Leitsatz
[1] Zum Umfang der Pflichten eines Vermögenspflegers bei der Geltendmachung und Sicherung von Gewinnanteilen aus einem Unternehmen und zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aufgrund der Verletzung dieser Pflichten.
Gesetze: BGB § 1833; BGB § 1915 Abs. 1
Instanzenzug: LG München II
Tatbestand
Die Kläger verlangen vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 108.382,35 DM aus einer Pflichtverletzung, welche sie ihm als ihrem früheren Pfleger im Zusammenhang mit einer Schenkung zu Last legen.
Die am bzw. geborenen Kläger sind die Enkel der am verstorbenen Ruth O.. Dieser stand ein Nießbrauch an einem Drittel des Kommanditanteils ihres verstorbenen Ehemanns an der KG O. & Co (im folgenden: KG) zu. 1983 trat Ruth O. mit notariellem Schenkungsvertrag an die Kläger jeweils 25 % dieses Nießbrauchs ab. Der Aufgabenkreis des Beklagten, der bereits zuvor zum Vermögenspfleger der damals minderjährigen Kläger bestellt worden war, wurde auf diese Schenkung erweitert.
In der Folgezeit wurde für Ruth O. ein Vermögenspfleger bestellt. Der Vermögenspfleger, zuletzt Rechtsanwalt A., bestritt die Wirksamkeit der Abtretung an die Kläger unter Berufung auf die angeblich fehlende Geschäftsfähigkeit der Ruth O.. Auf Ersuchen des Beklagten hinterlegte deshalb die KG im Jahre 1987 Gewinne von insgesamt rund 190.000 DM zugunsten der Kläger und für Ruth O.. Ab 1987 führten die Kläger, vertreten durch den Beklagten, gegen Ruth O. sodann einen Rechtsstreit auf Feststellung der Wirksamkeit der Abtretung. Im Rahmen dieses Rechtsstreits erhob Ruth O. im Februar 1992 Widerklage mit dem Antrag, die Kläger zu verurteilen, in die Auszahlung weiterer jeweils am , 1990 und 1991 fällig gewordener Gewinne für die Jahre 1988, 1989 und 1990 in Höhe von insgesamt 108.382,35 DM (also der jetzigen Klagforderung) einzuwilligen. Aufgrund dieser Widerklage erfuhr der Beklagte erstmals, daß diese Gewinne nicht, wie die 1987 ausgekehrten Gewinne, hinterlegt worden, sondern in der KG verblieben waren.
Der Beklagte forderte daraufhin am die KG auf, die auf die Kläger entfallenden Gewinne für 1988, 1989 und 1990 an diese auszuzahlen oder zu hinterlegen. Die KG lehnte eine Auszahlung ab und verwies auf eine Abrede mit Rechtsanwalt A. als dem Vermögenspfleger der Ruth O., nach welcher die streitigen Gewinne in der Firma verbleiben sollten. Nachdem Rechtsanwalt A. die KG zur Hinterlegung dieser Gewinne aufgefordert hatte, teilte diese ihm am mit, daß die Geschäftslage angespannt sei, man aber in dieser Woche 128.171,20 DM hinterlegen werde. Rechtsanwalt A. teilte daraufhin am dem Beklagten mit, daß die KG den zur Verfügung stehenden Betrag nunmehr ebenfalls beim Amtsgericht hinterlegen werde. Dazu kam es nicht. Im Dezember 1993 wurde über das Vermögen der KG der Konkurs eröffnet. Mit einer Konkursquote ist nicht zu rechnen.
Nachdem 1995 in dem Rechtsstreit zwischen den Klägern und der Ruth O. die Wirksamkeit der Schenkung rechtskräftig festgestellt worden war, forderte der Beklagte am Rechtsanwalt A. auf, in die Auszahlung der von der KG hinterlegten Gewinne einzuwilligen. Rechtsanwalt A. teilte daraufhin dem Beklagten mit, daß die KG zwar einen Hinterlegungsantrag gestellt habe, die Gewinne für 1988, 1989 und 1990 aber tatsächlich nicht hinterlegt habe.
Die auf Schadensersatz gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat angenommenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Gründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt das Verhalten des Beklagten keine objektive Pflichtverletzung dar, so daß schon deshalb ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 1833 in Verbindung mit § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht komme. Denn der Beklagte sei nicht gehalten gewesen, sofort bei Fälligkeit der Gewinnauszahlungsansprüche auf deren Hinterlegung zugunsten der Kläger zu drängen. Er habe vielmehr von der Möglichkeit ausgehen dürfen, daß den Klägern kein Anspruch auf diese Gewinne zustünde, da die zu dieser Zeit im Rechtsstreit zwischen den Klägern und Ruth O. erholten Gutachten eher zu Ungunsten der Kläger ausgegangen seien. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.
Die Beurteilung, ob das Verhalten eines Pflegers eine Pflichtverletzung darstellt, ist im wesentlichen tatrichterlicher Natur. In der Revisionsinstanz ist allerdings zu prüfen, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung den Rechtsbegriff der Pflichtverletzung verkannt hat (vgl. etwa - WM 1984, 556, 558 und vom - I ZR 171/84 - WM 1986, 1413, 1414; st. Rspr.). Das ist hier der Fall. Eine Pflichtverletzung liegt in jeglichem Verstoß eines Pflegers gegen das Gebot treuer und gewissenhafter Amtsführung. Diese verlangt die konsequente Verfolgung der Interessen des Pfleglings. Daran hat es der Beklagte fehlen lassen. Da er als Vertreter der Kläger im Rechtsstreit mit Ruth O. die Wirksamkeit der Abtretung des Nießbrauchsanteils an die Kläger geltend machte, gehörte es zur folgerichtigen Wahrung der Interessen der Kläger, dafür zu sorgen, daß ihnen die Nutzungen aus dem ihnen angeblich zustehenden Nießbrauchsrecht zufließen. Der Beklagte mußte sich deshalb vergewissern, welche Gewinne künftig auf die Kläger - wirksame Abtretung des Nießbrauchs unterstellt - entfallen würden; außerdem mußte er überlegen, wie er die Ansprüche auf diese Gewinne angesichts des laufenden Prozesses sinnvoll geltend machen könnte. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Pflicht hätte sich dem rechtskundigen Beklagten ohne weiteres die Notwendigkeit erschlossen, sich unverzüglich nach Fälligkeit über die Höhe und den Verbleib der fällig werdenden Gewinne Aufklärung zu verschaffen und zumindest - entsprechend der bisherigen Übung - deren Hinterlegung zu verlangen.
2. Das Oberlandesgericht hat die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Kläger nach § 1833 in Verbindung mit § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB auch deshalb verneint, weil es jedenfalls an einem Verschulden des Beklagten fehle. Aufgrund des Schreibens des Rechtsanwalts A. vom habe der Beklagte davon ausgehen können, daß die Gewinne für 1988 bis 1990 noch im Dezember 1992 beim Amtsgericht hinterlegt würden. Daß der Beklagte den Wahrheitsgehalt dieser Mitteilung nicht überprüft habe, gereiche ihm nicht zum Verschulden, da sich ein Rechtsanwalt auf Erklärungen eines Kollegen verlassen könne, falls nicht konkrete Anhaltspunkte ersichtlich seien, die Anlaß zu Zweifeln geben könnten. Das sei hier nicht der Fall.
Auch diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Pflichtverletzung des Beklagten liegt - wie ausgeführt - bereits darin, daß dieser die jeweils am , 1990 und 1991 fällig gewordenen Gewinne für die Jahre 1988, 1989 und 1990 nicht alsbald nach deren Fälligkeit geltend gemacht hat. Folglich kann das Verschulden hinsichtlich dieser Pflichtverletzung nicht deshalb entfallen, weil der Beklagte am - also rund dreieinhalb bis eineinhalb Jahre später - die Erklärung eines Anwaltskollegen über die Hinterlegung dieser Gewinne erhielt. Zudem konnte der Beklagte der Mitteilung seines Anwaltskollegen lediglich eine Absichtsbekundung der KG entnehmen, die Gewinne im Dezember 1992 hinterlegen zu wollen. Bei der Mitteilung des Anwaltskollegen handelt es sich mit anderen Worten um eine Einschätzung des künftigen Verhaltens der KG, die den Beklagten jedenfalls nicht von der Aufgabe entbinden konnte sich zu vergewissern, ob die von der KG angekündigte Hinterlegung auch tatsächlich erfolgt ist.
3. Was die Frage der Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden angeht, haben die Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, daß die KG die Gewinne für die Jahre 1988 bis 1990 zugunsten der Kläger hinterlegt hätte, wenn der Beklagte sofort bei Fälligkeit der jeweiligen Gewinnauszahlungsansprüche hierauf gedrängt hätte. Das Oberlandesgericht hat hierüber keine Feststellungen getroffen. Im Revisionsverfahren ist deshalb von der Richtigkeit des klägerischen Vortrags auszugehen.
4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig, weil - wie der Beklagte geltend macht - ein etwaiger Schadensersatzanspruch verjährt wäre; denn die Verjährungsfrist beträgt für auf § 1833 (i.V. mit § 1935) BGB gestützte Ansprüche 30 Jahre (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB i.V. mit § 195 BGB a.F.; zum alten Verjährungsrecht vgl. MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1833 Rdn. 1 unter Hinweis auf RG Recht 1907 Nr. 2575).
5. Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat vermag allerdings in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da das Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zur Ursächlichkeit der Pflichtverletzung des Beklagten für den von den Klägern erlittenen Schaden keine Feststellungen getroffen hat. Das Oberlandesgericht wird diese Feststellungen nachzuholen haben.
Fundstelle(n):
AAAAC-06650
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja