Leitsatz
[1] 1. Überläßt ein Betäubungsmittelhändler seinem Kunden, der ihn über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht hat, die verkauften Drogen ohne Kaufpreiszahlung, hat er auch keinen Anspruch auf deren Rückgabe, denn eine derartige Forderung ist wegen unzulässiger Rechtsausübung mit Treu und Glauben unvereinbar. Ihm steht daher nach Verbrauch der Drogen durch den Kunden auch kein Anspruch auf Geldersatz zu. Will er die Bezahlung der Betäubungsmittel mit Nötigungsmitteln durchsetzen, erstrebt er demgemäß eine unrechtmäßige Bereicherung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB.
2. Ein Irrtum des Erpressers über die Unrechtmäßigkeit der von ihm erstrebten Bereicherung liegt nicht schon dann vor, wenn er sich nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen das Opfer fühlt. Maßgeblich ist vielmehr, ob er sich vorstellt, daß dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozeß durchsetzen könnte.
Gesetze: StGB § 16; StGB § 239 a; StGB § 253; BGB § 242
Instanzenzug: LG Aurich vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Bedrohung, Nötigung, versuchtem Wohnungseinbruchsdiebstahl und mit Beleidigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie den Angeklagten T. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Bedrohung und wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen den Angeklagten E. hat das Landgericht wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Freiheitsberaubung auf eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen erkannt. Mit ihrer zuungunsten der Angeklagten eingelegten, hinsichtlich des Angeklagten T. zwar nicht nach dem Revisionsantrag, jedoch nach dem Inhalt der Revisionsbegründung eindeutig und wirksam (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH bei Becker NStZ-RR 2003, 6 Nr. 18) auf den Fall der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Bedrohung beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet namentlich, daß die Angeklagten nicht wegen erpresserischen Menschenraubs und räuberischer Erpressung bzw. (Angeklagter E. ) wegen Beihilfe zu diesen Delikten verurteilt worden sind. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I. Das Landgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten R. und T. hatten dem Ru. , den sie für zahlungskräftig hielten, Haschisch zum Preis von 250 € angeboten. Ru. war mit dem Angebot einverstanden, nahm die Drogen noch im Juni 2002 entgegen und versprach, den Kaufpreis in den nächsten Tagen zu zahlen. Unwiderlegt konnte und wollte er jedoch die 250 € nicht begleichen. Die übergebenen Betäubungsmittel verbrauchte er in der Folgezeit. Als ihn die Angeklagten R. und T. mehrfach zur Zahlung aufforderten, vertröstete er sie und schaltete schließlich sein Mobiltelefon ab, um nicht mehr erreichbar zu sein.
Am Abend des trafen die Angeklagten R. und E. - dieser hatte bis dahin von dem Betäubungsmittelgeschäft nichts gewußt - zufällig auf Ru. . Zusammen mit diesem und dem vom Angeklagten R. telefonisch informierten Angeklagten T. fuhren sie im Pkw des Angeklagten E. zu einem einsam gelegenen Betonwerk. Dort wollten die Angeklagten R. und T. mit Ru. die Zahlungsmodalitäten besprechen. Da sich Ru. jedoch weiterhin hinhaltend äußerte, wurden die Angeklagten R. und T. zunehmend erboster. Sie bedrohten Ru. zunächst, er werde nicht mehr lange leben und solle schon einmal sein Testament machen. Dann schlugen sie ihm - um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen - abwechselnd mit der flachen Hand ins Gesicht. Außerdem schlug der Angeklagte T. mit einer hölzernen Gardinenstange auf den Oberkörper des Ru. ein und drückte der Angeklagte R. eine brennende Zigarette auf dessen Hand aus.
Um den Druck auf den verängstigten und wehrlosen Ru. zu erhöhen, fuhren die drei Angeklagten gegen 23.00 Uhr zu der von den Angeklagten R. und T. genutzten Wohnung. Dort wurde Ru. in der folgenden Nacht zeitweise auf einen Küchenstuhl gefesselt sowie von den Angeklagten R. und T. sowie dem später hinzugekommenen - bereits rechtskräftig abgeurteilten - früheren Mitangeklagten K. in verschiedenster Weise bedroht, geschlagen und gedemütigt, um ihn zur Bezahlung des Haschisch zu veranlassen. Ru. war hierdurch letztlich so eingeschüchtert, daß er vorschlug, die Forderung der Angeklagten R. und T. statt mit Geld mit persönlichen Wertgegenständen zu begleichen und zu diesem Zweck zu sich nach Hause zu fahren. Die Angeklagten R. und T. waren hiermit einverstanden. Noch in der Nacht fuhr der Angeklagte R. mit Ru. zu dessen Elternhaus, wo Ru. dem Angeklagten R. verschiedene ihm gehörende Gegenstände, unter anderem eine Spielkonsole mit Spielen, DVD-Filme und CDs aushändigte. Weil diese Gegenstände zur Begleichung der Forderung nicht ausreichten, bot Ru. dem Angeklagten R. am nächsten Morgen an, aus dem Schlafzimmer seiner Eltern zusätzlich einen kleinen Tresor zu besorgen, obwohl er wußte, daß dieser kein Geld enthielt. Beide begaben sich nochmals zum Elternhaus des Ru. . Zu einer Übergabe des Tresors kam es jedoch nicht mehr, weil sie von dem Stiefvater von Ru. überrascht wurden.
II. Das Landgericht hat eine Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs (§ 239 a StGB) und räuberischer Erpressung (§§ 253, 255 StGB) bzw. wegen Beihilfe hierzu für ausgeschlossen erachtet, weil es an der in beiden Straftatbeständen vorausgesetzten Unrechtmäßigkeit der von den Haupttätern beabsichtigten Bereicherung fehle. Es ist im Anschluß an den Beschluß des Senats vom (3 StR 4/02 = NStZ 2003, 151 m. Anm. Kindhäuser/Wallau = JR 2003, 163 m. Anm. Engländer) der Auffassung, daß den Angeklagten R. und T. aufgrund des von Ru. bei Abschluß des Betäubungsmittelgeschäftes begangenen Betruges ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB zugestanden habe. Sie hätten daher zur Durchsetzung einer berechtigten Forderung gehandelt. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin zu Recht.
1. Die für den Tatbestand der Erpressung erforderliche Absicht des Täters, sich oder einen Dritten aus dem Vermögen des Genötigten zu Unrecht zu bereichern (§ 253 Abs. 1 StGB), deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) vorausgesetzten Absicht, sich oder einem Dritten aus dem Vermögen des Getäuschten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (BGH bei Dallinger MDR 1972, 197; BGH NJW 1988, 2623). Die erstrebte Vermögensverschiebung geschieht zu Unrecht, wenn dem Täter kein materiell-rechtlicher Anspruch auf die geforderte Leistung zusteht. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach zivil- oder gegebenenfalls auch öffentlich-rechtlichen Maßstäben (vgl. BGHSt 19, 206, 214 f.; BGH NStZ 1993, 388; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 172; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 263 Rdn. 61).
Die Angeklagten R. und T. verfolgten mit ihren Nötigungshandlungen das Ziel, Ru. zur Bezahlung des ihm überlassenen Haschischs zu veranlassen. Ein derartiger Zahlungsanspruch stand ihnen zivilrechtlich jedoch nicht zu (so bereits - ohne nähere Begründung - BGH bei Holtz MDR 1980, 106). Sie erstrebten daher eine unrechtmäßige Bereicherung.
a) Einen Kaufpreisanspruch (§ 433 Abs. 2 BGB) über 250 € hatten die Angeklagten R. und T. (im folgenden: die beiden Angeklagten) durch Abschluß des Betäubungsmittelgeschäfts mit Ru. nicht erworben. Das Geschäft verstieß, da weder die beiden Angeklagten noch Ru. über die entsprechenden Erlaubnisse verfügten, gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), und die daran Beteiligten machten sich strafbar (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG). Der Kaufvertrag war daher nichtig (§ 134 BGB).
b) Bereicherungsrechtliche Zahlungsansprüche der beiden Angeklagten waren ebenfalls nicht entstanden. Allerdings hatten sie Ru. wegen der Nichtigkeit des Kaufvertrages das Haschisch ohne Rechtsgrund übergeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB), wodurch dieser wegen der Nichtigkeit auch des Verfügungsgeschäftes (vgl. BGHSt 31, 145, 146 ff.) zwar kein Eigentum, jedoch den Besitz erlangte. Diesen konnten die Angeklagten aber gemäß § 817 Satz 2 BGB nicht zurückfordern. Durch den Verbrauch des Haschisch entstand daher auch kein Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB.
c) Den beiden Angeklagten stand auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 263 Abs. 1 StGB zu.
Dabei bedarf es hier keines näheren Eingehens auf die Frage, ob auch der unter Strafandrohung stehende Besitz an dem Haschisch (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) strafrechtlich als Vermögensbestandteil der beiden Angeklagten zu werten war, so daß sie durch dessen unentgeltliche Weggabe einen Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB erlitten (so auf der Grundlage des faktisch-wirtschaftlichen Vermögensbegriffs - vgl. allgemein RGSt 44, 230; BGHSt 2, 364; 8, 254; 15, 83 - für den konkreten Fall des Betäubungsmittelbesitzes: BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3). Ebenfalls kann offen bleiben, ob bei zivilrechtlicher Betrachtung gleichfalls ein Schaden der beiden Angeklagten vorlag, und ob, falls dies wegen der Strafbarkeit des Besitzes und der Verwertung des Haschisch (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BtMG) zu verneinen sein sollte, bei gleichzeitiger Annahme eines Schadens im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung verletzt wäre (so die Vertreter des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs; s. statt vieler Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 82 f. m. w. N.; Spickhoff JZ 2002, 970, 973), schließlich auch, ob ein unauflöslicher Widerspruch entstünde, wenn über § 823 Abs. 2 BGB der abweichende strafrechtliche Vermögensbegriff in das Zivilrecht inkorporiert würde (vgl. Bergmann/Freund JR 1988, 189, 190; Zieschang in Festschrift für H.-J. Hirsch S. 831, 833 f.).
Auch wenn der Verlust des Besitzes an den Betäubungsmitteln als Schaden im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, § 263 Abs. 1 StGB zu bewerten war, stand den beiden Angeklagten nämlich kein Anspruch auf dessen Ersatz zu, weder im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) noch - nach Verbrauch des Haschisch durch Ru. - in Form von Geldersatz (§ 251 Abs. 1 BGB). Die Durchsetzung eines derartigen Anspruchs war wegen unzulässiger Rechtsausübung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen (vgl. Zieschang aaO S. 830, 833). Das Verlangen der beiden Angeklagten an Ru. , ihnen das Haschisch zurückzugeben (§ 249 Abs. 1 Satz 1 BGB), wäre rechtsmißbräuchlich gewesen, da es auf die Herstellung eines strafrechtlich verbotenen Erfolges zielte. Dabei ist ohne Belang, ob sich Ru. und die beiden Angeklagten durch die Rückabwicklung wegen Abgabe bzw. Erwerbs von Betäubungsmitteln strafbar gemacht hätten (ablehnend Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 Rdn. 646 und 726 unter Berufung auf BGHSt 37, 147, 149; BGH StV 1984, 248). Jedenfalls hätten die beiden Angeklagten mit der Wiederinbesitznahme des Haschisch den Straftatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG - erneut - erfüllt. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zur Herbeiführung eines derartigen rechtswidrigen Zustands ist mit Treu und Glauben unvereinbar; denn ebenso, wie es rechtsmißbräuchlich ist, ein Recht, das durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben wurde, auszuüben (vgl. BGHZ 57, 108, 111; BVerwG NJW 1994, 954, 955; Palandt/Heinrichs, BGB 62. Aufl. § 242 Rdn. 43 f.), ist es mißbräuchlich, ein Recht geltend zu machen, um einen gesetzwidrigen, strafbaren Zustand herbeizuführen. Bestand danach kein Anspruch auf Rückgabe des Haschisch im Wege der Naturalrestitution, konnte aber auch ein Geldersatzanspruch nach § 251 Abs. 1 BGB nicht zur Entstehung gelangen. Dem steht im übrigen auch entgegen, daß durch eine derartige Zahlung wirtschaftlich zumindest teilweise - nämlich in Höhe des negativen Interesses - die Rechtsfolge herbeigeführt würde, die der Gesetzgeber durch das Verbot des ungenehmigten Betäubungsmittelhandels unterbinden wollte.
d) Jedenfalls aus diesem Grunde konnten die beiden Angeklagten - unabhängig vom Vorliegen der jeweiligen sonstigen Voraussetzungen - auch nach allen sonstigen denkbaren Anspruchsgrundlagen (§ 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1; § 249 Abs. 1 BGB - culpa in contrahendo -; §§ 826, 249 Abs. 1 BGB; § 861 Abs. 1 BGB; § 1007 Abs. 1 BGB) die Rückgabe des Haschisch nicht verlangen, so daß auch insoweit ein Sekundäranspruch auf Geldzahlung ausschied.
2. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann dem angefochtenen Urteil auch nicht entnommen werden, daß sich die beiden Angeklagten zumindest in einem Irrtum über die Berechtigung ihrer Forderung an Ru. befanden und daher jedenfalls im Ergebnis zu Recht nicht wegen erpresserischen Menschenraubs und räuberischer Erpressung verurteilt wurden.
Allerdings ist bei der Erpressung die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muß. Stellt er sich für die erstrebte Bereicherung einen Anspruch vor, der in Wirklichkeit nicht besteht, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH NStZ-RR 1996, 9 m. zahlr. N.). Ein solcher Irrtum wird hier aber durch die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung getroffene Feststellung, daß sich die beiden Angeklagten "in naiver Verkennung ihres Tuns berechtigt fühlten, ihre Forderung gewaltsam durchzusetzen" (UA S. 19), nicht belegt. Das Landgericht hat sich - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht damit auseinandergesetzt, ob nach dem Vorstellungsbild der Angeklagten ein Tatbestandsirrtum im dargestellten Sinne vorlag. Auf die genannte Strafzumessungserwägung, die sich zudem weniger auf die Vorstellung der beiden Angeklagten über ihre Forderung, als vielmehr auf ihre vermeintliche Berechtigung zu deren gewaltsamer Durchsetzung bezieht (vgl. § 17 StGB), kann der Senat daher die Feststellung eines Tatbestandsirrtums nicht stützen.
Es kommt hinzu, daß ein solcher Irrtum bei Zugrundelegung der insoweit zu beachtenden rechtlichen Maßstäbe in Konstellationen wie der vorliegenden ohnehin in der Regel nicht gegeben sein wird. In subjektiver Hinsicht erstrebt der Täter eine unrechtmäßige Bereicherung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB schon dann, wenn er es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, daß seine Forderung nicht oder nicht im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt wird (BGH aaO). Dies ist - wegen der normativen Natur dieses Tatbestandsmerkmals - nicht bereits dann der Fall, wenn der Täter die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich ergibt, daß ihm zivilrechtlich ein Anspruch nicht zusteht. Maßgeblich ist vielmehr, ob er sich als Ergebnis laienhafter Bewertung dieser Umstände einen Anspruch auf die erstrebte Leistung nicht zumißt oder für zweifelhaft hält. Ein Irrtum über die Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung liegt demgegenüber aber nicht schon dann vor, wenn sich der Nötigende nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen das Opfer fühlt. Entscheidend ist, ob er sich vorstellt, daß dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozeß durchsetzen könnte. Hierbei ist allein auf die Vorstellung des Täters über die materielle Rechtslage abzustellen. Dagegen ist es ohne Belang, ob der Täter die Forderung etwa wegen Beweisschwierigkeiten oder deswegen nicht für gerichtlich durchsetzbar hält, weil er durch eine Klage eigenes strafbares Tun offenbaren müßte.
Hier liegt es eher fern, daß die beiden Angeklagten angenommen haben könnten, ihnen stünden aus dem Betäubungsmittelgeschäft mit Ru. eine Forderung zu, die mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich einklagbar sei (vgl. die Einlassung der Angeklagten UA S. 6: "keine legale Möglichkeit ..., den Anspruch aus dem vorangegangenen Drogendeal durchzusetzen").
3. Der Senatsbeschluß vom (NStZ 2003, 151 = JR 2002, 163) steht hiesiger Entscheidung nicht entgegen. Dort hat der Senat für den umgekehrten Fall, daß der betrogene Betäubungsmittelkäufer dem Betäubungsmittelhändler den ertrogenen Kaufpreis wieder abpreßt, eine Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs bzw. Erpressung für rechtsfehlerhaft erachtet, weil der Käufer seinen berechtigten Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB habe durchsetzen und sich daher nicht im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB zu Unrecht habe bereichern wollen (offen gelassen vom 1. Strafsenat: BGH NStZ 2002, 597, 598). Dieser Sachverhalt und das hier zu beurteilende Geschehen unterscheiden sich in einer für die rechtliche Bewertung erheblichen Weise: Der Besitz von Betäubungsmitteln ohne die erforderliche Erwerbserlaubnis ist verboten und strafbar. Der Betäubungsmittelhändler, der seine gelieferten Betäubungsmittel zurückfordert, erstrebt daher die Herstellung eines strafbaren Zustands. Hierauf billigt ihm das Zivilrecht keinen Anspruch zu. Dagegen ist allein der Besitz des Kaufgeldes, auch wenn es zu strafbaren Zwecken bestimmt ist oder eingesetzt wurde, für sich nicht verboten und strafbewehrt. Verlangt der betrogene Betäubungsmittelkäufer sein Kaufgeld zurück, begehrt er daher nicht die Herbeiführung eines strafrechtlich relevanten Zustandes, sondern den berechtigten Ausgleich seines durch das betrügerische Betäubungsmittelgeschäft erlittenen Schadens, der ihm durch Treu und Glauben nicht versagt wird.
Hieran ist festzuhalten. Entgegen Kindhäuser/Wallau (NStZ 2003, 152 ff.) sind die Beteiligten an einem Betäubungsmittelgeschäft nicht aus dem Schutzbereich des § 263 StGB ausgenommen. Ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen kennt die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte nicht (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 m. w. N.). Auch können ein Betrugsschaden des Betäubungsmittelkäufers und daran anknüpfend ein Ersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB nicht deswegen verneint werden, weil das Kaufgeld, da zu strafbaren Zwecken eingesetzt bzw. aus strafbarem Tun erlangt, gegebenenfalls der Einziehung (§ 74 StGB) oder dem Verfall (§ 73 StGB) unterliegt. Die Einziehung und der Verfall knüpfen an das Vorliegen einer Straftat an. Für die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 253, 263 StGB können sie daher keine tauglichen Kriterien liefern. Dies wird für den Verfall an der Argumentation von Kindhäuser/Wallau besonders augenfällig. Da diese wegen der Möglichkeit des Verfalls den Betrugsschaden des getäuschten Betäubungsmittelkäufers verneinen, läge ein Betrug des Betäubungsmittelhändlers nicht vor, so daß es wiederum an den Voraussetzung für die Anordnung des Verfalls fehlen würde.
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Die Verurteilung des Angeklagten R. wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 StGB) wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen. Das Landgericht teilt nicht mit, durch welches Verhalten des Angeklagten R. es diesen Tatbestand für erfüllt erachtet. Aus den Feststellungen erschließt sich dies nicht. Als der Angeklagte zusammen mit Ru. zum ersten Mal dessen Elternhaus aufsuchte, ist er zwar in das Haus eingestiegen, hat dort jedoch keine fremden Gegenstände im Wege eines Gewahrsamsbruchs weggenommen; vielmehr hat er sich von Ru. Gegenstände, die in dessen Eigentum standen, übergeben lassen oder hat sie mit dessen Einverständnis an sich genommen (vgl. UA S. 14). Als der Angeklagte das Elternhaus von Ru. zum zweiten Mal aufsuchte, hat er dieses nicht einmal betreten. Ru. ist von seinem Bruder eingelassen worden. Ein versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl scheidet daher aus.
Ob die Wegnahme des kleinen Tresors durch Ru. dem Angeklagten R. überhaupt als Mittäter, mittelbarer Täter oder Gehilfe zugerechnet werden kann, wird in der neuen Verhandlung näherer Überprüfung bedürfen. Ein fehlender Strafantrag gegen Ru. (§ 247 StGB) stünde einer entsprechenden Verurteilung des Angeklagten R. jedenfalls nicht entgegen (Lackner/Kühl aaO § 247 Rdn. 3).
2. Bedenken bestehen auch im Hinblick darauf, daß das Landgericht den Angeklagten R. nicht nur wegen Nötigung (§ 240 StGB), sondern daneben auch wegen tateinheitlicher Bedrohung (§ 241 StGB) verurteilt hat. Die Todesdrohungen dienten allein der Durchsetzung des Endzieles des Angeklagten, Ru. zur Geldzahlung zu zwingen. Die Bedrohung tritt daher im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter den Tatbestand der Nötigung nach § 240 StGB zurück (BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAC-10423
1Nachschlagewerk: ja