BGH Beschluss v. - AnwZ (B) 7/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BRAO § 28 Abs. 1 Satz 2; BRAO § 33; BRAO § 18 Abs. 1; BRAO § 25; BRAO § 171; BRAO § 18; BRAO § 42 Abs. 1; BRAO § 42; BRAO § 28; ZPO § 78; GG Art. 12; GG Art. 3

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen vom

Gründe

I.

Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt bei den Landgerichten M. I und M. II zugelassen. Er beantragte mit Schreiben vom bei der Antragsgegnerin die Zulassung als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und beim Landgericht D.. In dem Antrag erklärte er, auf die Rechte aus seiner bisherigen Zulassung bei den Landgerichten M. I und M. II verzichte er nicht. Hilfsweise beantragte der Antragsteller gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 BRAO die Gestattung der Einrichtung einer Zweigstelle seiner in M. bestehenden Kanzlei in D.. Die Antragsgegnerin wies die Anträge mit Bescheid vom zurück. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seine Anträge weiterverfolgt.

II.

1. Das Rechtsmittel ist hinsichtlich des Hauptantrages zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 BRAO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Zulassung bei dem Amtsgericht und dem Landgericht D. zu Recht deshalb zurückgewiesen, weil der Antragsteller auf seine Rechte aus der bisherigen Zulassung bei den Landgerichten M. I und M. II nicht verzichtet hat (§ 33 Abs. 1 BRAO).

a) Die Bundesrechtsanwaltsordnung ermöglicht nicht die gleichzeitige Zulassung bei mehreren Landgerichten. Nach der Zulassung bei einem bestimmten Landgericht kann die Zulassung bei einem anderen Landgericht nicht kumulativ, sondern nur unter den Voraussetzungen eines Zulassungswechsels nach § 33 BRAO, d.h. unter Verzicht auf die Rechte aus der bisherigen Zulassung, erreicht werden (st.Rspr.; AnwZ (B) 59/01, NJW 2003, 965 unter 2 a m.Nachw.; vgl. auch Senatsbeschluß vom - AnwZ (B) 51/92, BRAK-Mitt. 1993, 173 zur Unzulässigkeit gleichzeitiger Zulassung bei Gerichten in den alten und neuen Bundesländern). Einen Verzicht auf seine Rechte aus der bisherigen Zulassung hat der Antragsteller nicht erklärt. Seiner Auffassung, der Wortlaut des § 33 BRAO lasse eine Doppel- oder Mehrfachzulassung zu, kann nicht gefolgt werden. Die Vorschrift enthält eine abschließende Regelung für die Zulassung bei einem anderen Gericht und steht damit einer Simultanzulassung bei mehreren Landgerichten entgegen. Dies kommt nicht nur in der gesetzlichen Formulierung des § 33 BRAO zum Ausdruck (§ 33 Abs. 1: Zulassung bei einem "anderen Gericht"; § 33 Abs. 2: Antrag auf "anderweitige Zulassung"), sondern ergibt sich auch aus der mit der Lokalisation "bei einem bestimmten Gericht" (§ 18 Abs. 1 BRAO) grundsätzlich verknüpften Singularzulassung des Rechtsanwalts bei einem einzigen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Von diesem "Prinzip der Singularzulassung" (Henssler/Prütting, BRAO, § 18 Rdnr. 1; Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 18 Rdn. 1) macht die Bundesrechtsanwaltsordnung nur wenige Ausnahmen (vgl. §§ 23, 226, 227 BRAO), die jedoch nicht die gleichzeitige Zulassung eines Rechtsanwalts bei mehreren Landgerichten ermöglichen.

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den aus dem Lokalisationsgebot in § 18 Abs. 1 BRAO und der Regelung über den Zulassungswechsel in § 33 BRAO abzuleitenden Ausschluß der Simultanzulassung bei mehreren Landgerichten bestehen nicht.

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat das in § 18 Abs. 1 BRAO normierte Lokalisationsgebot für inländische Rechtsanwälte in seinem Beschluß vom (1 BvR 986/89, NJW 1990, 1033) als eine durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigte, verhältnismäßige und deshalb mit Art. 12 und Art. 3 GG vereinbare Berufsausübungsregelung angesehen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die "horizontale Lokalisation" (BVerfGE 93, 362, 370) hat das Bundesverfassungsgericht auch nach der gesetzlichen Zulassung von im Ausland eingerichteten Kanzleien inländischer Rechtsanwälte (§ 29 a BRAO; eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom , BGBl. I S. 2135), der gesetzlichen Zulassung von (auch überörtlichen) Sozietäten (§ 59 a BRAO; eingefügt durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom , BGBl. I S. 2278) und der durch das zuletzt genannte Gesetz erfolgten Beseitigung der Verknüpfung von berufsrechtlicher Lokalisierung und zivilprozessualer Postulationsfähigkeit (§ 78 ZPO) nicht erhoben (BVerfGE 93, aaO). Daran hat sich auch durch die Entscheidungen des zur (verfassungswidrigen) Singularzulassung von Rechtsanwälten an einem Oberlandesgericht nach § 25 BRAO (BVerfGE 103, 1) und vom zur (verfassungskonformen) Singularzulassung von Rechtsanwälten beim Bundesgerichtshof nach § 171 BRAO (1 BvR 819/02, NJW 2002, 3765) nichts geändert. Beide Entscheidungen betreffen nicht unmittelbar die durch §§ 18, 33 BRAO nach wie vor ausgeschlossene "horizontale" Simultanzulassung bei mehreren Landgerichten, sondern die "vertikale" Simultanzulassung an verschiedenen Gerichten innerhalb des zivilprozessualen Instanzenzuges. Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in der zuerst genannten Entscheidung das Lokalisationsgebot des § 18 Abs. 1 BRAO und die daraus folgende Unzulässigkeit der Simultanzulassung bei mehreren Landgerichten mittelbar bestätigt. Es hat in der Entscheidungsformel ausgesprochen, daß die bisher singular bei den Oberlandesgerichten zugelassenen Rechtsanwälte ab zugleich "bei den für den Sitz der Kanzlei zuständigen Amts- und Landgerichten" - also nicht bei beliebigen Amts- und Landgerichten - zugelassen werden könnten (BVerfGE 103, 1). In den Gründen hat es ausgeführt, daß die erforderliche Erreichbarkeit des Rechtsanwalts in Anbetracht gestiegener Mobilität und moderner Telekommunikationsmittel ausreichend gewahrt sei, solange dem Rechtsanwalt die Festlegung eines Kanzleisitzes "am Ort der Zulassung" vorgeschrieben bleibe (BVerfGE 103, 1, 11 a).

bb) In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sieht auch der Senat keine Veranlassung, die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in §§ 18, 33 BRAO und des daraus abzuleitenden Verbots der gleichzeitigen Zulassung bei mehreren Landgerichten in Zweifel zu ziehen. Ungeachtet der zwischenzeitlichen Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung bestehen die Gemeinwohlbelange fort, die den Ausschluß der horizontalen Simultanzulassung bei verschiedenen Landgerichten rechtfertigen. Es soll im Interesse der Rechtspflege sichergestellt werden, daß für Gerichte, Behörden und Rechtsuchende ohne weiteres feststellbar ist, wo der Rechtsanwalt seinen beruflichen Mittelpunkt hat und er für sie erreichbar ist (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 18 Rdnr. 4). Ferner gewährleistet die Lokalisation die Berufsaufsicht (so auch Kleine-Cosack, aaO; Henssler/Prütting, BRAO, § 18 Rdnr. 19). Darüber hinaus sichert die durch die Lokalisation gewährleistete Zuordnung des Rechtsanwalts zu einer einzigen Rechtsanwaltskammer die Grundlagen der anwaltlichen Selbstverwaltung (Kleine-Cosack, aaO). Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts durch die Regelungen in §§ 18, 33 BRAO bedeutend schwächer geworden ist, nachdem der Rechtsanwalt durch die Änderung des § 78 ZPO nicht mehr nur bei dem Landgericht seiner lokalen Zulassung, sondern bei allen Landgerichten postulationsfähig ist.

2. Soweit der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde seinen Hilfsantrag auf Gestattung einer Zweigstelle in D. (§ 28 Abs. 1 Satz 2 BRAO) weiterverfolgt, ist sein Rechtsmittel nicht statthaft, weil es sich nicht gegen eine der in § 42 Abs. 1 BRAO aufgeführten Entscheidungen richtet (st.Rspr.; AnwZ (B) 49/96, BRAK-Mitt. 1997, 172 m.Nachw.). Auch eine analoge Anwendung des § 42 BRAO kommt hier nicht in Betracht (st.Rspr.; AnwZ (B) 7/92, BRAK-Mitt. 1992, 170 m.Nachw.). Auf die Ausführungen, mit denen der Antragsteller die Verfassungsmäßigkeit des Zweigstellenverbots nach § 28 BRAO in Frage stellt, kommt es deshalb nicht an.

3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf sie verzichtet haben.

Fundstelle(n):
MAAAB-96213

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein