BVerwG Beschluss v. - 6 P 2.02

Leitsatz

Es besteht kein rechtliches Interesse der Dienststelle an der Feststellung, dass der Personalrat durch ein in der Vergangenheit liegendes und nicht weiter wirkendes Verhalten gegen gesetzliche Pflichten verstoßen hat.

Gesetze: HmbPersVG § 2 Abs. 1; HmbPersVG § 76 Abs. 2; HmbPersVG § 100 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 256 Abs. 1

Instanzenzug: VG Hamburg VG 2 VG FL 8/2000 vom OVG Hamburg OVG 8 Bf 375/00 .PVL vom

Gründe

I.

Der beteiligte Personalrat machte mit Schreiben vom gegenüber dem Kaufmännischen Direktor des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf geltend, bestimmte Umstände sprächen dafür, dass der als externer Berater eingesetzte Herr L. in Wahrheit i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 2 HmbPersVG bei der Dienststelle eingestellt worden sei, und forderte die Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens. Die Personalabteilung des Krankenhauses legte mit Schreiben vom an den Beteiligten die Gründe dar, weshalb kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats gegeben sei. Unter dem übersandte der Beteiligte den Schriftverkehr mit der Dienststelle hinsichtlich der Beschäftigung des Herrn L. an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) und bat um Prüfung, ob Scheinselbständigkeit vorliege.

Der Antragsteller hat am das Beschlussverfahren eingeleitet mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass der Beteiligte in grober Weise gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen habe, indem er die AOK Hamburg mit Schreiben vom durch Vorlage internen Schriftwechsels mit dem Antragsteller aufgefordert habe, zu prüfen, ob bei Herrn L. Scheinselbständigkeit vorliege. Das Verwaltungsgericht hat antragsgemäß entschieden und ausgeführt, der Antragsteller habe mit dem Schreiben vom die Fragen des Beteiligten hinreichend beantwortet; der Beteiligte habe danach allein zu entscheiden gehabt, ob die Frage im verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren geklärt werden solle; sein Vorgehen sei unsachgemäß und im Hinblick auf die Vertraulichkeit des Schriftwechsels für den Antragsteller und den betroffenen Mitarbeiter nicht vorhersehbar.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag sei unzulässig, weil der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 HmbPersVG keine subjektiven Ansprüche begründe. Die Vorschrift beschreibe keine Befugnisse, sondern regele die Art und Weise, wie anderweit begründete Aufgaben wahrzunehmen seien. Ein Bedarf an gerichtlicher Feststellung bestehe nur in Bezug auf ausdrücklich im Gesetz vorgesehene Handlungsbefugnisse. Darum gehe es hier nicht. Der Antrag wäre aber auch unbegründet.

Der Antragsteller erstrebt mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde die Zurückweisung der Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg - Fachkammer 2 nach dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetz - vom . Zur Begründung trägt er vor: Der Antrag sei zulässig. Das allgemeine Handlungsgebot des § 2 Abs. 1 HmbPersVG könne durch konkrete Verhaltensweisen verletzt werden. Insoweit bestehe auch ein Bedürfnis nach gerichtlicher Klärung. Die begehrte Feststellung eines groben Verstoßes gegen eine personalvertretungsrechtliche Verpflichtung habe als mildere Sanktion gegenüber dem Ausschluss- bzw. Auflösungsverfahren Vorrang. Ferner erstrebe er die Feststellung, dass der Beteiligte nicht befugt gewesen sei, wie geschehen vorzugehen. Es sei zu befürchten, dass der Beteiligte in vergleichbarer Lage wiederum interne Korrespondenz an Dritte weitergeben werde. Dementsprechend enthalte der in erster Instanz gestellte Antrag den Antrag festzustellen, dass der Beteiligte unter vergleichbaren Umständen nicht berechtigt sei, sich an Sozialversicherungsträger zu wenden, um Hilfe in der Frage zu erlangen, ob die Voraussetzungen einer Einstellung gegeben seien; allerdings orientiere sich sein Feststellungsinteresse am konkreten Fall, der exemplarische Bedeutung habe. Der Antrag sei auch begründet, weil der Beteiligte die AOK nicht zum Mittel der Durchsetzung eines vermeintlichen Mitbestimmungsrechts habe machen dürfen.

Der Beteiligte tritt der Rechtsbeschwerde entgegen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgelehnt.

1. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist eröffnet. Die vom Antragsteller erstrebte Feststellung, dass der Beteiligte in grober Weise gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen hat, indem er die AOK Hamburg mit Schreiben vom durch Vorlage internen Schriftwechsels mit dem Antragsteller zur Prüfung der Scheinselbständigkeit des Herrn L. aufgefordert hat, betrifft Fragen der Zuständigkeit und Geschäftsführung der Personalvertretungen i.S. von § 100 Abs. 1 Nr. 3 des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes - HmbPersVG - vom , HmbGVBl S. 17, in der Fassung des Gesetzes vom , HmbGVBl S. 75.

2. Ferner ist der Antragsteller entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts antragsberechtigt. Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist antragsberechtigt derjenige, der durch die begehrte Entscheidung unmittelbar in seiner personalvertretungsrechtlichen Stellung betroffen ist (vgl. BVerwG 6 P 7.97 - BVerwGE 107, 45, 46 m.w.N.). Es kann offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen aus der allgemeinen Verpflichtung der Personalvertretung und der Dienststelle zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 HmbPersVG, der ein allgemeines Verhaltensgebot enthält (vgl. etwa BVerwG 6 P 15.88 - BVerwGE 85, 36, 40), selbständige (Einzel-)Pflichten erwachsen, deren Beachtung von der Gegenseite zum Gegenstand eines gerichtlichen Beschlussverfahrens gemacht werden kann. Die genannte Verpflichtung ist im § 76 HmbPersVG zu Grundsätzen für die Zusammenarbeit des Personalrats und der Dienststelle ausgeformt. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 HmbPersVG dürfen außen stehende Stellen erst angerufen werden, nachdem eine Einigung in der Dienststelle nicht erzielt worden ist. Jedenfalls durch diese Vorschrift wird die Zusammenarbeit des Personalrats und der Dienststelle in so bestimmter Weise geregelt, dass der rechtlichen Verpflichtung der einen Seite - gewissermaßen spiegelbildlich - eine personalvertretungsrechtliche Stellung der anderen Seite und damit die Befugnis korrespondiert, diesbezügliche Meinungsverschiedenheiten gerichtlicher Klärung zuzuführen. Da nach dem Vortrag des Antragstellers ein Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 3 HmbPersVG möglich ist, fehlt es nicht an der Antragsberechtigung.

3. Der in erster Instanz gestellte und mit der Rechtsbeschwerde weiter verfolgte Antrag ist jedoch deshalb unzulässig, weil der Antragsteller kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hat (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die beantragte Feststellung bezieht sich auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen und nicht rückgängig zu machenden Sachverhalt. Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats ist das Feststellungsinteresse für die Durchführung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens nach Erledigung des konkreten Streitfalls nur dann zu bejahen, wenn und soweit Antrag und Sachvortrag des Antragstellers in die Richtung weisen, dass er eine Entscheidung nicht nur über den erledigten Vorgang, sondern außerdem über die dahinter stehende (abstrakte) personalvertretungsrechtliche Frage begehrt. Die strittige und entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss sich zwischen denselben Verfahrensbeteiligten auch künftig mit einiger Wahrscheinlichkeit erneut stellen. Der erforderliche Antrag muss grundsätzlich spätestens in der letzten Tatsacheninstanz gestellt werden (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 3.92 - BVerwGE 92, 295, 297 f., vom - BVerwG 6 P 9.92 - Buchholz 250 § 27 BPersVG Nr. 2 und vom - BVerwG 6 P 15.93 - Buchholz 251.0 § 49 BaWüPersVG Nr. 1).

Der Antragsteller meint dagegen, es bestehe ein Bedürfnis an der gerichtlichen Feststellung grober Pflichtverletzungen, da andernfalls Pflichtverletzungen, die nicht das für den Ausschluss eines Mitgliedes oder die Auflösung des Personalrats nach § 28 Abs. 1 HmbPersVG erforderliche Gewicht hätten, sanktionslos blieben; ferner stelle die Feststellung einer Pflichtverletzung das mildere Mittel gegenüber dem Ausschluss oder der Auflösung dar. Dem ist nicht zu folgen.

Die Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses - hier in der Gestalt des Feststellungsinteresses - bezweckt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren, dass Gerichte nicht für Entscheidungen in Anspruch genommen werden, die nach ihrem Ausspruch für die Beteiligten ohne rechtliche Auswirkung sind (vgl. BAGE 39, 259, 264). Gerichtliche Entscheidungen gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 3 HmbPersVG dienen der verbindlichen Klärung der Rechtsfragen, die die Zuständigkeit und die Geschäftsführung der Personalvertretungen sowie die Rechtsstellung ihrer Mitglieder betreffen. Gehört der Sachverhalt, der Anlass zur Meinungsverschiedenheit zwischen den Beteiligten gegeben hat, der Vergangenheit an, kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn dem Gericht eine daran anknüpfende abstrakte Rechtsfrage unterbreitet wird, die sich zwischen Beteiligten voraussichtlich erneut stellen wird. Anders als in anderen gerichtlichen Verfahren können ideelle Interessen ein Feststellungsinteresse hier nicht begründen. Die Beteiligten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren verteidigen keine subjektiven Rechte i.S. von Art. 19 Abs. 4 GG. Die gerichtliche Entscheidung kann daher nicht die Aufgabe haben, den in seinen Rechten irreversibel Verletzten durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit zu rehabilitieren oder ihm wenigstens eine gewisse Genugtuung zu verschaffen. Das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren dient entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht der Sanktionierung von Fehlverhalten eines Beteiligten.

4. Dem vom Antragsteller in den Vorinstanzen gestellten Antrag lässt sich keine hinreichend bestimmte abstrakte Rechtsfrage im Sinne der erwähnten Rechtsprechung entnehmen. Dem Antragsteller geht es - auch nach seinen Äußerungen im Rechtsbeschwerdeverfahren - in erster Linie um eine Sanktionierung des Verhaltens des Beteiligten im konkreten Fall. Dem entspricht die Antragstellung, die sich ausschließlich auf einen bestimmten Vorgang bezieht. Sie enthält keinen Ansatz für die Annahme, dass der Antragsteller die gerichtliche Klärung einer Frage erstrebt, die zwischen den Beteiligten anlässlich des konkreten Falles strittig geworden ist und sich künftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erneut stellen wird. Insbesondere hat der Antragsteller nicht etwa die Frage zur gerichtlichen Entscheidung gestellt, ob das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit das Verbot der Weitergabe interner Vorgänge an Dritte enthält, sondern ist davon als einer "personalvertretungsrechtlichen Selbständigkeit" ausgegangen, die dem Beteiligten durch Feststellung der ihm zur Last fallenden, in der Vergangenheit liegenden groben Pflichtverletzung verdeutlicht werden müsse (Schriftsatz vom ). Ebenso wenig hat der Antragsteller mit seinen vorinstanzlichen Ausführungen deutlich gemacht, dass er das angenommene generelle Verbot der Beteiligung von Dritten in einem den Besonderheiten des erledigten Streitfalls angepassten eingeschränkten Umfang geklärt wissen will. Das Gericht würde sich an die Stelle des Antragstellers setzen, wenn es aus seinem nicht näher spezifizierten Anliegen, dass der Personalrat schriftliche Äußerungen der Dienststelle nicht an Dritte weitergibt, einen bestimmten Antrag ableiten und formulieren würde. Es ist Sache des Antragstellers, zu bestimmen, welche Umstände des Anlassfalles für die gerichtliche Würdigung in abstrahierter Weise maßgeblich sein sollen.

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 8 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1 BRAGO. Die Annahme des Auffangwerts entspricht ständiger Senatspraxis. Eine Erhöhung hat der Senat bisher lediglich bei subjektiver oder objektiver Antragshäufung vorgenommen. Die vom Beteiligten befürworteten Kriterien "Gegenstand, Umfang und Schwierigkeit" sind nicht geeignet, unterschiedliche Gegenstandswerte präzise zu bemessen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
WAAAC-13120