Leitsatz
[1] Für einen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Transportrechtsreformgesetzes noch nicht verjährten transportrechtlichen Anspruch (hier: nach der KVO) gilt, sofern er nach dem neuen Recht einer längeren Verjährung unterliegt als nach dem früheren Recht, die neuere längere Verjährungsfrist.
Gesetze: EGBGB Art. 169 Abs. 1; KVO § 40; HGB § 435; HGB § 439 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: OLG Düsseldorf 18 U 68/02 vom LG Duisburg 21 O 98/01 vom
Tatbestand
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin des Transportversicherers der W. K. GmbH (im Weiteren: K.-GmbH), die mit der Beklagten in ständiger Geschäftsverbindung stand. Der Beklagten oblag es, Warensendungen von den Lieferanten der K.-GmbH zu dieser zu befördern.
Am übernahm ein von der Beklagten beauftragter Frachtführer in Gelsenkirchen von der T. GmbH & Co. KG (im Weiteren: T. GmbH & Co. KG) eine aus vier Paletten bestehende Warensendung und verbrachte diese in das Umschlagslager der Beklagten in Duisburg. Die Paletten enthielten nach dem Vortrag der Klägerin Zahngelenkstangen im Wert von 35.994,88 DM (= 18.403,89 €).
Am mahnte die T. GmbH & Co. KG bei der K.-GmbH die Bezahlung der Zahngelenkstangen an. Die K.-GmbH forderte, nachdem sie bei der Überprüfung des Vorgangs zu dem Ergebnis gekommen war, dass sie die betreffende Warensendung nicht erhalten hatte, die Beklagte mit Schreiben vom auf, einen Ablieferungsnachweis für die Sendung zu erbringen. Hierzu erklärte sich die Beklagte mit Schreiben vom außerstande.
Die K.-GmbH nahm daraufhin die Rechtsvorgängerin der Klägerin in Anspruch und trat dieser dafür mit Schreiben vom ihre sämtlichen Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag mit der Beklagten ab.
Mit ihrer am bei Gericht eingereichten Klage hat die Klägerin von der Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht Zahlung von 35.994,88 DM nebst Zinsen begehrt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat gegenüber dem Klageanspruch, soweit dieser auf Vertrag gestützt war, namentlich die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg.
Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin für nicht begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Das Landgericht habe etwaige Schadensersatzansprüche der K.-GmbH nach § 29 KVO mit Recht als verjährt angesehen. Da die Warensendung noch im Laufe des Monats Juni 1998 habe abgeliefert werden sollen, sei die Jahresfrist des § 40 KVO spätestens Ende Juli 1998 an- und Ende Juli 1999 abgelaufen. Der Klageanspruch unterliege nicht der dreijährigen Verjährungsfrist des mit dem Transportrechtsreformgesetz (vom , BGBl. I S. 1588 - TRG) neu gefassten § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB. Die Bestimmung des Art. 169 Abs. 1 EGBGB sei anders als die des Art. 169 Abs. 2 EGBGB nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Im Übrigen setzte auch die entsprechende Anwendung des Art. 169 Abs. 2 EGBGB voraus, dass die Ansprüche nach dem alten Recht durch die gesetzliche Neuregelung keine grundlegende sachliche Änderung erfahren hätten; der neue § 439 HGB stelle aber keine die § 40 KVO, § 439 HGB a.F. lediglich abändernde Verjährungsvorschrift, sondern eine die alten Haftungsregelungen verschärfende Haftungsanordnung dar, da danach die bislang nur bei vorsätzlicher Schadensverursachung geltende Sanktion der Verlängerung der Verjährungsfrist nunmehr auch schon bei leichtfertiger Schadensverursachung eingreife.
Das Landgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin, soweit sie wegen des geltend gemachten Verlusts der Zahngelenkstangen Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB geltend gemacht habe, im vollen Umfang darlegungs- und beweisbelastet sei und - soweit sie überhaupt eine pflichtwidrige Schädigungshandlung der Beklagten schlüssig dargelegt habe - diese jedenfalls nicht habe beweisen können.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Keinen Rechtsfehler erkennen lässt allerdings die - von der Revision auch nicht angegriffene - Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihre auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzansprüche womöglich schon nicht schlüssig dargelegt, jedenfalls aber nicht zu beweisen vermocht.
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass die durch das Transportrechtsreformgesetz neu gefasste Vorschrift des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB für die Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten vertraglichen Anspruchs nicht maßgebend ist.
a) Wie der Senat bereits entschieden hat, gilt für das im Handelsgesetzbuch geregelte Speditions- und Transportrecht der in Art. 170 und Art. 232 § 1 EGBGB enthaltene Grundsatz, dass sich Inhalt und Wirkung eines Schuldverhältnisses nach der zum Zeitpunkt seiner Entstehung geltenden Rechtslage richten, sofern kein Dauerschuldverhältnis betroffen ist (st. Rspr.; vgl. , TranspR 1999, 19, 21 = VersR 1999, 254; BGHZ 149, 337, 343 m.w.N.; , TranspR 2003, 255, 256 f. = VersR 2003, 1017).
b) Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz findet sich allerdings in Art. 169 Abs. 1 EGBGB. Danach gilt für die Verjährung, soweit es nicht um deren Beginn, Hemmung oder Unterbrechung geht, grundsätzlich das neue Recht. Der Schuldner hat kein Recht auf den Fortbestand der bisherigen Verjährungsmöglichkeit; er wird daher durch eine Verlängerung der Verjährung nicht unzumutbar belastet. Von diesem Grundsatz gehen auch die detaillierten Verjährungsvorschriften anlässlich der Herstellung der deutschen Einheit (Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB) und der Modernisierung des Schuldrechts (Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB) aus.
aa) Bei Einführung einer kürzeren als der bislang geltenden Verjährungsvorschrift ist die Verjährung gemäß Art. 169 Abs. 2 EGBGB vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts an zu berechnen. Die Frage, ob sie spätestens zu dem Zeitpunkt abläuft, zu dem sie nach dem früheren Recht vollendet gewesen wäre, war vom Bundesgerichtshof für das geänderte Transportrecht bislang noch nicht zu entscheiden (vgl. , Umdr. S. 8).
bb) Auch für den - im Streitfall gegebenen - umgekehrten Fall der Verlängerung der Verjährung enthält das Transportrechtsreformgesetz keine Bestimmung. Es gilt demnach entsprechend Art. 169 Abs. 1 EGBGB das neue Recht. Danach ist hier zwar für den Beginn der Verjährung noch das alte Recht maßgebend, für deren Dauer aber die längere neue Frist (vgl. RGZ 24, 266, 271 f.; Kipp in: Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl., Erster Band, Frankfurt a.M. 1906, § 32 Fn. 10; MünchKomm.BGB/Grothe, 3. Aufl., Art. 169 EGBGB Rdn. 3). Eine spezielle Regelung, wie sie etwa beim Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts in Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB (vgl. dazu die Begründung zu Art. 229 § 5 Abs. 2 EGBGB des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 273: "Diese Vorschrift stellt ein Novum gegenüber Art. 231 § 6 und Art. 169 [EGBGB] dar."; Gsell, NJW 2002, 1297 Fn. 2; vgl. auch , Umdr. S. 7 f.) getroffen wurde, enthält das neue Recht nicht. Auf die längere Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB für den auf leichtfertiges Verhalten gestützten Schadensersatzanspruch aus § 29 KVO könnte sich die Klägerin daher nur dann nicht berufen, wenn das neue Transportrecht gegenüber dem bisher geltenden Recht eine vollständige rechtliche Neugestaltung der Ansprüche im Sinne einer "Systemänderung" enthielte (vgl. , NJW 1974, 236, 237 f.; BGHZ 138, 24, 37 f. m.w.N.). Entgegen der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung hat die Haftung des Frachtführers im Bereich des innerstaatlichen Güterfernverkehrs mit Kraftfahrzeugen infolge der Ersetzung der Bestimmungen der Kraftverkehrsordnung durch die an deren Stelle getretenen §§ 407 ff. HGB jedoch keinen solchen grundlegenden Wandel erfahren. Das Transportrecht wurde insoweit einem einheitlichen Vertragsrechtssystem zugeführt, ohne dass der Grundsatz der Haftung auf Schadensersatz bei Verschulden in Frage gestellt wurde.
III. Danach konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es war aufzuheben.
Das Berufungsgericht hat bislang - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - noch nicht geprüft, ob der Beklagten ein leichtfertiges Verhalten i.S. des § 435 HGB zur Last fällt und der Klägerin daher ein gemäß dem dann anzuwendenden § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB noch unverjährter vertraglicher Anspruch zusteht. Die Sache war daher zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Diese wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 618 Nr. 9
GAAAB-97521
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja