Leitsatz
[1] Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen (Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" im Jahre 1986).
Gesetze: StGB § 211 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte V C wegen (gemeinschaftlich begangenen) dreifachen Mordes in Tateinheit mit 104fachem versuchten Mord und vorsätzlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie die Angeklagten A C , C und E wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt; die Angeklagte H hat es freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren - auch mit Verfahrensrügen begründeten - Revisionen in der Sache dagegen, daß die Angeklagten A C , C und E nicht wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an der Tat verurteilt worden sind, daß der Angeklagten V C eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit strafmildernd zugute gehalten und bei keinem der Angeklagten das weitere Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen worden ist; die Staatsanwaltschaft erstrebt letztlich eine Verurteilung dieser vier Angeklagten zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Nebenkläger wenden sich mit unterschiedlichen Anträgen ebenfalls gegen die unterbliebene mittäterschaftliche Verurteilung. Ferner wird von einem Nebenkläger der Freispruch der Angeklagten H angefochten. Auch die verurteilten Angeklagten haben Revisionen eingelegt.
Alle Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
A.
Sachverhalt
Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden seit Januar 1986 wachsende Spannungen zwischen den USA und Libyen. Etwa Mitte März 1986 beauftragten libysche Dienststellen das in Ost-Berlin gelegene "Libysche Volksbüro" (die für die DDR zuständige libysche Auslandsvertretung, im folgenden: LVB), in Deutschland Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen zu begehen.
Zunächst wurde im LVB geplant, einen amerikanischen Bus, der täglich - mit amerikanischen Soldaten besetzt - zwischen West- und Ost-Berlin verkehrte, auf Ost-Berliner Gebiet mit Waffen anzugreifen. Der Angeklagte C war Mitglied der palästinensischen Terrororganisation PFLP-GC und am LVB als sogenannter technischer Mitarbeiter akkreditiert. Er wurde in diese Planung mit eingebunden; sein Diplomatenfahrzeug sollte bei dem Anschlag eingesetzt werden. Der Angeklagte E hielt sich 1985 und 1986 in Ost-Berlin auf. Er war Angestellter des libyschen Propagandaministeriums sowie Mitglied sogenannter Revolutionskomitees. Er hatte häufiger Kontakt zum LVB und lernte dabei den Angeklagten C kennen. Ohne selbst in den Anschlagsplan eingebunden zu sein, wußte er davon und unternahm nichts dagegen. Der Angeklagte A C lebte seit 1976 in West-Berlin. Er wurde 1982 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben und hatte die Aufgabe, insbesondere über Araber in West-Berlin Informationen zu beschaffen. Über seine Treffen mit den Angeklagten C und E , auch über geplante Aktionen gegen Amerikaner, berichtete er seinem Führungsoffizier. Vermutlich wegen der daraufhin vom MfS veranlaßten Überwachungsmaßnahmen wurde der Plan, einen Anschlag auf den amerikanischen Bus in Ost-Berlin zu verüben, aufgegeben.
Spätestens am wurde stattdessen der Plan entwickelt, denselben Bus in West-Berlin mit Waffen anzugreifen. Zur Vorbereitung einer solchen Tat transportierte der Angeklagte C gemeinsam mit einem im LVB tätigen diplomatischen Kurier Pistolen und Handgranaten von Ost- nach West-Berlin. Die Angeklagten C , A C und E nahmen an einem Gespräch über Einzelheiten des geplanten Anschlags teil. Wegen der Weigerung des hieran beteiligten, der PFLP-GC nahestehenden A J , an der Tat mitzuwirken, wurde auch dieser Plan im LVB nicht weiter verfolgt. Die Angelegenheit fand durch den Rücktransport der Waffen einen tatsächlichen Abschluß.
Zwischen dem 20. und sahen sich die Angeklagten E und A C gemeinsam mit dem der PFLP-GC nahestehenden I M in West-Berlin befindliche amerikanische Einrichtungen an, um aufzuklären, ob sie für einen Anschlag in Betracht kamen. Diese Objekte wurden jedoch von den im LVB tätigen Diplomaten A K und A E als potentielle Anschlagsziele verworfen.
Den weiteren Geschehensablauf zwischen dem 25. und konnte das Landgericht nur teilweise aufklären. Von Personen aus dem Umfeld des LVB wurde gezielt nach von Amerikanern besuchten Diskotheken in West-Berlin gesucht. Am teilte der Angeklagte A C seinem Führungsoffizier die Namen von drei Diskotheken mit, die in die engere Wahl gezogen wurden. Spätestens am übergab der Angeklagte A C dem Angeklagten E einen von der Angeklagten V C geschriebenen Zettel mit den Namen und Anschriften dieser drei Diskotheken. Der Hintergrund der Entstehung dieses Zettels konnte nicht aufgeklärt werden. Bei der Einreise des Angeklagten E am von West- nach Ost-Berlin entdeckten Kontrollorgane der DDR den Zettel und fertigten eine Fotokopie, die an das MfS weitergeleitet wurde. Der Angeklagte E übergab danach den Zettel an den Diplomaten A K . Im LVB wurde die Diskothek "La Belle" als Anschlagsziel festgelegt. Das Landgericht hat zu Gunsten aller Angeklagten nicht ausgeschlossen, daß diese an der Festlegung des Anschlagsziels nicht beteiligt waren.
Spätestens zwischen dem 30. März und dem erfuhren die Angeklagten E und C , daß im LVB entschieden worden war, einen Bombenanschlag auf die Diskothek "La Belle" zu verüben. Unter Verwendung von 1.500 Gramm Plastiksprengstoff, den das LVB bereitstellte, sollte in der in Berlin-Kreuzberg gelegenen Wohnung der Angeklagten V C in Anwesenheit der Angeklagten V und A C eine Bombe gebaut werden; V C sollte veranlaßt werden, diese Bombe in die Diskothek zu bringen und dort zu zünden.
Die Angeklagten E und C entschlossen sich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen den USA und Libyen, sich an diesem Anschlag zu beteiligen und letztlich den USA Schaden zuzufügen; der Angeklagte E hoffte hierdurch auch, seine Chancen für eine Akkreditierung am LVB zu erhöhen. Die Motive der Angeklagten V C , die ebenso wie der Angeklagte A C als IM für das MfS tätig war, ihre Wohnung zur Verfügung zu stellen und den Anschlag auszuführen, sind unklar geblieben. Auch beim Angeklagten A C hat sich die Strafkammer keine sichere Überzeugung von dessen Tatmotiv verschaffen können.
Am übernahm die Ehefrau des Angeklagten C im LVB den Sprengstoff und überbrachte ihn der Angeklagten V C . Am selben Abend wurde in der Wohnung der Angeklagten V C mit dem Sprengstoff und einer Zündvorrichtung eine Bombe zusammengesetzt. In der Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt die Angeklagten V und A C , C und E sowie die Freigesprochene H , eine Schwester der Angeklagten V C . Eine aktive Beteiligung der Angeklagten an der Zusammensetzung der Bombe hat die Strafkammer bei keinem Angeklagten festzustellen vermocht. Wer von den Angeklagten die Bombe zusammensetzte und wer die Angeklagte V C in die Funktionsweise der Bombe einwies, konnte nicht festgestellt werden. Vor dem Hintergrund divergierender Angaben der Angeklagten E und A C ist zugunsten eines jeden der Angeklagten E , C und A C davon ausgegangen worden, daß jeweils die beiden anderen die Bombe zusammensetzten.
Zwischen 22.00 und 23.00 Uhr verließen die Angeklagten E , C und A C die Wohnung. Auf Nachfrage der Angeklagten V C erklärte sich ihre Schwester bereit, mit in die Diskothek "La Belle" zu gehen, wobei diese möglicherweise lediglich davon ausging, zu einem "normalen" Diskothekenbesuch aufgefordert zu werden. Die Angeklagte V C transportierte die Bombe in einer Tasche zur Diskothek, aktivierte den Zeitzünder und verließ mit ihrer Schwester die Diskothek, in der sich über 200 Menschen aufhielten. Gegen 1.45 Uhr des explodierte die Bombe. Drei Menschen starben an ihren durch die Explosion verursachten schweren Verletzungen. Zahlreiche weitere Besucher sowie Angestellte des Lokals erlitten Verletzungen unterschiedlichen Grades.
B.
Revisionen der Staatsanwaltschaft
I. Verfahrensrügen
1. Mit zwei Verfahrensrügen beanstandet die Beschwerdeführerin eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), weil das Landgericht die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E nicht verwertet hat.
a) Sie macht zunächst geltend, das Landgericht habe hinsichtlich dieser Aussagen zu Unrecht ein Verwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 StPO bejaht. Dazu trägt sie vor:
Der Angeklagte E habe bei einer Vernehmung in der deutschen Botschaft auf Malta vom und bei vier Folgevernehmungen in Deutschland zwischen Oktober und Dezember 1996 geständige Angaben gemacht. Die Strafkammer habe diese Angaben des Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zu Unrecht nicht verwertet. Entgegen ihrer Auffassung sei in dem rechtlichen Hinweis, den die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten E vor dessen erster Vernehmung gegeben habe, keine Täuschung im Sinne von § 136a StPO zu sehen. Auf der fehlerhaften Annahme eines Verwertungsverbotes beruhe das angefochtene Urteil auch: Hätte das Landgericht die Angaben des Angeklagten E berücksichtigt, hätte es zumindest die Angeklagten C und A C nicht nur wegen Beihilfe zum Mord, sondern wegen gemeinschaftlicher Tatbegehung verurteilen müssen.
Nach Auffassung des Tatrichters ist der Angeklagte E dadurch getäuscht worden, daß in ihm der irrige Eindruck erweckt wurde, geständige Angaben würden sich unabhängig von dem Gewicht des eingeräumten Tatbeitrags bei einer Verurteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich strafmildernd für ihn auswirken. Dies sei geschehen, obwohl der Angeklagte E zum damaligen Zeitpunkt des mehrfachen mittäterschaftlichen Mordes beschuldigt wurde und bei Mord lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist, ohne daß wegen eines Geständnisses diese Strafe gemildert werden kann. Der Aussage des für den entsprechenden Hinweis an den Angeklagten E verantwortlichen Oberstaatsanwalts in der Hauptverhandlung, er habe das Geständnis als Anhaltspunkt für eine Prüfung der Schwere der Schuld nach § 57a StGB angesehen, ist die Strafkammer nicht gefolgt.
b) Die Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, muß die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGHSt 3, 213, 214; 21, 334, 340; 29, 203; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Befangenheitsrüge 1, Beweisantragsrecht 2, Beweiswürdigung 3, letztes Wort 1, 3 und Verwertungsverbot 5; st. Rspr.).
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hier nicht. Das Landgericht hat bei seiner in den Urteilsgründen vorgenommenen Beweiswürdigung zum Inhalt des Gesprächs im Hotel einen Vermerk des Oberstaatsanwalts vom herangezogen, wonach "der Angeklagte E für seine Tat mit vier bis sieben Jahren Freiheitsstrafe zu rechnen" habe (UA S. 198). Ohne vollständige Kenntnis dieses Vermerks, den die Revision nicht mitteilt, kann der Senat nicht prüfen, ob es sich bei dem rechtlichen Hinweis an den Angeklagten E um eine Täuschung des Angeklagten oder allenfalls um eine doppeldeutige Erklärung gehandelt hat.
c) Demnach kommt es auf die weitere erhobene Beanstandung, daß im Urteil die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E auch wegen eines Verstoßes gegen die Benachrichtigungspflicht des § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO als unverwertbar behandelt werden, nicht mehr an. Die Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Landgericht für diese Aussagen die Annahme eines nach § 136a Abs. 3 StPO bestehenden Verwertungsverbots bejaht hat, das von der Revision nicht wirksam angefochten worden ist.
2. Soweit die Beschwerdeführerin mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) die unterbliebene Vernehmung der Zeugen He und Ga- v rügt, kann sie keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Ablehnung des zugehörigen Beweisantrags rechtsfehlerfrei auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt. Nach dieser Bestimmung kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen abgelehnt werden, wenn dessen Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, ohne daß die Erreichbarkeit dieses Zeugen geprüft werden müßte (BGHSt 40, 60, 62; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 244 StPO Rdn. 43 f.).
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsvortrag der Staatsanwaltschaft vollständig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es fehlt nämlich an jeglichen näheren Angaben zum aktenmäßig erfaßten Hintergrund für die benannten Zeugen, dessen Kenntnis für die Beurteilung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 StPO wesentlich wäre. Jedenfalls ist die Rüge unbegründet.
Bei der Beurteilung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf der Tatrichter das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde legen. Mit Rücksicht hierauf hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei dargelegt, daß selbst dann, wenn die Zeugen die behaupteten Tatsachen bekundet hätten, aufgrund der zu den Beweisthemen bereits durchgeführten Beweisaufnahme keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären, die ihre Überzeugung hätten beeinflussen können. Im Hinblick auf das prahlerische Verhalten des Angeklagten C ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer aus dessen behaupteten Angaben gegenüber dem Zeugen He nicht auf einen Täterwillen schließen wollte. Daß der Angeklagte C Anschläge mit dem Diplomaten A K gemeinsam plante, war entgegen dem Revisionsvorbringen nicht Gegenstand des Beweisantrags.
3. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der sich die Revision dagegen wendet, daß der Tatrichter nicht gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO die 1991 erfolgte polizeiliche Beschuldigtenvernehmung und die 1993 stattgefundene richterliche Zeugenvernehmung des ausländischen Zeugen A verlesen hat. Die Beschwerdeführerin teilt schon nicht mit, aufgrund welcher Umstände die Strafkammer nach Ablauf von fast acht Jahren davon hätte ausgehen müssen, daß die tatsächlichen Grundlagen für eine Verlesung, auf die sich die Beschwerdeführerin berief, noch fortbestanden. Auch brauchte der Tatrichter aus den unter Beweis gestellten Tatsachen nicht den von der Beschwerdeführerin gewünschten Schluß auf einen Täterwillen des Angeklagten C zu ziehen.
II. Sachrüge
Ohne durchgreifenden Erfolg beanstanden die - insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen - Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, das Landgericht hätte die Angeklagten C , A C und E als Mittäter bestrafen müssen, im Falle der Angeklagten V C nicht eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB zugrunde legen dürfen und bei allen vier Angeklagten das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejahen müssen.
1. Angeklagte C , A C und E
a) Soweit sich die Staatsanwaltschaft zum Nachteil dieser Angeklagten mit dem Ziel höherer Bestrafung gegen deren Verurteilung nur wegen Beihilfe zum Mord wendet, hat sie keinen Erfolg.
aa) Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGH StV 1998, 540 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540 m.w.N.).
bb) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hätte es womöglich näher gelegen, die Angeklagten als Mittäter und nicht als bloße Gehilfen anzusehen. Der Senat muß jedoch berücksichtigen, daß das Landgericht bei der gegebenen ungewöhnlich schwierigen und teilweise kargen Beweislage für sich rechtsfehlerfrei zum unmittelbaren Tatgeschehen grundsätzlich nur Mindestfeststellungen, die durch Tatsachen oder übereinstimmende Angaben mehrerer Angeklagter getragen werden, der Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat. Zudem sind die Angeklagten nicht die Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags; dessen Ziel wurde im LVB festgelegt, das auch den bei der Tat verwendeten Sprengstoff lieferte.
Deshalb ist unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien die Entscheidung des Landgerichts, die Angeklagten C , A C und E seien Gehilfen und nicht Mittäter gewesen, aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Das Landgericht hat darauf abgestellt, daß keiner dieser Angeklagten am Transport der Bombe in die Diskothek und an der Auslösung des Zündmechanismus beteiligt oder auch nur anwesend war, als die Angeklagte V C in der Diskothek die Zündung auslöste. Das Landgericht hat weiter bedacht, daß die im LVB tätigen leitenden Mitarbeiter - die beide auch dem libyschen Geheimdienst angehörten - die "Federführung hinsichtlich aller Überlegungen und Planungsschritte" innehatten (UA S. 351, 359, 364).
Die Strafkammer konnte sich hinsichtlich der Feststellungen zur unmittelbaren Vorbereitung und Durchführung des Anschlags nur auf die Einlassungen der Angeklagten E und A C sowie zum Ablauf des Zusammentreffens in der Wohnung am zusätzlich auf die Angaben der Angeklagten V C stützen. Andere Beweismittel, insbesondere die Vernehmung von Zeugen, waren unergiebig. Die Einlassungen der Angeklagten A C und E zur Planung von Anschlägen gegen amerikanische Einrichtungen im März 1986 sowie zur Vorbereitung des konkreten Bombenanschlags wichen erheblich voneinander ab. Der Tatrichter hat sich auch nach Auseinandersetzung mit sämtlichen Einzelheiten beider Einlassungen und ihrer umfassenden Würdigung nicht in der Lage gesehen, eine der beiden Einlassungen als zuverlässiger im Vergleich zur anderen Einlassung anzusehen. Daher ist das Landgericht den Angaben, soweit sie Belastungen anderer zum Gegenstand haben, mit großer Sorgfalt begegnet und hat letztlich seine Feststellungen auf den "kleinsten gemeinsamen Nenner" dieser Einlassungen gestützt, soweit nicht durch weitere Beweismittel eine Einlassung eines Angeklagten zur Überzeugung des Landgerichts bestätigt wurde. Deshalb konnten an vielen Stellen die Einlassungen der Angeklagten zwar nicht als Grundlage für sichere Feststellungen dienen, andererseits aber auch nicht zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt werden, so daß insoweit nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" von der jeweils günstigeren Variante für den einzelnen Angeklagten ausgegangen wurde.
Im Hinblick auf einen Anschlag auf einen amerikanischen Bus konnte die Strafkammer nur feststellen, daß die Angeklagten in nicht näher zu ermittelnder Weise an letztlich abgebrochenen Planungen beteiligt waren. Hinsichtlich des Anschlags auf die Diskothek konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, daß die Angeklagten an der Planung und Vorbereitung beteiligt waren. Nach den Urteilsgründen ist davon auszugehen, daß die Angeklagten C und E aus dem LVB lediglich angewiesen wurden, in der Wohnung durch ihre Anwesenheit die Realisierung des Tatplans zu unterstützen, daß sie auch nur diese Rolle einnehmen wollten und daß dem Angeklagten A C erst nach Betreten der Wohnung der konkrete Tatplan bekannt wurde. Über die Anwesenheit in der Wohnung und die dadurch für die anderen Beteiligten zum Ausdruck gebrachte Billigung und Unterstützung des Vorhabens hinaus konnten keine weiteren Tatbeiträge der Angeklagten festgestellt werden. Zugunsten eines jeden einzelnen hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler unterstellt, daß er am Bau der Bombe nicht aktiv mitgewirkt hat.
Zwar hat der Tatrichter bei seiner Abwägung nicht ausdrücklich erörtert, daß alle drei Angeklagte an einer Zusammenkunft mit A J , der für eine Beteiligung an dem beabsichtigten Anschlag auf einen amerikanischen Bus vorgesehen war, teilgenommen haben. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Umstand jedoch nicht aussagekräftig im Hinblick auf eine mögliche Mittäterschaft der Angeklagten. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Rolle die Angeklagten bei diesem Gespräch spielten und welche Aufgaben ihnen bei dem geplanten Anschlag zukommen sollten.
Auch sonst liegen keine Umstände vor, die den Tatrichter an einer Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten als Beihilfe hindern mußten. Insbesondere ergeben diese sich nicht notwendig aus den Feststellungen zur Art ihrer Anbindung an das LVB und zu ihren sonstigen Aktivitäten. Daß danach eine abweichende tatrichterliche Wertung - insbesondere bei den Angeklagten E und C , auch angesichts ihrer festgestellten politischen Motivation - durchaus möglich gewesen wäre, begründet noch keinen Anlaß zu einem Eingreifen durch das Revisionsgericht.
b) Das Landgericht hat die Tat rechtsfehlerfrei als heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mord beurteilt. Der Tatrichter hat aber das Vorliegen des weiteren Mordmerkmals einer Tötung aus niedrigen Beweggründen verneint, weil "das politische Motiv ... dieses Mordmerkmal (nicht) ausfüllen" könne, "zumal hierbei dem Bewertungspluralismus Rechnung zu tragen" sei (UA S. 356, 357). Diese Wertung ist unzutreffend und wird zu Recht von der Staatsanwaltschaft, der sich etliche Nebenkläger angeschlossen haben, beanstandet. Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, daß es die Voraussetzungen für die Annahme einer Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen verkannt hat.
Wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen können die Angeklagten dann verurteilt werden, wenn V C oder deren Mittäter - die libyschen Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags - aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe der Mittäter erbracht haben (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen vor.
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen. Solches trifft ersichtlich für die maßgeblichen libyschen Hinterleute dieses Anschlags wie auch für die Angeklagten C , A C und E selbst zu.
Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat "niedrig" sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Die hierzu von der Strafkammer festgestellten Umstände lassen die Wertung des Beweggrundes als "niedrig" durch den Senat zu. Die zufällige, unterschiedslose und deshalb willkürliche Auswahl von unbeteiligten Menschen als Opfer rechtfertigt die Einstufung der Motivation als "niedrig" (vgl. BGHSt 47, 128, 132 m.w.N.; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 27; Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 79, 85). Das "Startbahn-West-Urteil" des Bundesgerichtshofs (NStZ 1993, 341; ablehnend dazu Jähnke und Schneider aaO) steht dieser Wertung nicht entgegen, weil der dortige Einzelfall sowohl in der Tatmotivation als auch in der Auswahl der Opfer wesentliche Besonderheiten aufwies; im vorliegenden Fall waren die Opfer völlig unbeteiligt. Zudem ist der regelmäßig verheerend wirkende unkontrollierbare Einsatz von Bomben oder Minen von vornherein eklatant menschenverachtend (vgl. BGHSt 40, 218, 232; 44, 204, 209; v. Selle NJW 2000, 992, 996).
Auf die Herkunft der Angeklagten aus dem Libanon bzw. aus Libyen, wo der Sprengstoffanschlag auf die Diskothek möglicherweise aus politischer Verblendung und weitgehender Indoktrination von manchen gebilligt worden sein mag, kann es bei der Gesamtwürdigung, ob das Tötungsmotiv als niedrig einzuschätzen ist, nicht ankommen. Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist grundsätzlich den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 41; BGH NJW 2004, 1466 - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt - m.w.N.).
c) Die Annahme einer Beihilfe zum Mord auch aus niedrigen Beweggründen bei den Angeklagten C , A C sowie E und die damit verbundene Abweichung von der Rechtsauffassung des Tatrichters führt hier nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß bei zutreffender Bejahung eines Mordmerkmals die fehlerhafte Verneinung eines weiteren Mordmerkmals den Bestand des Schuldspruchs jedenfalls dann nicht gefährdet, wenn hinsichtlich des fehlerhaft behandelten Mordmerkmals weitere tatrichterliche Feststellungen - so wie hier - nicht erforderlich sind (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 1 Teilaufhebung 1). Der Senat schließt zudem aus, daß der jetzt erfolgten Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals niedriger Beweggründe, dessen Tenorierung es nicht bedarf, Auswirkungen auf die Strafaussprüche zukämen; diese können bestehen bleiben. Die Strafen sind untereinander sachgerecht differenziert und bewegen sich im oberen Bereich des zutreffend bestimmten Strafrahmens. Das schreckliche Tatbild ist vom Landgericht, für das die numerische Zahl der Mordmerkmale nicht strafentscheidend war, berücksichtigt worden. Vor dem Hintergrund der nach § 211 Abs. 1 StGB i. V. m. § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB für Beihilfe zum Mord bestehenden Obergrenze von 15 Jahren Freiheitsstrafe kommt hinzu, daß auf den inzwischen nochmals beträchtlich verlängerten zeitlichen Abstand zur Tat strafmildernd Bedacht zu nehmen wäre (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
2. Angeklagte V C
a) Das Landgericht hat bei der Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf Grund der Auswirkungen einer depressiven Erkrankung in Verbindung mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung für nicht ausgeschlossen erachtet, obgleich der in der Hauptverhandlung gehörte psychiatrische Sachverständige Krö davon ausging, daß die Begutachtung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit erbracht hätte.
aa) Die Anwendung des § 21 StGB begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht ist zwar im Ergebnis nicht dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gefolgt. Dies war aber auch von Rechts wegen nicht geboten, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige dem Richter für die Prüfung der Tatsachenfrage, ob eine krankhafte seelische Störung der Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat, nur die von ihm ermittelten Befundtatsachen mitteilen und Sachkunde vermitteln soll, ihn aber nicht von der Verantwortung für die Entscheidung der aufgeworfenen Fragen entbinden kann (vgl. BGHSt 8, 113, 117 f.; BGH GA 1962, 116). Bei der Prüfung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB handelt es sich um eine Rechtsfrage (BGHSt 8, 113, 124; Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 8 ff. m.w.N.), die der Tatrichter ausschließlich in eigener Verantwortung beantworten muß (BGHR StGB § 21 Sachverständiger 11). Weder bezüglich der Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung noch seiner rechtlichen Bewertung, daß diese die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt habe, sind letztlich Rechtsfehler zu erkennen.
Der Sachverständige hat zwar nicht sicher feststellen, aber auch nicht ausschließen können, daß die Angeklagte zur Tatzeit an einer mittelschweren Depression im Sinne der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation (ICD-10 F33) litt, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen ist. Die Strafkammer hat sich nach eigener Prüfung dieser Sichtweise angeschlossen.
Darüber hinaus hat sie erneut nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausschließen können, daß die Angeklagte aufgrund der Auswirkungen einer möglicherweise im Abklingen befindlichen depressiven Phase nur erheblich vermindert in der Lage gewesen sein könnte, nach ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Der Sachverständige hat hierzu hervorgehoben, daß die für Depressionen typischen Krankheitssymptome wie die Unfähigkeit, einfache Aufgaben des Alltags zu bewältigen, verminderte Konzentration und geringes Selbstwertgefühl in der Regel zur Folge haben bzw. vermuten lassen, daß Depressionen die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten eher hemmen als fördern. Sollte die Angeklagte sich zur Tatzeit in einer depressiven Phase befunden haben und dennoch in der Lage gewesen sein, gezielt den Anschlag zu verüben, sei dies aus seiner Sicht allenfalls denkbar, wenn sie diese Tat trotz, nicht aber aufgrund der Depression begangen hätte. Das Landgericht hat sodann mit dem Sachverständigen anhand einschlägiger psychiatrischer Fachliteratur die bestehenden Unsicherheiten bei der vorzunehmenden Bewertung erörtert. Dabei hat sich der Sachverständige gegen eine darin vertretene Sichtweise gewandt, daß durch eine Depression eine "Auflockerung der Gesamtpersönlichkeit" hervorgerufen werden könne. Er hat aber auch eingeräumt, daß es grundsätzlich Fallkonstellationen gäbe, bei denen Depressionen zur Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters führen könnten. In der forensischen Psychiatrie sei bis heute nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen Depressionen in der abklingenden Phase auf das Verhalten von Straftätern hätten.
Vor diesem Hintergrund hat die Strafkammer nicht auszuschließen vermocht, daß einerseits die Angeklagte aufgrund des Abklingens der Krankheitssymptome überhaupt in der Lage war, die Tat auszuführen, andererseits aber durch die Krankheit bei ihr Kontrollmechanismen noch so außer Kraft gesetzt waren, daß sie nur erheblich vermindert in der Lage war, entsprechend ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Dabei waren zwei Besonderheiten ausschlaggebend. Zum einen hat der Sachverständige zusätzlich eine histrionische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.4) diagnostiziert, die sich durch starkes Angewiesensein auf Bewunderung, durch theatralische Verhaltensweisen in Verbindung mit dieser Geltungsssucht sowie durch Affekte zum Überziehen und Sichinszenieren auszeichnet und nach vertretbarer Auffassung des Landgerichts im Zusammenwirken mit der abklingenden Depression das Hemmungsvermögen der Angeklagten verstärkt beeinträchtigt haben kann. Zum anderen konnten weder der Sachverständige noch das Landgericht trotz mehrjähriger Hauptverhandlung das Motiv der Angeklagten, vor 15 Jahren einen derartigen Bombenanschlag zu begehen, sicher aufklären. Der Klärung des Tatmotivs kommt aber auch nach den Darlegungen des Sachverständigen eine wesentliche Bedeutung bei der Einschätzung der Schuldfähigkeit eines Täters zu. Für den Tatrichter ist es hiernach denkbar, daß bei der hier nicht ausgeschlossenen Konstellation einer ausklingenden Depression mit histrionischer Komponente die Angeklagte mit etwa folgender Vorstellung handelte: "Mir ist sowieso alles egal, aber zumindest wird die ganze Welt über mich reden" (UA S. 339). Das Landgericht selbst sieht seine Zweifel auf den Unsicherheiten gegründet, die von dem Sachverständigen bei der Bewertung des Falles selbst benannt worden sind und von ihm auch nach Auseinandersetzung mit der einbezogenen psychiatrischen Fachliteratur nicht ausgeräumt werden konnten.
bb) Die tatrichterliche Wertung ist namentlich vor dem Hintergrund erheblicher Einflußnahme Dritter auf den Entschluß der Angeklagten zur Tatbegehung vertretbar. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Zu Unrecht vermißt die Revision konkrete Anknüpfungstatsachen dafür, daß sich die Angeklagte in einer mittelschweren Depression befunden haben könnte. Die Strafkammer hat zutreffend ausgeführt, daß den Einlassungen der Angeklagten E und A C insoweit nur geringeres Gewicht zukommt (vgl. auch ), und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen dargelegt, es sei nicht ungewöhnlich, daß Menschen, die zu Depressionen neigen, nach Jahren nicht mehr in der Lage seien, ihre psychische Verfassung auf einen bestimmten viele Jahre zurückliegenden Zeitpunkt zu beschreiben. Für Frühsommer 1985 und Dezember 1986 sind zumindest mittelschwere Depressionen ebenso belegt wie in einem ärztlichen Attest aus dem Jahre 1994 (UA S. 33, 150, 329). Berichten des MfS über Treffen mit der Angeklagten brauchte der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht zu entnehmen, daß lediglich zu den beiden darin genannten Zeitpunkten depressive Phasen bestanden haben.
Daß die Angeklagte nach ihrer Einlassung nicht allein zur Diskothek gehen wollte und auf ihre Schwester einwirkte, sie zu begleiten, steht der Annahme einer schweren depressiven Phase nicht entgegen. Die Fähigkeit, planvoll vorzugehen, wird hierdurch nicht etwa völlig ausgeschlossen.
Der Senat besorgt auch nicht, die Strafkammer könne bei der Prüfung eines Motivs der Angeklagten übersehen haben, daß diese zur Tatzeit arbeitslos war und vom Angeklagten A C keine finanzielle Unterstützung erhalten hatte. Der Tatrichter hat sich mit einem Motiv aus finanziellen oder sonstigen materiellen Gründen ausführlich und rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt (UA S. 296 - 298).
b) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten V C das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht angenommen hat, unterliegt das im Hinblick auf die nicht ausgeschlossene erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit dieser Angeklagten keinen gleichermaßen durchgreifenden Bedenken wie bei den drei anderen Angeklagten (vgl. zum Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe BGH NJW 2004, 1466 - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt - m.w.N.). Da sie Mittäterin ist, kommt es sie betreffend darauf an, ob sie selbst niedrige Beweggründe hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte die Angeklagte V C im wesentlichen motivlos und ihr Handeln war - jedenfalls nicht ausschließbar - von depressiven Phasen bestimmt, die jedoch nicht ihre Fähigkeit zum planvollen Handeln ausschlossen. Aufgrund dieser Disposition läßt sich aus den Urteilsgründen nicht sicher ableiten, ob bei der Angeklagten auch die subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe erfüllt sind. Dies nötigt indes nicht zu einer Zurückverweisung der Sache. Aus denselben Gründen wie bei den drei anderen Angeklagten wäre auch bei der Angeklagten V C eine Auswirkung auf den Schuld- oder Strafausspruch zu verneinen.
C.
Revisionen der Nebenkläger
I. Revisionen des Nebenklägers Br
1. Die Zulässigkeit der gegen die wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes verurteilten Angeklagten V C gerichteten Revision scheitert an § 400 Abs. 1 StPO. Der Nebenkläger könnte mit seiner Revision, da das Landgericht das Tötungsdelikt als Mord beurteilt hat, hinsichtlich dieses Nebenklagedelikts nur eine andere Rechtsfolge der Tat erreichen; mit diesem Ziel kann er das Urteil nicht anfechten (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12).
2. Die den Freispruch der Angeklagten H betreffende Revision bleibt erfolglos.
a) Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags in den Urteilsgründen als bedeutungslos ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Tatrichter darf eine mögliche Indiztatsache dann als bedeutungslos ansehen, wenn sie selbst für den Fall des Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, weil das Gericht in seiner freien Beweiswürdigung einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluß aus der Tatsache nicht ziehen will (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 2, 4 und 23 m.w.N.).
b) Die Sachrüge ist unbegründet.
Die Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern und verstößt insbesondere nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Daß eine abweichende tatgerichtliche Wertung möglich gewesen wäre, vielleicht sogar näher gelegen hätte, berechtigt das Revisionsgericht noch nicht zum Eingreifen.
3. Auch den gegen die Angeklagten C , A C und E gerichteten Revisionen bleibt ein Erfolg versagt.
a) Die Verfahrensrügen, die sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E als Mittäter richten, gehen fehl.
Die Behauptungen der Revision, die am 274. Hauptverhandlungstag gestellten Hilfsbeweisanträge seien nicht beschieden worden, ist falsch. Im Urteil sind diese Anträge als bloßer Wiederholungsantrag bzw. wegen eigener Sachkunde des Gerichts zurückgewiesen worden (UA S. 202 ff., 238).
b) Soweit sich die Sachrüge gegen die Nichtverurteilung des Angeklagten C als Mittäter richtet, ist sie unbegründet (vgl. die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft und unten II. a.E.).
Die Revision des Nebenklägers ist dagegen unzulässig, soweit mit ihr als weiteres Anfechtungsziel die Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe erstrebt wird. Die Annahme eines weiteren Mordmerkmals würde sich allenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch auswirken können. Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil aber nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (vgl. BGH NJW 1999, 2449).
4. Soweit das Gericht nach § 405 Satz 2 StPO davon abgesehen hat, über den Antrag auf Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren zu entscheiden, ist die Rüge bereits deshalb unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 406a Abs. 1 StPO).
II. Revisionen der weiteren beschwerdeführenden Nebenkläger
Die Revisionen der Nebenkläger Ba , Be , Ed , El , Frei , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes wenden, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Nebenkläger ergeben hat. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.
Der Senat verkennt nicht, daß insbesondere aus der Perspektive der teilweise erheblich verletzten und schwer betroffenen Opfer die Verhängung nur zeitiger Freiheitsstrafen - die der schwierigen Beweis- und Rechtslage geschuldet ist - nicht leicht nachzuvollziehen sein mag. Dies gilt umso mehr, als eine andere Entscheidung des Landgerichts gleichermaßen vertretbar zu begründen und damit aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls hinzunehmen gewesen wäre. Bei allem ist aber auch zu bedenken, daß nicht die eigentlichen Haupttäter - libysche Drahtzieher und Hintermänner - vor Gericht standen.
D.
Revisionen der Angeklagten
I. Revision des Angeklagten C
1. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Umrechnungsmaßstabs für die im Libanon vollzogene Auslieferungshaft und der Bestimmung ihrer anrechnungsfähigen Dauer ist ein Verstoß gegen § 261 StPO nicht zu erkennen. Die eingeholte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu den Haftverhältnissen im Libanon steht entgegen der Behauptung der Revision im Einklang mit den Wertungen des Landgerichts. Die Feststellung einer vom Angeklagten im Libanon bis Januar 1994 verbüßten Freiheitsstrafe kann durch die Zeugenaussage eines Ermittlungsbeamten, gegebenenfalls auf Vorhalt einer aktenkundigen Mitteilung aus dem Libanon, in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
II. Revision des Angeklagten A C
Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten.
III. Revision der Angeklagten V C
1. Die Revision beanstandet im Ergebnis ohne Erfolg die Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO, weil die Angeklagte vor ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß informiert und belehrt worden sei; daraus folge ein Beweisverwertungsverbot.
Das Landgericht hat - zutreffend - die Auffassung vertreten, daß der vernehmende Oberstaatsanwalt verpflichtet gewesen wäre, die Angeklagte zu Beginn der Vernehmung über die Tatsache der erfolgten Anklageerhebung und den aktuellen Umfang des Tatvorwurfs in der Anklageschrift zu unterrichten. Im Ergebnis mit Recht hat die Strafkammer aber ein Verwertungsverbot verneint. Über ihr Schweigerecht war die Angeklagte informiert. Jenseits davon lag ein relevantes Informationsdefizit nicht vor. Durch den Haftbefehl war für die Angeklagte erkennbar, daß sich der Tatvorwurf zusätzlich zu der Tötung von drei Menschen auch auf weitere Opfer erstrecken würde; die Tat insoweit rechtlich als versuchten Mord zu würdigen, lag angesichts der nicht beherrschbaren Sprengstoffexplosion nahe.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die weitere Verfahrensrüge und die erhobene Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
IV. Revision des Angeklagten E
Die Angriffe gegen die Strafzumessung, die die Revision mit der Sachrüge vorbringt, können keinen Erfolg haben.
1. Der sachlichrechtlichen Nachprüfung hält stand, daß der Tatrichter den Umstand, daß der Angeklagte "schon vor dem Anschlag längere Zeit in Vorbereitungshandlungen involviert war" (UA S. 377), straferschwerend berücksichtigt hat. Die Stärke des Tatwillens (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) kann sich auch aus Tatvorbereitungen ergeben. Für eine rechtsfehlerhafte Anlastung eines Verhaltens, in dem ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten zu finden wäre, ist bei den vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen nichts ersichtlich.
2. Irgendwelche tragfähigen Anhaltspunkte für einen Ansatz, die Bestrafung des Beschwerdeführers sei im Vergleich zu derjenigen des Angeklagten A C rechtsfehlerhaft zu hoch bemessen worden (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 25a), bestehen nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AAAAC-07100
1Nachschlagewerk: ja