Leitsatz
[1] Ein Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich fällt nicht unter das Vollstreckungsprivileg des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Gesetze: ZPO § 850d; BGB § 1587f
Instanzenzug: LG Ingolstadt vom AG Ingolstadt
Gründe
I.
Der Schuldner ist gemäß verpflichtet, an die Gläubigerin, seine geschiedene Ehefrau, im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ab Januar 2001 eine monatliche Ausgleichsrente von 936,55 DM (478,85 €) sowie für den Zeitraum September 1997 bis einschließlich Dezember 2000 einen rückständigen Betrag in Höhe von 35.598 DM (18.200,97 €) zu zahlen. Wegen ihrer laufenden Ansprüche aus diesem Titel bis einschließlich Mai 2001 und des rückständigen Betrages nebst (Vollstreckungs-)Kosten erwirkte die Gläubigerin vor dem Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom , der die gegenwärtigen und künftigen Rentenansprüche des Schuldners gegen die beiden Drittschuldnerinnen zum Gegenstand hat. Das Vollstreckungsgericht bestimmte, daß der unpfändbare Teil der nach § 850e Nr. 2a ZPO zusammenzurechnenden Rentenbezüge des Schuldners in erster Linie den Leistungen zu entnehmen ist, die der Schuldner von der Drittschuldnerin zu 1) bezieht. Auf Grundlage dieses Beschlusses führt die Drittschuldnerin zu 2) einen nach der Tabelle zu § 850c ZPO ermittelten monatlichen Betrag von zuletzt 209,75 € an die Gläubigerin ab.
Im April 2003 beantragte die Gläubigerin, den pfandfreien Betrag in Abänderung des Beschlusses vom und unter entsprechender Anwendung des § 850d Abs. 1 ZPO herabzusetzen. Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat gegen seinen Beschluß die Rechtsbeschwerde zugelassen, ohne zugleich die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO) zu bestimmen. Die Gläubigerin hat daraufhin durch ihren vorinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten Rechtsbeschwerde beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt und begründet. Erst danach hat das Landgericht bestimmt, daß der Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zuständig ist.
II.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft; an die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip konnte sie fristgerecht beim Bayerischen Obersten Landesgericht durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO) eingelegt werden, nachdem das Beschwerdegericht bis dahin noch nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO über die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel entschieden hatte (vgl. , MDR 2003, 518; vom - I ZR 250/91, NJW 1994, 1224 m.w.N.). Die Begründung des Rechtsmittels ist ebenfalls ordnungsgemäß erfolgt; sie ist innerhalb der Frist des § 575 Abs. 2 ZPO bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen.
III.
Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache unbegründet.
Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, daß eine mögliche Herabsetzung des Pfändungsfreibetrages nicht durch § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO ausgeschlossen ist, da sich der Schuldner seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen habe. Es sei nichts dafür ersichtlich, daß er keine höheren als die an die Gläubigerin im Wege der Zwangsvollstreckung abgeführten Beträge habe erbringen können. Dies nimmt der Schuldner hin (zu seiner Darlegungs- und Beweislast vgl. IXa ZB 273/03, FamRZ 2005, 440 = Rpfleger 2005, 204 = NJW-RR 2005, 718).
Das Beschwerdegericht hat weiter ausgeführt: Eine Privilegierung der Ansprüche der Gläubigerin komme jedoch deshalb nicht in Betracht, weil der Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich nicht zu den in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO enumerativ aufgeführten Ansprüchen gehöre, die sämtlich die Bedürftigkeit des Berechtigten zur Voraussetzung hätten. Die Vorschrift wolle dem Gläubiger allein mit Blick auf seinen aktuellen Unterhaltsbedarf erweiterte Zugriffsmöglichkeiten auf die Einkünfte des Schuldners geben. Beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gehe es darum, die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsleistungen auszugleichen und Versorgungslücken zu schließen. Auf die Bedürftigkeit des ausgleichsberechtigten Ehegatten komme es nicht an. Daher scheide eine entsprechende Anwendung des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO aus.
Dem hält die Rechtsbeschwerde entgegen, der Versorgungsausgleich stehe als vorweggenommener Altersunterhalt mit diesem auf einer Stufe. Mit Ausnahme ihrer Altersrente von 455 € monatlich habe die Gläubigerin keine weiteren Einkünfte und sei somit auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich angewiesen. Dieser könne nicht in voller Höhe umgesetzt werden, weil die Pfändungsfreigrenzen dem entgegen stünden. Damit werde das unterhaltsrechtliche Ziel einer angemessenen Versorgung der Gläubigerin im Alter verfehlt. Auf einen gesonderten Unterhaltsprozeß müsse sie sich nicht verweisen lassen. Die enge Verknüpfung zwischen Unterhalt und Versorgungsausgleich zeige sich auch an den Regelungen des § 1587n BGB und des § 5 VAHRG. Die fehlende Bedürftigkeit des Berechtigten könne beim Versorgungsausgleich zum Wegfall oder zur Beschränkung des Anspruchs führen (§ 1587h BGB). Eine entsprechende Anwendung des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO sei daher gerechtfertigt, zumal der unterhaltsähnliche Rentenanspruch bei der Gläubigerin nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO bedingt der Pfändung unterworfen sei.
2. Der Standpunkt des Beschwerdegerichts ist richtig.
Die Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin zu 2) auf Altersrente unterliegen nach §§ 54 Abs. 4, 23 Abs. 1 Buchst. b SGB I wie Arbeitseinkommen der Pfändung. Damit kann die Vorschrift des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich zur Anwendung kommen. Der dort bestimmte Kreis von Gläubigern ist berechtigt, in erweitertem Umfang auf das Arbeitseinkommen oder das diesem gleichgestellte Einkommen des Schuldners zuzugreifen, ohne den Beschränkungen des § 850c ZPO zu unterliegen. Die Privilegierung nach § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO erfaßt indes allein familienrechtlich begründete Unterhaltsansprüche des Gläubigers (vgl. IXa ZB 170/03, Rpfleger 2004, 111 unter II 2 zu § 1615k BGB in der bis zum geltenden Fassung). Zu diesen gehört der Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich nicht. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde besteht auch keine Veranlassung, die Gläubiger eines solchen Anspruchs den nach § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO bevorrechtigten Unterhaltsgläubigern gleichzustellen. Weder ist der hier zu beurteilende Sachverhalt mit demjenigen vergleichbar, den der Gesetzgeber in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelt hat, noch läßt seine Regelungsabsicht eine Unvollständigkeit der Vorschrift erkennen (vgl. IVa ZR 55/87, BGHZ 105, 140, 143).
a) Die Bestimmung des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO erstreckt sich nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf Unterhaltsansprüche und erfaßt Ansprüche, denen keine gesetzliche Unterhaltspflicht zugrunde liegt, somit nicht. Dahinter steht das gesetzgeberische Anliegen, Gläubiger, die in ihrer Existenz von den Zahlungen des Schuldners abhängen, nicht auf die Sozialfürsorge zu verweisen. Statt dessen sollen sie bei Durchsetzung ihrer Rechte gegen den ihnen zum Unterhalt verpflichteten Schuldner gegenüber anderen Gläubigern privilegiert sein (Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850d Rdn. 1; MünchKommZPO/Smid, 2. Aufl., § 850d Rdn. 1). Dieser sozialpolitische Zweck, den bereits das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, kommt zusätzlich in der Bestimmung des § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO zum Ausdruck. Sollte sich der Schuldner seinen Zahlungspflichten nicht absichtlich entzogen haben, hat die Bevorrechtigung des Unterhaltsgläubigers zeitlich nur für solche rückständigen Unterhaltsforderungen Geltung, die nicht länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlaß des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind. Sie gewährt dem Gläubiger das vollstreckungsrechtliche Vorrecht damit allein für die laufenden Unterhaltsansprüche und nur im eingeschränkten Umfang für rückständige Unterhaltsbeträge, die wegen des Zeitablaufs nicht mehr dazu dienen, den aktuellen Unterhaltsbedarf des Gläubigers zu befriedigen. Es besteht dann nicht die Gefahr, daß der Berechtigte wegen der ausbleibenden Zahlungen des Schuldners auf Sozialleistungen angewiesen ist; für zeitlich weiter zurückliegende Ansprüche des Unterhaltsberechtigten braucht ihm das Privileg des § 850d Abs. 1 ZPO daher nicht zugestanden zu werden.
b) Hingegen ist der Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich von der Bedürftigkeit des Berechtigten unabhängig. Er beruht auf dem Gedanken der hälftigen Teilhabe des einen Ehegatten an dem in der Ehezeit erworbenen Überschuß am Versorgungssystem auf seiten des anderen Ehegatten. Die vom Ausgleichsverpflichteten erworbenen und formal ihm zugeordneten Versorgungsanrechte gründen sich auf eine gemeinsame Lebensleistung beider Ehegatten; das vom allein oder überwiegend erwerbstätigen Ehegatten in der Ehe angesammelte Versorgungsvermögen gebührt daher zu einem entsprechenden Teil auch demjenigen Ehegatten, dem es nicht formal zuzuordnen ist, und ist im Falle der Scheidung zu teilen (, FamRZ 2002, 88 unter B II 2 a). Unter weiteren sachlichen Voraussetzungen steht der Anspruch nicht, insbesondere müssen für die vom Verpflichteten zu zahlende Ausgleichsrente keine unterhaltsrechtlichen Kriterien erfüllt werden. Es hat weder eine Bedürftigkeit des Berechtigten vorzuliegen, noch kommt es auf die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten an; auch bleibt der Anspruch bei einer Wiederheirat des Berechtigten bestehen (Staudinger/Rehme [2004] Vorbem. zu § 1587f BGB Rdn. 1, 18; MünchKommBGB-Gräper, 4. Aufl., § 1587f Rdn. 9; MünchKommBGB-Glockner, 4. Aufl., § 1587g Rdn. 2).
c) Die von der Gläubigerin angeführte Vorschrift des § 1587h BGB, die zu einer Beschränkung oder zum Wegfall des Anspruchs aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich führen kann, ist Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben. Für ihre Anwendbarkeit reicht die anderweitige Sicherung eines angemessenen Unterhalts des Berechtigten gerade nicht aus, um den Anspruch entfallen zu lassen ( IVb ZB 782/81, NJW 1985, 2706 unter II 4). Es bedarf zusätzlich der Feststellung einer unbilligen Härte auf Seiten des Verpflichteten. Die Regelung des § 1587h BGB vermag daher die Rechtsnatur des Anspruchs aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich nicht zu ändern und rechtfertigt es nicht, diesen dem Unterhaltsrecht zuzuordnen (Staudinger/Rehme, aaO, § 1587h BGB Rdn. 4, 6).
Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich mag zwar unterhaltsersetzende Funktion haben, soweit er den während der Ehe nicht geleisteten Vorsorgeunterhalt abgilt (§ 1578 Abs. 3 BGB; Bamberger/Roth/Bergmann, BGB § 1587 Rdn. 6). Das kann die Rechtsbeschwerde für die von ihr befürwortete entsprechende Anwendung des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO indes nicht nutzbar machen. Es geht in diesem Zusammenhang nicht um die Befriedigung eines laufenden Unterhaltsbedarfes, der für das vollstreckungsrechtliche Privileg entscheidend ist, sondern lediglich um einen nachträglichen Ausgleich für während der Ehezeit nicht erbrachte Vorsorgeleistungen, ohne daß es auf die Bedürftigkeit des Berechtigten ankäme. Daß der Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich als fortlaufende Geldrente zu zahlen ist, deshalb unterhaltsähnlichen Charakter hat (Staudinger/Rehme, aaO, Vorbem. zu § 1587f Rdn. 3 f., 18; MünchKommBGB-Gräper, aaO, § 1587f Rdn. 9; MünchKommBGB-Glockner, aaO, § 1587g Rdn. 2) und dem Berechtigten eine möglichst eigenständige soziale Sicherung verschaffen soll, erfordert ebenfalls keine entsprechende Anwendung des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO. Denn auch dadurch wird kein Regelungsbedürfnis geschaffen, das dem eines unterhaltsrechtlichen Anspruches entspricht. Soweit sich die Rechtsbeschwerde auf die §§ 1587n BGB, 5 VAHRG beruft, übersieht sie, daß diese Bestimmungen den Schutz des Schuldners bezwecken, der vor einer doppelten Inanspruchnahme bewahrt werden soll (MünchKommBGB-Gräper, aaO, § 1587n Rdn. 1 und § 5 VAHRG Rdn. 2; Staudinger/Rehme, aaO, § 1587n BGB Rdn. 1), jedoch nichts über den unterhaltsrechtlichen Charakter des Anspruchs aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich besagen.
d) Die Rechtsauffassung des Senats steht schließlich nicht im Widerspruch zum , BGHZ 158, 81 ff.). Diese Entscheidung befaßt sich mit der Gültigkeit von Vereinbarungen, die während oder vorsorglich vor der Ehe getroffen werden und für den Fall einer späteren Scheidung den nachehelichen Unterhalt oder sonstige vermögens- und güterrechtliche Angelegenheiten verbindlich regeln. Der XII. Zivilsenat hat (aaO unter III) Grundsätze aufgestellt, inwieweit die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich der vertraglichen Disposition der Ehepartner unterliegen. In diesem Zusammenhang hat er den Versorgungsausgleich als vorweggenommenen Altersunterhalt angesehen, der einer vertraglichen Disposition nur begrenzt offen steht, ohne aber seinen Charakter als - von der Bedürftigkeit des Berechtigten losgelösten - Teilhabeanspruch an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen in Frage zu stellen. Für die von der Rechtsbeschwerde angestrebte privilegierte Pfändbarkeit gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO läßt sich daraus nichts gewinnen.
e) Schließlich besteht auch kein Bedürfnis, den Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich den bevorrechtigten Ansprüchen des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO gleichzustellen. Denn der Unterhaltsanspruch bleibt der Gläubigerin - unter den Voraussetzungen der §§ 1571, 1572 BGB - neben dem Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich erhalten (MünchKommBGB-Glockner, aaO, Rdn. 3). Diesen kann sie zu gegebener Zeit gegenüber dem Schuldner geltend machen und daraus im Falle seiner Titulierung mit dem Privileg des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO vollstrecken. Ob ein Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich, wie vereinzelt vertreten wird (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rdn. 422), seinerseits der Pfändung aus § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO unterliegt, braucht nicht entschieden zu werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WM 2005 S. 1993 Nr. 42
UAAAC-03123
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja