BGH Urteil v. - 5 StR 15/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 227

Instanzenzug:

Gründe

Das Schwurgericht hat den Angeklagten K und seine Söhne, die Angeklagten M und D J , da sie sich gemeinsam an einem Angriff auf ihren Angehörigen (Schwager bzw. Onkel) S und dessen Familie beteiligten, durch den der Tod des S verursacht wurde, jeweils der Beteiligung an einer Schlägerei für schuldig befunden. Es hat den Angeklagten D J allein deshalb zu acht Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt, den Angeklagten K zusätzlich wegen tateinheitlicher (zweifacher) gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe sowie den Angeklagten M J zusätzlich wegen tateinheitlichen Totschlags und ferner wegen einer tatmehrheitlichen vorsätzlichen Körperverletzung zu neun Jahren Gesamtfreiheitsstrafe. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben hinsichtlich der Angeklagten K und D J Teilerfolge; sie führen insoweit zu Schuldspruchänderungen und zur Aufhebung der Strafaussprüche zum Nachteil dieser Angeklagten. Betreffend den Angeklagten M J hat die auf die Überprüfung des Kapitalverbrechens beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ebenso wie die eigene, auf den Strafausspruch beschränkte Revision dieses Angeklagten keinen Erfolg.

1. Die Überprüfung der gegen den Angeklagten M J verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe auf die Sachrüge läßt keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erkennen.

2. Die Staatsanwaltschaft wendet sich jeweils mit der Sachrüge gegen die Beweiswürdigung, auf der die Feststellungen des Schwurgerichts beruhen, welche den Schuldsprüchen zugrunde liegen. Sie meint, das Schwurgericht hätte einen Tötungsvorsatz des Angeklagten K bei seinen ersten Angriffen gegen den später Getöteten mit einem Hackmesser - dabei zudem die tatsächlichen Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke - feststellen müssen, ferner eine sukzessive Mittäterschaft zwischen K und seinem Sohn M J bei dessen anschließenden tödlichen Angriffen mit einem Butterflymesser auf das Opfer, schließlich eine Beteiligung des Angeklagten D J an den vorsätzlichen Gewalthandlungen der beiden anderen Angeklagten.

a) Die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung bleiben erfolglos.

Der Beschwerdeführerin ist folgendes einzuräumen: Das festgestellte von Wut- und Rachemotiven getragene überfallartige gemeinsame Eindringen der Angeklagten in die Wohnung des Opfers, der alsbaldige Angriff K s mit dem Hackmesser und der anschließende tödliche Angriff durch M J begründen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein entsprechend abgesprochenes gewaltsames Vorgehen, jedenfalls bei den beiden gegen den Getöteten vorgehenden Angeklagten auch getragen von einem gemeinschaftlichen Tötungsvorsatz. Die vom Schwurgericht zugunsten der Angeklagten zugrunde gelegte Version ist demgegenüber ersichtlich weniger wahrscheinlich: Danach ging K zunächst allein spontan gewaltsam - ohne Tötungsvorsatz - gegen seinen Schwager vor. Erst unmittelbar nach Abschluß dieses Angriffs entschloß sich M J als Exzeßtäter zu seinem mit direktem Tötungsvorsatz geführten Angriff, der die beiden anderen Angeklagten überraschte. Die Beteiligung des D J beschränkte sich darauf, daß er die zuvor von K leicht verletzte Nebenklägerin in die Flucht schlug, ohne damit die abgeschlossene Körperverletzung seines Vaters oder die für ihn überraschende Tötungshandlung seines Bruders zu unterstützen.

Gleichwohl hat das Schwurgericht seine in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes getroffenen Mindestfeststellungen in sorgfältiger Auswertung der ausreichend dargestellten Einlassungen der Angeklagten und Aussagen der Tatzeugen vor dem Hintergrund der Unübersichtlichkeit des Tatgeschehens und der - auch die angenommene Unzuverlässigkeit einzelner Bekundungen begründenden - vielschichtigen Beziehungen zwischen den beteiligten Personen rechtsfehlerfrei getroffen, wenngleich weitergehende Feststellungen zum Nachteil der Angeklagten durch abweichende Wertungen auf der vorgefundenen Tatsachengrundlage denkbar sind, vielleicht sogar näher gelegen hätten. Das Revisionsgericht darf indes die dem Tatgericht obliegende Beweiswürdigung nicht durch eine eigene ersetzen. Auf eine abweichende eigene Bewertung der Beweisgrundlagen, daneben auf zu hohe Anforderungen an deren Darstellung in den Urteilsgründen für diejenigen Bereiche, in denen ein anderes Beweisergebnis erstrebt wurde, laufen letztlich die Einzelbeanstandungen der Staatsanwaltschaft hinaus.

b) Indes schöpft die rechtliche Würdigung des Schwurgerichts zum Vorteil der Angeklagten K und D J die getroffenen Feststellungen nicht aus.

Nach den Feststellungen des Schwurgerichts steigerte sich der - mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten vorbestrafte - Angeklagte K am späten Nachmittag des Tattages anläßlich eines aktuellen Streits in erhebliche Wut gegenüber seinem Schwager, dem später Getöteten, mit dem er ohnehin tiefgreifend überworfen war. Alkoholisch enthemmt geriet er im Beisein der anderen Angeklagten immer mehr außer sich; er kündigte an, er werde seinen Schwager sofort zur Rede stellen. In der Befürchtung, die Begegnung könne wegen der Erregung und alkoholischen Enthemmung ihres Vaters und der Konfrontationsbereitschaft ihres Onkels eskalieren, begleiteten die Angeklagten M und D J - ersterer bewaffnet mit einem Butterflymesser - ihren Vater zur Wohnung des Opfers, um ihn "wenigstens nicht alleine gehen zu lassen" und ihn bei der vorgesehenen Auseinandersetzung, die "jedenfalls zunächst auf die beiden Väter" begrenzt werden sollte, zu unterstützen. Als das Opfer sich gegen die mit einem Hackmesser geführten sofortigen Angriffe des Angeklagten K zur Wehr setzte, griff der Angeklagte M J mit seinem Butterflymesser seinerseits das Opfer an und versetzte ihm - insoweit aus Erregung "weit über den ursprünglichen Plan hinausgeschossen" - tödliche Messerstiche. D J verscheuchte zur Unterstützung des Vorgehens seines Vaters die Nebenklägerin.

Bei der strafrechtlichen Bewertung dieses Vorgehens hat das Schwurgericht außer acht gelassen, daß ein aktives gewaltsames Vorgehen auch des Angeklagten M J gegen das Opfer nach den Feststellungen für den - wegen der Erregung des Vaters und der Gegenwehr des Opfers tatsächlich eingetretenen - Fall einer Eskalation vom ursprünglichen gemeinsamen Tatplan der drei Angeklagten bei Aufsuchen der Opferwohnung erfaßt war. Durch die - für sich rechtsfehlerfreie - Bewertung dieses Messerangriffs als Exzeß hat sich das Schwurgericht den Blick darauf verstellt, daß das in dem Angriff liegende Weniger der (gefährlichen) Körperverletzung von dem Angeklagten K mittäterschaftlich gewollt und von dem Angeklagten D J als Gehilfen gefördert wurde, der das gewaltsame Vorgehen gegen das Opfer unterstützen wollte, an dem sein Bruder tatplangemäß in dieser Phase des Geschehens gemeinsam mit dem Vater mitwirkte. Durch die Intensivierung dieses als Körperverletzung gewollten Verhaltens hin zu (vorsätzlich) tödlichen Messerstichen wurde der Tod des Opfers verursacht. Daß es hierzu kommen könnte, war für die Angeklagten K und D J , die von M s Bewaffnung wußten oder mindestens damit rechneten, weil sie üblich war, namentlich angesichts der emotional massiv aufgeheizten Tatsituation vorhersehbar. Damit ist für die Beteiligten der gefährlichen Körperverletzung der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) erfüllt, beim Angeklagten K als Mittäter, beim Angeklagten D J als Gehilfe (vgl. BGHSt 2, 223; BGHR StGB § 226 [a. F.] Kausalität 3; BGH NStZ 1982, 27; BGH bei Holtz MDR 1986, 795; 1990, 293; RGSt 67, 367; H. J. Hirsch in LK 11. Aufl. § 227 Rdn. 10; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 227 Rdn. 10).

c) Der Schuldspruch gegen die Angeklagten K und D J ist allein auf der hierfür ausreichenden Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen abzuändern. Es ist nicht erkennbar, daß sich die Angeklagten gegen den weitergehenden Schuldspruch nach einem ihnen bereits in der Tatsacheninstanz erteilten entsprechenden rechtlichen Hinweis wirkungsvoller als bisher hätten verteidigen können. Auf einen entsprechenden Hinweis vor der Revisionshauptverhandlung haben die Verteidiger hierzu auch in der Verhandlung nichts Näheres vorgetragen.

Die Schuldspruchänderungen ziehen wegen der unterschiedlichen Strafrahmen die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich. Der Aufhebung tatsächlicher Feststellungen bedarf es bei dem gegebenen Subsumtionsfehler nicht (BGH NJW 2002, 3788, 3789, insoweit nicht in BGHSt 47, 383 abgedruckt). Das neue Tatgericht hat die Strafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs und der umfassenden bisherigen Feststellungen zu treffen, die bei dem Angeklagten K insbesondere eine - rechtsfehlerfrei als strafrahmenrelevant bewertete - erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit einschließen (§ 21 StGB). Neue Feststellungen dürfen allenfalls getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Die Festsetzung jeweils höherer Freiheitsstrafen als bisher, indes untereinander, zudem jeweils von der schwersten, gegen den Angeklagten M J verhängten Strafe abgesetzt, wird auf der Hand liegen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DAAAC-08940

1Nachschlagewerk: nein