BGH Urteil v. - II ZR 256/01

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 387; BGB § 271 a.F.; GesO § 7 Abs. 5; GenG § 73 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: OLG Schleswig vom 06.09.2001

Tatbestand

Der Kläger, Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der W. GmbH, verlangt von der Beklagten Auszahlung eines dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Auseinandersetzungsguthabens von 25.000,00 DM. Die Gemeinschuldnerin war genossenschaftliches Mitglied der Beklagten, die die Mitgliedschaft zum 31. Dezember 1998 kündigte. Am 30. Dezember 1998 wurde Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gestellt. Mit Beschluß vom 1. April 1999 eröffnete das AG N. das Gesamtvollstreckungsverfahren und bestellte den Kläger zum Verwalter. Die Generalversammlung der Beklagten stellte mit Beschluß vom 30. April 1999 den Jahresabschluß für das Kalenderjahr 1998 und das Auseinandersetzungsguthaben der Gemeinschuldnerin mit 25.000,00 DM fest. Mit Schreiben vom 6. Mai 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Anspruch auf Auszahlung des Guthabens werde mit Gegenforderungen aus Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin in Höhe von ca. 284.000,00 DM verrechnet. Dem widersprach der Kläger.

Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung verstoße gegen die Vorschrift des § 7 Abs. 5 GesO, da zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Forderung der Gemeinschuldnerin weder erfüllbar noch fällig gewesen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung des geltend gemachten Betrages verurteilt. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision hat in vollem Umfang Erfolg.

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, § 7 Abs. 5 GesO stehe der von der Beklagten erklärten Aufrechnung entgegen, weil die Gegenforderung der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens weder fällig noch erfüllbar gewesen sei, so daß eine Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht bestanden habe. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 1. April 1999 sei nur die Forderung der Beklagten, nicht jedoch die der Gemeinschuldnerin fällig gewesen, weil die Fälligkeit ihres Anspruchs erst mit dem Beschluß der Generalversammlung vom 30. April 1999 über die Feststellung der Bilanz 1998 und die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens eingetreten sei. Hiergegen wendet sich die Revision vergeblich.

a) Eine Forderung ist nach §§ 387, 271 BGB a.F. fällig, wenn der Gläubiger ihre Erfüllung erzwingen kann und ihr keine Einrede entgegensteht. Wann die Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs eintritt, wird unterschiedlich beantwortet. Nach einer Auffassung wird der Anspruch stets erst mit Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 73 Abs. 2 Satz 2 GenG fällig (Müller, GenG 2. Aufl. § 73 Rdn. 13), nach anderer Meinung tritt die Fälligkeit mit der Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens durch die Generalversammlung ein, wenn die Feststellung innerhalb der sechs Monate erfolgt, ansonsten mit Fristablauf (Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, GenG 33. Aufl. § 73 Rdn. 8 m.w.N.; differenzierend Beuthien, GenG 13. Aufl. § 73 Rdn. 6). Welche der beiden Auffassungen zutrifft, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, da sowohl die Feststellung der Bilanz und des Guthabens als auch der Fristablauf zeitlich nach der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 1. April 1999 liegen, so daß zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses nach beiden Meinungen die klägerische Forderung und damit die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, nicht fällig war.

b) Die Hauptforderung war jedoch schon vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erfüllbar.

Erfüllbarkeit einer Forderung liegt vor, wenn der Schuldner leisten darf, mithin der Gläubiger in Annahmeverzug käme, sollte er die Annahme der Leistung verweigern (Staudinger-Gursky, BGB Neubearbeitung 2000 § 387 Rdn. 111; MünchKomm./Schlüter, BGB 4. Aufl. § 387 Rdn. 38). Mehr als erfüllbar muß die Passivforderung bei der Aufrechnung nach allgemeiner Meinung nicht sein (siehe nur Staudinger-Gursky, ebenda). Die Erfüllbarkeit wird in der Regel zeitlich mit der Fälligkeit zusammenfallen, sie kann jedoch auch schon zu einem früheren Zeitpunkt eintreten (§ 271 Abs. 2 BGB a.F.). Die Frage, wann der Anspruch des ausscheidenden Genossen auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erfüllbar wird, ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die Literatur nimmt zum einen Teil Erfüllbarkeit ab Fälligkeit an (Müller aaO, Rdn. 13; Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, GenG 2. Aufl. § 73 Rdn. 5 f.), zum anderen Teil wird die Aufrechenbarkeit des Auszahlungsanspruchs vor Erstellung der Bilanz und damit ab Ausscheiden aus der Genossenschaft bejaht (Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland aaO, § 73 Rdn. 11; Beuthien aaO, § 73 Rdn. 7). Der Senat schließt sich im Gegensatz zum Berufungsgericht letzterer Auffassung an.

Für eine Erfüllbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens ab Ausscheiden des Genossen spricht schon der Wortlaut des § 73 Abs. 2 Satz 2 GenG, wonach das Guthaben binnen sechs Monaten ab diesem Zeitpunkt und nicht erst nach Ablauf der Frist auszuzahlen ist. Des weiteren gelangt der Anspruch mit dem Ausscheiden aus der Genossenschaft zur Entstehung, ohne daß es darauf ankommt, ob man mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes annimmt, bei dem Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens nach Ausscheiden des Gesellschafters einer GmbH - für die Genossenschaft kann nichts anderes gelten - handele es sich um einen künftigen Anspruch, der erst mit dem Ausscheiden entsteht, aber in seinem Kern bereits zuvor vorhanden ist (Sen.Urt. v. 11. Juli 1988 - II ZR 281/87, ZIP 1988, 1545; ebenso , ZIP 2000, 757) oder ob man mit der Literatur von einer Entstehung des Anspruchs schon mit dem Beitritt zur Genossenschaft, allerdings aufschiebend bedingt durch das Ausscheiden des Genossen (Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland aaO, § 73 Rdn. 12; Beuthien aaO, § 73 Rdn. 6; Müller aaO, § 73 Rdn. 12), ausgeht. Es handelt sich daher auch nicht um eine unzulässige Aufrechnung gegen eine zukünftige oder aufschiebend bedingte Forderung (BGHZ 103, 362), wenn nach dem Ausscheiden, aber vor der Feststellung der Bilanz die Aufrechnung erklärt wird. Schließlich läßt sich der Annahme einer Erfüllbarkeit ab dem Ausscheiden des Genossen auch nicht entgegenhalten, daß sich die Forderung vor Erstellung und Genehmigung der Bilanz durch die Generalversammlung noch nicht beziffern läßt (a.A. Müller aaO, § 73 Rdn. 13; Beuthien aaO, § 73 Rdn. 6). Denn schon das Reichsgericht hat für den Fall eines der Quote, nicht aber der Höhe nach feststehenden Schadens entschieden, die Voraussetzungen des § 387 BGB a.F. könnten nicht deshalb verneint werden, weil die Höhe der Hauptforderung noch streitig sei; allenfalls für den Fall, daß noch völlig ungewiß sei, ob überhaupt künftig ein Anspruch entstehen werde, sei vielleicht die Aufrechnung ausgeschlossen (RGZ 158, 204, 209). Nicht anders liegen die Dinge hier. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Gemeinschuldnerin aus der Genossenschaft stand zwar die Höhe ihres Guthabens noch nicht fest, eine gänzliche Ungewißheit über das Ob des Anspruchs bestand jedoch nicht. Ihr Anspruch auf Auszahlung des Guthabens stand daher schon ab dem Ausscheiden und damit vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens den fälligen Ansprüchen der Beklagten aufrechenbar gegenüber. Die von ihr nach der Eröffnung erklärte Aufrechnung ist daher nach § 7 Abs. 5 GesO wirksam, so daß dem Kläger kein Anspruch mehr gegen die Beklagte zusteht.

II. Da nach dem Tatsachenvortrag der Parteien weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.). Einer Aufhebung und Zurückverweisung zur Beweisaufnahme bedarf es schon deswegen nicht, weil sowohl die Forderung der Beklagten wie die des Klägers dem Grunde wie der Höhe nach außer Streit stehen. Das klageabweisende landgerichtliche Urteil ist wiederherzustellen, ohne daß es auf die weiteren von der Revision gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts vorgebrachten Rügen ankommt.

Fundstelle(n):
WAAAB-97909

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein