoG).
2. Es kann dahinstehen, ob den Ausführungen des Revisionsklägers zugleich auchein Antrag auf gerichtliche Streitwertfestsetzung zu entnehmen ist. Der Senat erachtet eine Festsetzung des Streitwerts durch das Prozessgericht (§ 25 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz GKG a.F.) trotz des bereits vorliegenden Kostenansatzes des Kostenbeamten (vgl. dazu , BFH/NV 2003, 789, m.w.N.) für angemessen, da die Ermittlung des Streitwerts bei Sachverhalten wie im Streitfall bisher noch nicht eindeutig geklärt ist.
3. Der Streitwert wird abweichend von der Streitwertermittlung des Kostenbeamten für das Verfahren nach Aufnahme des Rechtsstreits durch den Revisionskläger als Insolvenzverwalter auf 748 890 € festgesetzt. Für das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt verbleibt es bei dem bislang angesetzten Streitwert von 7 516 503 €.
a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. ist der Streitwert im finanzgerichtlichen Verfahren nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, soweit gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben ist. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist für die Streitwertfestsetzung deren Höhe maßgebend (§ 13 Abs. 2 GKG a.F.). Diese Vorschriften gelten auch für das Revisionsverfahren vor dem BFH mit der Maßgabe, dass sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.). Dabei ist für die Wertberechnung nach § 15 GKG a.F. der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung und damit der Tag der Revisionseinlegung entscheidend (, BGHReport 2005, 738).
Nach diesen Grundsätzen war für die ursprünglich —vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens— von K gemeinsam mit der Klägerin eingelegte Revision zunächst von einem Streitwert von 7 516 503 € auszugehen. Da bezifferte Anträge i.S. der §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. nicht gestellt worden waren, war für die Wertermittlung das finanzielle Interesse maßgebend, das die Rechtsmittelführer an der Entscheidung des Rechtsstreits bei objektiver Beurteilung ihres Revisionsbegehrens hatten (vgl. Zimmer/Schmidt, Der Streitwert im Verwaltungs- und Finanzprozess, NJW-Schriften 52, 1991, Rdnr. 385; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 135 Rz 27). Dieses finanzielle Interesse entsprach —in Ermangelung anderer Anhaltspunkte— der mit der Revision begehrten einkommensteuerlichen Entlastungswirkung. Dabei waren die Streitwerte der von K (im Wege der objektiven Klagenhäufung) nebeneinander verfolgten, selbständigen prozessualen Ansprüche betreffend die Einkommensteuerfestsetzungen für 1990 und für 1991 entsprechend § 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu einem Gesamtstreitwert zusammenzurechnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII E 1/96, BFH/NV 1996, 575; vom II E 6/99, BFH/NV 2000, 852). Andererseits führte der Umstand, dass für das Streitjahr 1990 neben dem K auch die Klägerin im gleichen Verfahren Revision eingelegt hatte (subjektive Klagenhäufung), zu keiner weiteren Erhöhung des Streitwerts, da die Revisionsbegehren der Klägerin und des K aufgrund ihrer Zusammenveranlagung und der daraus folgenden Gesamtschuldnerschaft als Ehegatten wirtschaftlich identisch waren (vgl. Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 139 Rz. 80 Stichwort „Gesamtschuldner"; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Tz. 104).
b) Demgegenüber bestimmt sich nach § 182 der Insolvenzordnung (InsO) der Wert einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Die Vorschrift gilt gemäß § 185 Satz 3 InsO für die bei den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zu betreibende Feststellung von Steuerforderungen zur Insolvenztabelle entsprechend. Die Verweisung betrifft —als speziellere Regelung zu §§ 13, 14 GKG a.F.— nicht nur den Streitwert in solchen Klageverfahren, die zum Rechtsschutz gegen Feststellungsbescheide der Finanzverwaltung nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 185 Satz 1 2. Alternative InsO angebracht werden. Entgegen der bislang überwiegend vertretenen Auffassung findet die Regelung darüber hinaus —in Abweichung zu § 15 GKG a.F.— auch Anwendung auf die Ermittlung des Streitwerts infolge Aufnahme bereits anhängiger finanzgerichtlicher Verfahren des Gemeinschuldners nach § 180 Abs. 2 i.V.m. § 185 Satz 2 InsO.
aa) Der in § 15 GKG a.F. enthaltene Grundsatz, wonach für die Wertberechnung der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung entscheidend sein soll, gilt nicht uneingeschränkt. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist vielmehr der Umstand zu beachten, dass die Regelung im Wesentlichen der Vereinfachung der Wertermittlung und der Wertfestsetzung im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit dient. § 15 GKG a.F. ist daher nicht anwendbar, soweit sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens der Streitgegenstand selbst ändert und deshalb für dieselbe Instanz verschiedene Streitwerte vorliegen (Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 15 GKG Rn. 1; Brandis in Tipke/ Kruse, a.a.O., Vor § 135 FGO Tz. 121, jeweils m.w.N.). Dazu zählt —auch im Finanzprozess— die Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits im Zuge des Insolvenzverfahrens.
Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO wird das finanzgerichtliche Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners unterbrochen (vgl. , BFH/NV 1994, 293), bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Die Regelung wird ergänzt durch § 180 Abs. 2 InsO, der über § 185 Satz 2 InsO für die Feststellung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle durch die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit entsprechend gilt; danach ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die (Steuer-)Forderung anhängig war. Die Aufnahme des Verfahrens obliegt dabei in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 2 InsO demjenigen, der das Bestehen der Steuerforderung bestreitet (, BStBl I 1998, 1500, Tz. 6.2; Schumacher in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung —MünchKommInsO—, § 185 Rdnr. 12, m.w.N.; ausführlich zu der durch § 179 Abs. 2 InsO ersetzten Vorschrift des § 146 Abs. 6 der Konkursordnung —KO— bereits BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 293, und , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1989, 314). Neuer Kläger infolge Parteiwechsels können daher neben dem Insolvenzverwalter (so im Streitfall) oder auch an dessen Stelle auch einzelne oder mehrere andere Gläubiger des Gemeinschuldners werden (vgl. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO).
§ 180 Abs. 2 InsO bezweckt, den Kosten- und Zeitaufwand eines selbständigen Feststellungsprozesses (bzw. eines gesonderten Klageverfahrens gegen einen Feststellungsbescheid der Finanzverwaltung gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977) zu vermeiden und die bisherigen Prozessergebnisse zu erhalten (MünchKommInsO- Schumacher, § 180 Rdnr. 15; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rdnr. 22.31). Ungeachtet der Frage, inwieweit der Bestreitende im finanzgerichtlichen Verfahren gehalten ist, den vom Gemeinschuldner übernommenen Klageantrag an die geänderte Verfahrenslage anzupassen (für eine Pflicht zur Umstellung des Antrags: , BFHE 212, 11, 18, BStBl II 2006, 573, 576; vgl. dagegen zu der durch § 180 Abs. 2 InsO ersetzten Vorschrift des § 146 Abs. 3 KO noch , BFHE 125, 202, BStBl II 1978, 472), ist der eigentliche Gegenstand des wieder aufgenommenen Klage- oder Revisionsverfahrens der Sache nach nicht mehr die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Bescheids, sondern die rechtmäßige Beanspruchung der Steuerforderung als Insolvenzforderung und damit das Haftungsrecht des FA an der Insolvenzmasse (vgl. , BFHE 209, 23, BStBl II 2005, 591, und in BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573; MünchKommInsO-Schumacher, § 180 Rdnr. 18).
bb) Im Hinblick auf die Feststellung eines solchen Haftungsrechts als Insolvenzgläubiger enthält § 182 InsO eine gegenüber den allgemeinen Wertvorschriften des GKG speziellere Regelung, die —ab dem Zeitpunkt der Prozessaufnahme— auch auf die Streitwertbestimmung für das weitere Verfahren auf Betreiben der Feststellung nach § 180 Abs. 2 InsO anzuwenden ist (MünchKommInsO-Schumacher, § 182 Rdnr. 3; Kießner in Frankfurter Kommentar zur InsO —FK-InsO—, § 182 Rz. 4; Hartmann, a.a.O., 35. Aufl., Anhang II zu § 48 GKG —§ 182 InsO— Rn. 2 und 7).
Zwar gilt § 182 InsO seinem Wortlaut nach nur für die „Klage auf Feststellung einer Forderung”. Eine Beschränkung auf (Neu-) Klagen i.S. des § 180 Abs. 1 InsO unter Ausschluss der Prozessaufnahmen nach § 180 Abs. 2 InsO ist damit jedoch nicht gemeint. Bereits der Zweck des § 182 InsO, den Feststellungsstreit für den Bestreitenden bezahlbar zu machen (vgl. Oberlandesgericht —OLG— München, Beschluss vom 31 W 2640/04, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht —ZInsO— 2004, 1318), steht einer Auslegung entgegen, welche den Insolvenzverwalter bzw. die übrigen Insolvenzgläubiger nur deswegen mit einem weitaus höheren —und womöglich unwirtschaftlichen— Prozesskostenrisiko belastet, weil zwischen dem Gemeinschuldner und seinem Gläubiger im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Rechtsstreit anhängig war.
cc) Gegenteilige Anhaltspunkte sind auch aus den zu § 182 InsO veröffentlichten Gesetzesmaterialien nicht erkennbar. Schon die durch § 182 InsO ersetzte Vorgängernorm des § 148 KO, die sich ausdrücklich auf den Streitwert „eines Prozesses über die Richtigkeit oder das Vorrecht einer Forderung” bezog, wurde von der Rechtsprechung auch auf das weitere Verfahren nach Prozessaufnahme gemäß § 146 Abs. 3 und 6 KO (jetzt: §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 2 InsO) angewendet (, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report —NJW-RR— 1994, 1251). Aus der regierungsamtlichen Begründung zum Entwurf einer InsO (BRDrucks 1/92, S. 185, und BTDrucks 12/2443, S. 185, jeweils zu § 210 des Entwurfs) ergibt sich nicht, dass diese langjährige Praxis der Instanzgerichte (vgl. die Nachweise bei Hess in Hess, Kommentar zur Konkursordnung, 5. Aufl., § 148 Rz. 5) durch die Neufassung der Vorschrift im Zuge der Insolvenzrechtsreform hätte geändert werden sollen.
dd) Über § 185 Satz 3 InsO ist die Streitwertvorschrift des § 182 InsO auch auf die vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit betriebenen Verfahren auf Feststellung eines Haftungsrechts für Steuerforderungen anwendbar (vgl. —jeweils zum Verwaltungsstreitverfahren— Oberverwaltungsgericht —OVG— für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 1 L 9/01, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht —NVwZ-RR— 2004, 798; Meyer, Gerichtskostengesetz, 7. Aufl., Anhang nach § 48 —§ 182 InsO— Rn. 101).
ee) Zwar wird im Schrifttum zur FGO weit überwiegend die Auffassung vertreten, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe auf die Höhe des Streitwerts jedenfalls bei Aufnahme eines anhängigen Rechtsstreits keinen Einfluss (Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., Vor § 135 FGO Tz. 214; Oestreich/Winter/Hellstab, Kommentar zum Gerichtskostengesetz, Abschnitt 6.2 —Streitwert-Kommentar Finanzgerichtliche Verfahren— Stichwort „Insolvenz"; zum Konkursverfahren auch Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139 Rz. 300; Gräber/Ruban, a.a.O. —5. Aufl.—, Vor § 135 FGO Rz 35 Stichwort „Konkurs"; Brandt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 139 Rz. 80; Zimmer/Schmidt, a.a.O., NJW-Schriften 51, 1991 Rz. 375; Jost, Gebühren- und Kostenrecht im FG- und BFH-Verfahren, S. 213; dagegen: Starke in Schwarz, FGO Vor § 135 Rz. 29 Stichwort „Insolvenzverfahren”). Dieser Ansicht, die sich im Wesentlichen auf den zur Frage der Anwendbarkeit des § 148 KO ergangenen (IV) —Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1975, 125— beruft, ist indessen nicht zu folgen.
Zunächst bleibt festzuhalten, dass die noch in § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO enthaltenen Vorrechte zugunsten des Fiskus für Abgabenforderungen im Zuge der Insolvenzrechtsreform beseitigt worden sind (vgl. FK-InsO/Schumacher, § 38 Rz. 5a; BTDrucks 12/2443, S. 90; BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 1500, Tz. 4.1). Treten der Insolvenzverwalter oder auch ein Insolvenzgläubiger an die Stelle des steuerpflichtigen Gemeinschuldners in das Klageverfahren ein, so kann ihr finanzielles Interesse daran, die Insolvenzmasse von der streitigen Steuerschuld zu entlasten, daher nicht höher zu bewerten sein als das finanzielle Interesse des FA an der Feststellung, die Steuerforderung rechtmäßig als Insolvenzforderung beanspruchen zu können. Dieses Interesse ist aber entgegen der genannten Ansicht nicht mit dem zunächst vom Gemeinschuldner „angefochtenen Steuerbetrag” identisch, sondern mit dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Steuerforderung zu erwarten ist (§ 182 InsO). Inwieweit vor Inkrafttreten der InsO andere Maßstäbe gegolten haben mögen, kann an dieser Stelle offenbleiben.
ff) Es trifft außerdem nicht zu, dass die besonderen Wertvorschriften des § 182 InsO bzw. des § 148 KO im Falle der Prozessaufnahme gegen den Fiskus wegen öffentlich-rechtlicher (Abgaben-)Forderungen schon deswegen nicht anwendbar seien, weil (zum einen) der Fiskus im aufgenommenen gerichtlichen Verfahren nicht die Rolle des auf Feststellung zur Tabelle klagenden Gläubigers, sondern weiterhin diejenige des Beklagten innehabe, und weil es sich (zum anderen) bei der Durchsetzung von Leistungsansprüchen nach den Vorschriften des allgemeinen und des besonderen Verwaltungsrechts nicht um eine spezifische Regelung des Konkurs- bzw. des Insolvenzverfahrens handele (so aber FG Hamburg, Beschluss in EFG 1975, 125; gleicher Ansicht auch , Anwaltsgebühren Spezial —AGS— 2001, 181, und OVG für das Land Sachsen-Anhalt, Beschluss vom F 1 S 215/99, Die öffentliche Verwaltung —DÖV— 2001, 177, juris Nr: MWRE002170100, jeweils zur Rückforderung einer Subvention im Gesamtvollstreckungsverfahren). Denn die Beteiligtenstellung der Verwaltungsbehörden als Beklagtenpartei im Finanzrechtsstreit (wie auch allgemein im Verwaltungsprozess) beruht ausschließlich darauf, dass sie —anders als andere Gläubiger— auch außerhalb des Insolvenzverfahrens gegenüber ihren Schuldnern zur Festsetzung ihrer Forderungen durch Verwaltungsakt berechtigt sind. Diese Besonderheit aber kann sich auf den Streitwert eines Verfahrens, das sich —wie dargelegt— der Sache nach nicht mehr auf den Bestand der (Abgaben-)Forderung als solcher, sondern auf deren rechtmäßige Beanspruchung als Insolvenzforderung bezieht, nicht zum Nachteil des bestreitenden Prozessgegners auswirken.
gg) Allerdings bezieht sich § 182 InsO in den Fällen des § 180 Abs. 2 InsO —entgegen der Ansicht des Revisionsklägers— nur auf die Bestimmung des Streitwerts für das weitere Verfahren (vgl. BGH-Beschluss in NJW-RR 1994, 1251, zu § 148 KO). Für die bis zur Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter oder durch den Insolvenzgläubiger entstandenen Kosten bleibt daher nach dem Grundsatz des § 15 GKG a.F. weiterhin der ursprüngliche Wert des Verfahrens maßgebend (OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss in NVwZ-RR 2004, 798; MünchKommInsO-Schumacher, § 182 Rdnr. 6; FK-InsO/Kießner, § 182 Rz. 4; Meyer, a.a.O., Anhang nach § 48 GKG —§ 182 InsO— Rn. 102; Lappe, NJW 1984, 1212, 1214; a.A.: , Betriebs-Berater —BB— 1982, 2074). Für den Streitfall war demnach erst für die Zeit ab Fortführung der Revision im Anschluss an die Aufnahmeerklärung des Revisionsklägers von einem ermäßigten Gebührenstreitwert auszugehen.
c) Für den Zeitraum bis zur Beendigung des Revisionsverfahrens ergab sich dadurch ein neuer Streitwert von 748 890 €.
Nach Auskunft des Revisionsklägers war der Betrag, der für die streitigen Steuerfestsetzungen bei der Verteilung der Insolvenzmasse voraussichtlich zu erwarten war, mit 1 000 € anzusetzen. Über greifbare anderweitige Erkenntnisse zur Wertbestimmung verfügt der Senat nicht. Insbesondere kann im Nachhinein nicht mehr verlässlich beurteilt werden, inwieweit in dem für die Wertbestimmung maßgeblichen Zeitpunkt der Prozessaufnahme (FK-InsO/Kießner, § 182 Rz. 4) aufgrund des vom Revisionskläger ins Auge gefassten Anfechtungsprozesses im Ausland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine erheblich größere Teilungsmasse und damit eine höhere Insolvenzdividende abzusehen war. Der im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme des Rechtsstreits erstellte Insolvenzverwalterbericht vom lässt vielmehr darauf schließen, dass das Unterfangen, auf diese Weise weitere Vermögensgegenstände des K zur Insolvenzmasse ziehen zu können, von Beginn an mit nicht unerheblichen Risiken und Abwicklungsschwierigkeiten verbunden war.
Der danach als zu erwartende Dividende heranzuziehende Betrag von 1 000 € war im Verhältnis der angefochtenen Steuerfestsetzungen auf die beiden Streitjahre aufzuteilen, so dass auf die streitige Einkommensteuer 1990 ein Teilbetrag von 100 € und auf die streitige Einkommensteuer 1991 ein solcher von 900 € entfielen. Dabei wirkte sich der erstgenannte Teilbetrag auf den neuen Streitwert im Ergebnis nicht aus, da für die von der Klägerin gemeinsam mit dem Revisionskläger verfolgte Revision zur Einkommensteuer 1990 im Hinblick auf das nicht unter § 182 InsO fallende finanzielle Interesse der Klägerin am Ausgang des Rechtsstreits weiterhin ein Streitwert von 747 990 € anzusetzen war, der sich aufgrund der fortbestehenden subjektiven Klagehäufung nicht um den Wert des Antrags des Revisionsklägers erhöhen konnte. Mit diesem Streitwert für das Streitjahr 1990 war der auf das Streitjahr 1991 entfallende Teilbetrag von 900 € zu einem Gesamtstreitwert von 748 890 € zusammenzufassen (entsprechend § 155 FGO i.V.m. § 5 ZPO; Fall der objektiven Klagenhäufung).
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da für die Streitwertfestsetzung Gerichtsgebühren nicht vorgesehen sind (, BFHE 211, 267, BStBl II 2006, 77).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 55
BB 2006 S. 2682 Nr. 49
BFH/NV 2007 S. 151 Nr. 1
BStBl II 2007 S. 55 Nr. 3
DStRE 2007 S. 251 Nr. 4
HFR 2007 S. 46 Nr. 1
INF 2007 S. 6 Nr. 1
KÖSDI 2007 S. 15423 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4041
StB 2007 S. 6 Nr. 1
ZIP 2006 S. 2284 Nr. 49
VAAAC-25610