Leitsatz
[1] Zu den Anforderungen an die Einhaltung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG durch Klageerhebung, wenn die fristgerecht bei Gericht eingegangene Klage nicht unterschrieben war.
Gesetze: VVG § 12 Abs. 3
Instanzenzug: ,
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Der Kläger fordert wegen des Verlustes seines bei den Beklagten versicherten Hochseekatamarans, der vor der Küste Venezuelas in Brand geriet und sank, 1.850.000 US-Dollar. Die Beklagten lehnten mit Schreiben vom Versicherungsleistungen ab, weil der Kläger seine Rettungsobliegenheiten (§ 62 VVG) verletzt habe, und wiesen gemäß § 12 Abs. 3 VVG darauf hin, daß sie von der Verpflichtung zur Leistung frei würden, wenn der Kläger den Anspruch nicht innerhalb von 6 Monaten gerichtlich geltend mache. Dieses Schreiben ging dem vorprozessualen Vertreter des Klägers noch am per Telefax und am mit der Post zu.
Am ging die Klage beim Landgericht ein. Weder das Original noch die Abschriften waren unterschrieben. Nachdem der Klägervertreter darauf hingewiesen worden war, holte er die Unterschrift am nach. Bereits am wurde bei der Justizkasse der Eingang des Gerichtskostenvorschusses unter Angabe der Parteien sowie des Aktenzeichens gebucht; als Einzahler ist der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers angegeben. Nach Klärung der Kammerzuständigkeit wurde die Klage am den Beklagten zugestellt. Diese rügen, die Frist des § 12 Abs. 3 VVG sei nicht gewahrt.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Gründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts lief die Sechsmonatsfrist des § 12 Abs. 3 VVG am ab; die Übermittlung durch Fax am habe die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform nicht gewahrt. Da die Klage im Anwaltsprozeß abweichend von der Sollvorschrift des § 130 Nr. 6 ZPO unterschrieben sein müsse, sei die Einreichung der nicht unterschriebenen Klage als unwirksame Prozeßhandlung anzusehen. Durch das Nachholen der Unterschrift am sei dieser Mangel zwar geheilt worden. Wenn eine Klage aber wie hier innerhalb einer gesetzlichen Ausschlußfrist zu erheben sei, werde die Prozeßhandlung erst vom Zeitpunkt der Behebung des Mangels an wirksam. Auch die Frist des § 12 Abs. 3 VVG sei eine solche gesetzliche Ausschlußfrist. Sie sei bereits verstrichen gewesen, als der Klägervertreter am die Unterschrift nachgeholt habe.
Jedoch sei in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Urheberschaft des postulationsfähigen Rechtsanwalts für eine Klage auch in anderer Weise als durch das Nachholen einer versäumten Unterschrift festgestellt werden könne. Ausschlaggebend sei, ob und von welchem Zeitpunkt an kein vernünftiger Zweifel mehr darüber habe bestehen können, daß die Klage nicht etwa versehentlich, sondern mit Wissen und Wollen des Anwalts dem Gericht zugeleitet worden war, dieser also die Verantwortung für die Klageschrift übernommen hatte. Dies komme etwa in Betracht, wenn der Anwalt mit der nicht unterschriebenen Urschrift gleichzeitig eine Abschrift mit unterschriebenem Beglaubigungsvermerk einreiche oder unter Angabe des Aktenzeichens und genauer Bezeichnung der Rechtssache beim Gericht anfrage, wann die Klage zugestellt worden sei (BGHZ 92, 251, 256). Im vorliegenden Fall sei die Buchung des Gerichtskostenvorschusses am letzten Tag der Frist ein eindeutiges Indiz dafür, daß die Klageschrift mit Wissen und Wollen des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten an das Gericht gelangt sei. Daß diese Bestätigung einem Organ der Exekutive, nämlich der Justizkasse, zugegangen sei und nicht dem Gericht, sei nicht entscheidend. Damit sei die Frist des § 12 Abs. 3 VVG gewahrt worden.
Die Klage sei im übrigen begründet, weil die Beklagten eine Verletzung der Rettungsobliegenheiten nicht nachgewiesen hätten.
2. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Frist des § 12 Abs. 3 VVG habe hier durch die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses gewahrt werden können, wendet sich die Revision mit Recht.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, daß die Klageschrift als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozeß grundsätzlich keine wirksame Prozeßhandlung darstellt, solange sie nicht von dem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden ist (§§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO; vgl. BGHZ 92, 251, 254; 101, 134, 137 f.; 111, 339, 342). Die Beklagte hat sich hier auf diesen Mangel auch berufen. Der Mangel kann zwar geheilt werden, die unwirksame Prozeßhandlung wird aber erst von ihrer Heilung an wirksam; eine abgelaufene Frist kann mithin durch die Heilung nicht mehr gewahrt werden (vgl. BGHZ 111, 339, 343 f.; 90, 249, 253; - VersR 1980, 331 unter 1 c; Zöller/Greger, ZPO 24. Aufl., § 253 Rdn. 22; Musielak/Foerste, ZPO 3. Aufl. § 253 Rdn. 10; MünchKommZPO/Lüke, 2. Aufl. § 253 Rdn. 165; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 129 Rdn. 29). Das gilt auch für die materiell-rechtliche Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VVG (zu deren Zweck und Besonderheiten vgl. näher - NJW 1959, 241; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl., § 12 Rdn. 32 m.w.N.). Das hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen (ebenso OLG Hamm VersR 2002, 1361 f.).
b) Richtig ist ferner, daß der Mangel der fehlenden Unterschrift des Anwalts nicht nur durch deren Nachholung, sondern auch dadurch behoben werden kann, daß sich auf andere, jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Weise feststellen läßt, der nicht unterschriebene Schriftsatz sei nicht etwa ein Entwurf, sondern von dem postulationsfähigen Anwalt verantwortet und mit seinem Wissen und Wollen als Klageschrift dem Gericht eingereicht worden (BGHZ 92, 251, 256; zu Beispielsfällen vgl. BGHZ 101, 134, 138). Mit Recht macht die Revision aber geltend, daß die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses, selbst wenn sie wie hier unter genauer Angabe der Rechtssache und ihres Aktenzeichens erfolgt ist, für eine derartige Feststellung nicht ausreicht. Daraus läßt sich zwar entnehmen, daß der Einzahler vom Eingang einer Klage in dieser Sache ausgegangen ist, die vom Gericht zugestellt werden sollte. Ob der Vorschuß vom postulationsfähigen Anwalt selbst oder etwa von seinem Büro in seinem Namen eingezahlt worden ist, bleibt dagegen offen. Es fehlt ferner jeder Anhaltspunkt in der Buchungsanzeige der Justizkasse dafür, daß es sich bei dem zuzustellenden Schriftsatz gerade um die am beim Landgericht eingegangene, nicht unterschriebene Klageschrift handeln sollte. Einen solchen Anhaltspunkt hat auch das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Gerichtskostenanzeige erweist sich danach jedenfalls im vorliegenden Fall als ungeeignet, die Übernahme der Verantwortung des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten für den Inhalt des am eingegangenen Schriftsatzes als der zuzustellenden Klage nachzuweisen. Insofern unterscheidet sich dieser Fall wesentlich von einer Anfrage des Anwalts an das Gericht, wann die Zustellung bestimmter, von dem nachfragenden Anwalt und dem Auskunft gebenden Gericht in Bezug genommener Schriftsätze, die zwar nicht unterschrieben, vom Gericht aber gleichwohl bereits zugestellt worden waren, erfolgt sei (vgl. den der Entscheidung BGHZ 92, 251, 252, 256 zugrunde liegenden Sachverhalt).
Soweit die Revisionserwiderung meint, aus der Angabe des Aktenzeichens auf dem Einzahlungsbeleg sei zu schließen, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vor Zahlung der Gerichtskosten nach dem Aktenzeichen für den am beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz nachgefragt habe, stellt das Berufungsgericht fest, für eine Anfrage vor Fristablauf finde sich in der Akte kein Anhaltspunkt; vielmehr sei erst unter dem , also nach Fristablauf, vermerkt worden, daß dem Kläger das neue Aktenzeichen der zuständigen Zivilkammer mitgeteilt worden sei. Der Frage nach dem Aktenzeichen einer bestimmten Rechtssache ist für sich genommen jedenfalls keine Bezugnahme auf einen bestimmten Schriftsatz zu entnehmen, also hier etwa auf die am eingegangene, nicht unterschriebene Klageschrift. Daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers selbst beim Gericht rechtzeitig und insbesondere in einer Weise nachgefragt habe, die sich auf die am eingegangene Klageschrift bezog, ist weder dargetan noch ersichtlich.
c) Mithin ist die Frist des § 12 Abs. 3 VVG hier nicht eingehalten worden. Daß sich die Beklagten darauf berufen, ist nicht treuwidrig, auch wenn sie außergerichtlich über die Absicht des Klägers, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen, unterrichtet gewesen sein mögen und ihnen die Klage, deren Zustellung sich infolge des Streits über die zuständige Zivilkammer verzögert hat, nicht später zugestellt worden sein dürfte, als wenn sie schon bei Einreichung unterschrieben gewesen wäre. Das rechtfertigt es jedoch nicht, sich über die vom Gesetz geforderte gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, die bei einer Klage eine fristgerecht bei Gericht eingereichte ordnungsgemäße Klageschrift voraussetzt, hinwegzusetzen (OLG Hamm VersR 2002, 1361, 1362).
Die Klage war danach ohne Rücksicht darauf abzuweisen, ob die Beklagten die geforderte Leistung aus anderen Gründen hätten ablehnen können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAB-99402
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja