Leitsatz
[1] 1. Der Rang einer Forderung auf Arbeitsvergütung als Masseverbindlichkeit wird durch die nach der Anzeige der (drohenden) Masseunzulänglichkeit zu treffende Entscheidung des Insolvenzverwalters bestimmt, ob er das Arbeitsverhältnis unverzüglich kündigt oder ob er es (zunächst) fortsetzt.
2. Als Masseverbindlichkeit iSd. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO gilt die Arbeitsvergütung für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt wird.
3. Der maßgebliche Kündigungstermin bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem eine Kündigung unter Beachtung gesetzlicher Verpflichtungen, zB aus § 102 BetrVG, § 85 SGB IX oder §§ 111, 112 BetrVG rechtlich zulässig ist. Er richtet sich nicht nach dem Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung des Insolvenzverwalters, den Betrieb stillzulegen.
Gesetze: InsO § 208 Abs. 1; InsO § 208 Abs. 2; InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2; InsO § 209 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug: ArbG Erfurt 4 Ca 4028/2000 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Insolvenzverwalter Gehälter der Klägerin für die Monate Januar und Februar 2001 als Masseverbindlichkeiten im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO schuldet.
Die Klägerin war seit dem im Betrieb E der Gemeinschuldnerin, der Firma Möbel GmbH & Co. KG, als Verkäuferin zu einem Bruttoverdienst von 3.715,76 DM beschäftigt. Über das Vermögen dieses Unternehmens, das außerdem Niederlassungen in P, B, M, J, G, Bl und F hatte, wurde mit Beschluss vom das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Am vereinbarten die Parteien eine Änderung zum Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin ab dem als Verkäuferin in der Abteilung Fachmarktsortimente tätig sein sollte und Regelungen zur Arbeitszeit und zur Gehaltshöhe getroffen wurden. Im Übrigen sollten alle Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitsvertrages unverändert fortbestehen.
Im Juli 2000 zeigte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht in K an, dass die Insolvenzmasse zur Erfüllung der fälligen bzw. der künftig fällig werdenden sonstigen Masseverbindlichkeiten voraussichtlich nicht ausreiche. Dies wurde im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom unter dem Datum des öffentlich bekannt gemacht.
Der Beklagte führte das Unternehmen der Gemeinschuldnerin zunächst mit dem Ziel der sanierenden Übertragung fort. Drei der Betriebe des Unternehmens wurden jedoch im Jahre 2000, die übrigen Betriebe, darunter auch der Betrieb in E, im Jahre 2001 stillgelegt.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom zum gem. § 113 InsO. Ob die Einzelhandelstätigkeit des Beklagten im Betrieb E bereits im Dezember 2000 oder erst im Februar 2001 eingestellt wurde, ist streitig. Der Beklagte stellte die Klägerin für die Monate Januar und Februar 2001 von der Arbeitsleistung frei.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte die Gehälter für die Monate Januar und Februar 2001 abzüglich der auf das Arbeitsamt übergegangenen Ansprüche als Masseverbindlichkeiten im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO iVm. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO schulde. Es handele sich um Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Beklagte nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit habe kündigen können.
Die Klägerin hatte in ihrer zunächst erhobenen und inzwischen rechtskräftig abgewiesenen Kündigungsschutzklage mit am bei Gericht eingegangenem Antrag die Gehälter für Januar und Februar 2001 im Wege der Zahlungsklage geltend gemacht.
Mit am eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage hat sie hilfsweise die Feststellung dieser Forderungen beantragt. Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben. In der Berufungsinstanz ist folgender Antrag protokolliert worden:
"Der Vertreter der Berufungsbeklagten verlas den Antrag vom (Bl. 108 d. A.) mit der Maßgabe, dass nunmehr der Feststellungsantrag aus dem Schriftsatz vom gestellt wird."
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, da die Vergütungsansprüche der Klägerin als Masseverbindlichkeit niemals bestritten worden seien. Es handele sich allerdings nicht um Ansprüche im Rahmen des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, sondern um sonstige Masseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, denn die Klägerin sei in den streitigen Monaten freigestellt gewesen. Um Neumasseverbindlichkeiten iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO könne es sich nur dann handeln, wenn der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Gegenleistung in Anspruch nehme. Weiterhin habe er auch zum ersten Termin, zu dem er habe kündigen können, gekündigt. Dieser sei danach zu bestimmen, ob und wann der Insolvenzverwalter die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, den Betrieb stillzulegen, und diese Entscheidung greifbare Formen angenommen habe, wobei eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose habe rechtfertigen müssen, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmer wegfallen werde. Diese Voraussetzungen hätten erst im November 2000 vorgelegen, da im Oktober 2000 die Entscheidung getroffen worden sei, den Betrieb zu schließen. Erst danach habe mit der Organisation und Durchführung der Betriebsstilllegung begonnen werden können. Zunächst sei beabsichtigt gewesen, den Verkauf am zu beenden. Nachdem jedoch der Abverkauf durch einstweilige Verfügung am gestoppt worden sei, seien die Mitarbeiter sofort freigestellt worden und ein anderes Unternehmen mit der Verwertung der vorhandenen Möbel beauftragt worden. Der arbeitsrechtlich frühestmögliche Termin bestimme sich auch innerhalb der Insolvenzordnung nach § 1 KSchG. Es widerspreche dem der Insolvenzordnung zugrunde liegenden Sanierungsgedanken, wenn der Insolvenzverwalter im Falle der Anzeige der (drohenden) Masseunzulänglichkeit praktisch gezwungen werde, sämtliche auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten an sich fortführungsfähigen Betriebe des Unternehmens sofort zu zerschlagen, um das Entstehen von Neumasseverbindlichkeiten im Range des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu vermeiden. Außerdem sei es auch praktisch nicht durchführbar gewesen, sämtliche Betriebe gleichzeitig zu schließen.
Das Landesarbeitsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom das folgende Urteil verkündet:
1) Auf die Berufung des Beklagten wird, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen, das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom , Az.: 4 Ca 4028/00, abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein Masseschuldanspruch in Höhe von 3.799,68 Euro brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.466,99 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
- für den Zeitraum vom 1. Februar bis aus 1.899,84 Euro brutto,
- für den Zeitraum ab aus 1.899,84 Euro abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 746,41 Euro netto,
- ab dem aus einem Betrag in Höhe von 1.899,84 Euro brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 720,57 Euro netto zusteht.
2) Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
...
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass es sich bei der festgestellten Schuld um eine Masseverbindlichkeit iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO handele. Hilfsweise stellt sie ferner den Leistungs(zahlungs)antrag. Sie rügt, dass sie dies bereits in der Berufungsinstanz getan hätte, wenn sie vom Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen worden wäre.
In der Revisionsinstanz ist unstreitig geworden, dass der Beklagte am dem Insolvenzgericht die eingetretene Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO mitgeteilt hat, dies durch das Insolvenzgericht unter dem Datum des im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom öffentlich bekannt gemacht worden ist und dass sich die Unzulänglichkeit der Masse auch auf die Verbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO bezieht.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Rang der Ansprüche iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO festgestellt wird.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Feststellungsklage sei zulässig, da die Klägerin Neumassegläubigerin im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei. Zwar greife das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nur im Falle des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO; trotzdem bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungsantrag, weil auch im vorliegenden Fall schon feststehe oder zu erwarten sei, dass die Masse nicht ausreiche, um die Masseverbindlichkeiten mit Ausnahme der Kosten des Insolvenzverfahrens zu erfüllen. Es könne der Fall eintreten, dass die Masse weder zur Befriedigung der Ansprüche der Altmassegläubiger noch der Neumassegläubiger ausreiche. Der Insolvenzverwalter könne daher auch in den Fällen des § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht mehr uneingeschränkt zur Leistung verurteilt werden. Daher sei in diesen Fällen stets Feststellungsklage zu erheben. Die Ansprüche der Klägerin seien Verbindlichkeiten iSd. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit solche iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Sie seien für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Beklagte nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit habe kündigen können, entstanden. Der maßgebliche Termin der frühestmöglichen Kündigung bestimme sich nach der öffentlichen Bekanntmachung der angezeigten Masseunzulänglichkeit und nach den objektiv gegebenen Kündigungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters. Wenn der Verwalter gem. § 208 Abs. 3 InsO seiner Pflicht zur Verwaltung und Verwertung der Masse auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nachkomme, lösten die dadurch begründeten Verpflichtungen den Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO aus, der auch bestehen bleibe, wenn der Verwalter die Arbeitnehmer freistelle. Wann der Verwalter die unternehmerische Entscheidung treffe, den Betrieb stillzulegen, sei hingegen unerheblich. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit löse unabhängig davon, ob ihre Voraussetzungen vorgelegen hätten oder nicht, die Rechtsfolgen des § 209 InsO aus. Da für die Klägerin nur der allgemeine Kündigungsschutz zu beachten gewesen sei, habe der Beklagte das Arbeitsverhältnis bereits zu einem Termin im Jahre 2000 kündigen können. Mit seiner Entscheidung, den Betrieb auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit noch mehrere Monate fortzuführen, habe der Beklagte die Möglichkeit der frühestmöglichen Kündigung bewusst verstreichen lassen.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und teilweise in der Begründung. Die Klägerin kann die Einordnung ihrer Ansprüche als Masseverbindlichkeiten im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit der zulässigen Feststellungsklage verfolgen.
I. Das Urteil ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil ein absoluter Revisionsgrund iSd. § 547 Nr. 6 ZPO vorläge. Der Beklagte hat gerügt, dass das am verkündete Urteil bereits aus formellen Gründen deshalb aufzuheben sei, weil es erst am zugestellt worden sei. Dies ist als Rüge eines absoluten Revisionsgrundes aufzufassen, obwohl sich die weiteren Ausführungen des Beklagten nur darauf beziehen, dass eine Tatbestandsberichtigung nach Ablauf der dreimonatigen Frist nach Verkündung des Urteils nicht mehr möglich sei und in welchen Punkten diese hätte erfolgen müssen. § 547 Nr. 6 ZPO ist anwendbar, wenn das mit Gründen versehene, vollständige und von den Richtern unterzeichnete Berufungsurteil erst nach Ablauf von fünf Monaten seit der Verkündung zur Geschäftsstelle gelangt ist ( GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367; dazu - AP GG Art. 20 Nr. 33 = EzA ZPO § 551 Nr. 9). Die Fünf-Monats-Frist endete am . Das Urteil ist zwar erst am zugestellt worden, jedoch ausweislich des in der Akte befindlichen Laufzettels am mit den Unterschriften der ehrenamtlichen Richter und des Vorsitzenden zur Geschäftsstelle gelangt. Damit ist die Fünf-Monats-Frist eingehalten.
II. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
1. Der Antrag ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil er nicht ausdrücklich das verfolgte Rechtsschutzziel, nämlich den begehrten Rang der Ansprüche iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, enthält. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es zwischen den Parteien nicht streitig ist, dass die Gehaltsansprüche der Klägerin Masseforderungen sind. Allerdings ergeben die Auslegung des Klageantrags, die anhand der Klagebegründung vorzunehmen ist, sowie die Auslegung des Tenors des angefochtenen Urteils, die im Zusammenhang mit den Gründen zu erfolgen hat, dass dieses Rechtsschutzziel von dem Antrag umfasst sein sollte und demzufolge ergänzend im Urteilstenor klarzustellen ist. Das Revisionsgericht kann Prozesserklärungen in freier Würdigung selbst auslegen. Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Parteien entspricht ( -).
2. Die Klägerin hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der begehrten Feststellung.
a) Bei den Vergütungsansprüchen der Klägerin für die Monate Januar und Februar 2001 handelt es sich unstreitig um Masseforderungen. Diese sind grundsätzlich im Wege der Leistungsklage zu verfolgen. Der Senat hat im Urteil vom (- 10 AZR 586/02 - AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1) - dem Neunten Senat folgend - entschieden, dass eine Leistungsklage dann ausscheidet, wenn nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO ein Vollstreckungsverbot iSd. § 210 InsO eintritt. Der Klage auf Leistung fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis ( - AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1; ebenso - ZIP 2003, 914; kritisch dazu Kröpelin ZIP 2003, 2341). Aus dem Wortlaut des § 210 InsO folgt, dass nur die "übrigen Masseverbindlichkeiten" iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO dem Vollsteckungsverbot unterliegen. Das Gesetz geht also von dem Regelfall aus, dass die Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO mit ihrer Fälligkeit grundsätzlich aus der Masse zu befriedigen sind und demzufolge auch mit einer Leistungsklage verfolgt werden können. Dies ist auch konsequent, denn die Verpflichtungen werden sämtlich eingegangen, um die Masse zu erhalten und zu verwerten, wozu der Insolvenzverwalter gem. § 208 Abs. 3 InsO auch nach Anzeige der (drohenden) Masseunzulänglichkeit verpflichtet bleibt. Die Gläubiger der sog. Neumasseverbindlichkeiten haben in der Regel kein Interesse an der weiteren Verfahrensabwicklung und sind daher auch nicht in die Verlustgemeinschaft der übrigen Insolvenzgläubiger einzubeziehen. Die Eingehung und Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten erfolgt vielmehr im Interesse der bereits am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger (Kröpelin ZIP 2003, 2341, 2345). Wären Neumassegläubiger bei drohender Masseunzulänglichkeit von vornherein auf eine Geltendmachung ihrer Forderungen im Wege einer Feststellungsklage verwiesen, entfiele in vielen Fällen ihre Bereitschaft, noch im Rahmen der Verwertung der Masse tätig zu sein. Dies widerspräche dem Sanierungsgedanken des § 208 Abs. 3 InsO.
Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass die vorhandene Masse auch die Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht mehr voll abdecken kann und auch nur für sie eine anteilige Erfüllung infrage kommt, ist eine vergleichbare Interessenlage gegeben wie im Falle des vom Gesetz geregelten Vollstreckungsverbotes des § 210 InsO. Hieraus ist aber nicht zu folgern, dass nur deshalb, weil diese Möglichkeit eintreten könnte, eine Leistungsklage generell im Falle der drohenden Masseunzulänglichkeit ausgeschlossen wäre, wie das Landesarbeitsgericht meint. Vielmehr bleibt die Leistungsklage solange zulässig, bis der Insolvenzverwalter die erneute Masseunzulänglichkeit im Prozess einwendet oder eine erneute Anzeige der Masseunzulänglichkeit auch bezüglich der Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO abgibt und diese veröffentlicht wird ( - ZIP 2003, 914). Sollte eine Quote bereits feststehen, was allerdings vor Abschluss des Insolvenzverfahrens eher unwahrscheinlich ist, ist es auch denkbar, den Leistungsantrag auf die Quote zu beschränken (vgl. Nerlich/Römermann/Westphal InsO Stand Juli 2003 § 209 Rn. 19; Kittner/Zwanziger/Lakies Arbeitsrecht 2. Aufl. § 120 Rn. 42). Ist bereits ein Leistungsurteil ergangen, kann der Insolvenzverwalter eine Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 Abs. 2 ZPO erheben und in dieser die erneute Masseunzulänglichkeit geltend machen (Kübler in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 967, 979).
b) Im Revisionsverfahren ist unstreitig geworden, dass die Masse auch für die hier streitigen Forderungen nicht mehr ausreicht. Damit ist die Feststellungsklage nunmehr jedenfalls zulässig, obwohl im Berufungsverfahren die Leistungsklage noch möglich war.
c) Das Feststellungsinteresse der Klägerin besteht weiter, obwohl der Tenor des zweitinstanzlichen Urteils so verstanden werden könnte, dass das Leistungsurteil des Arbeitsgerichts insoweit abgeändert werden sollte, als die Leistungsklage abgewiesen wurde. Wäre dies geschehen, könnte die Klägerin mangels eigener Rechtsmittel keine Leistung mehr verlangen, da ihre Klage insoweit rechtskräftig abgewiesen worden wäre. Dann bestünde auch kein Feststellungsinteresse mehr. Der Senat versteht den Tenor im Zusammenhang mit der Begründung jedoch in der Weise, dass das Landesarbeitsgericht die Leistungsklage für unzulässig hielt und sie deshalb abweisen wollte, so dass ihre erneute Erhebung nicht ausgeschlossen ist. Außerdem ist es in der Begründung davon ausgegangen, dass keine Klageänderung, sondern ein Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage iSd. § 264 Nr. 2 ZPO stattgefunden habe.
III. Die Klage ist begründet. Die Ansprüche der Klägerin sind Masseforderungen iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 2 iVm. Abs. 2 Nr. 2 InsO.
1. Sie stammen aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Diese Ansprüche gelten ebenfalls als Masseverbindlichkeiten iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Sie sind so zu behandeln, als wären sie nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden.
a) Der Beklagte hat die drohende Masseunzulänglichkeit ordnungsgemäß angezeigt (§ 208 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge des Beklagten, wonach nicht die Anzeige nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO, sondern diejenige der drohenden Massearmut im Sinne des Satzes 2 erfolgt sei, weshalb der Tatbestand des Urteils unrichtig sei, geht ins Leere, weil § 209 InsO in beiden Fällen gilt.
Die Anzeige ist ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden (§ 208 Abs. 2 iVm. § 9 Abs. 1 InsO), als sie im Staatsanzeiger für das Land Hessen, in dem der Hauptsitz der Gemeinschuldnerin lag, veröffentlicht wurde. Ob den Massegläubigern die Anzeige förmlich zugestellt wurde, wie es § 208 Abs. 2 Satz 2 InsO vorschreibt, ist unerheblich, weil gem. § 9 Abs. 3 InsO die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten genügt, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt.
b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO eintrat, als der Beklagte nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit beschloss, den Betrieb zunächst weiterzuführen und die Klägerin zu diesem Zweck zu beschäftigen. Sobald Masseunzulänglichkeit droht oder eintritt, hat der Insolvenzverwalter zwei Möglichkeiten: Benötigt er einen Vertragsgegenstand - hier ein Arbeitsverhältnis - für die Abwicklung des masseunzulänglichen Verfahrens nicht mehr, hat er das Dauerschuldverhältnis unverzüglich zu kündigen, wenn er sich nicht schadensersatzpflichtig iSd. § 61 InsO machen will (Kübler/Prütting/Pape InsO Stand Oktober 2003 § 209 Rn. 15). Benötigt er den Arbeitnehmer jedoch noch, um die Abwicklung des masseunzulänglichen Verfahrens fortzuführen, wird er so behandelt, als hätte er eine neue Masseverbindlichkeit erst begründet, denn es stand in seiner Macht, den Eintritt dieser Verbindlichkeit durch rechtzeitige Kündigung zu verhindern (Smid InsO 2. Aufl. § 209 Rn. 13). So war es hier. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass er zunächst die Absicht hatte, die Betriebe sanierend zu übertragen. Daher führte er den Betrieb fort und benötigte dazu Arbeitnehmer, ua. die Klägerin. Der Umstand, dass dieses Vorhaben misslang und der Betrieb stillgelegt wurde, ändert an der einmal eingetretenen Rangfolge dieser Ansprüche nichts mehr.
c) Es ist unerheblich, dass der Beklagte die Klägerin in den streitigen Monaten von der Arbeitsleistung frei gestellt hat. Die Ansprüche erhalten dadurch nicht den Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Dies folgt insbesondere nicht aus § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO, der den Masseverbindlichkeiten iSd. Abs. 1 Nr. 2 auch diejenigen aus einem Dauerschuldverhältnis gleichstellt, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Hierdurch wären im Fall der Klägerin nur die Ansprüche erfasst gewesen, die entstanden wären, wenn der Beklagte das Arbeitsverhältnis vor oder unverzüglich nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gekündigt hätte. Dann hätte er sich entscheiden müssen, ob er die Arbeitsleistung der Klägerin für die Zeit der Kündigungsfrist noch in Anspruch hätte nehmen wollen oder nicht. Im ersteren Fall hätte es sich um Ansprüche aus § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO gehandelt, im Falle der Freistellung um sonstige Masseverbindlichkeiten iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
Aus demselben Grund geht auch die Verfahrensrüge des Beklagten ins Leere, wonach das Landesarbeitsgericht unzutreffend von einer Einstellung des Geschäftsbetriebs im Februar 2001 ausgegangen sei. Hierauf kommt es nicht an.
d) Der Beklagte hat nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit iSd. § 208 InsO gekündigt.
aa) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass für die Frage der frühesten Kündigungsmöglichkeit die objektive Lage entscheidend ist. Dies hat der Senat im Urteil vom (- 10 AZR 586/02 - AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1) bereits entschieden. Der Gesetzeswortlaut ("konnte") spricht hierfür. Die Vorschrift hat den Sinn, den Insolvenzverwalter dazu zu veranlassen, im Interesse der Erhaltung der Masse Dauerschuldverhältnisse frühest möglich zu beenden, wenn er sie nicht verwerten will. Will sich der Insolvenzverwalter die Option vorbehalten, Vertragsverpflichtungen aus einem Dauerschuldverhältnis in Anspruch zu nehmen, steht dies der Erfüllungswahl gleich und die Lasten daraus fallen der Masse vorrangig anheim.
bb) Mit dem Begriff des "Könnens" iSd. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist nicht ein tatsächliches, sondern ein rechtliches Können gemeint. Ist beispielsweise im Falle eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung gem. § 85 SGB IX erforderlich oder ist der Betriebsrat vor einer Kündigung anzuhören (§ 102 BetrVG), sind diese Voraussetzungen, die anderenfalls die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätten, zunächst herbeizuführen ( - AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1).
Ferner hat der Insolvenzverwalter vor dem Ausspruch von Kündigungen Interessenausgleichsverhandlungen zu führen, wenn die §§ 111 ff. BetrVG eingreifen, da er die Masse sonst mit Nachteilsausgleichsansprüchen gem. § 113 BetrVG belasten würde. Insoweit ist er ebenfalls als rechtlich am Ausspruch der Kündigungen gehindert anzusehen ( - AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1).
cc) Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ab welchem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter eine Kündigung nach § 1 KSchG für wirksam hält. Dies folgt aus der gesetzgeberischen Wertung, wie sie in § 209 InsO zum Ausdruck kommt. Entscheidend für den Rang der Forderungen ist lediglich, ob der Insolvenzverwalter die Arbeitskraft eines Arbeitnehmers nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit weiter in Anspruch nehmen will oder nicht. Verneint er dies und hat er alle gegebenenfalls erforderlichen formellen Voraussetzungen herbeigeführt, ist er nicht mehr rechtlich gehindert, eine Kündigung auszusprechen. Eine Kündigungsschutzklage in einem solchen Fall wäre dann auch voraussichtlich erfolglos. Beschließt er jedoch, die Arbeitskraft weiter in Anspruch zu nehmen, auch nur für eine bestimmte Zeit bis zu einer geplanten Stilllegung, wird er so behandelt, als habe er Neumasseverbindlichkeiten begründet. Spräche er in einem solchen Fall eine Kündigung aus, die vom Arbeitnehmer erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen würde, wären die daraus entstehenden Annahmeverzugsansprüche ebenfalls Neumasseverbindlichkeiten. Verwertet der Insolvenzverwalter die Masse mit Hilfe der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern, bestimmt dies den Rang der daraus folgenden Arbeitsentgeltforderungen. Derselbe Umstand kann den Insolvenzverwalter nicht gleichzeitig am Ausspruch von Kündigungen rechtlich iSd. § 209 InsO hindern. Dass § 1 KSchG kein geeigneter Maßstab für den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Kündigung im massearmen Insolvenzverfahren sein kann, wird auch daran deutlich, dass durch ihn personen- und verhaltensbedingte Kündigungen erfasst werden, die mit der Rangsystematik des § 209 InsO nichts zu tun haben.
e) Die Bedenken des Beklagten, diese Auslegung des Gesetzes widerspreche dem der Insolvenzordnung zugrunde liegenden Sanierungsgedanken, sind unbegründet. Sicherlich trifft es zu, dass dem Insolvenzverwalter eine Pflicht zu schnellen und weitreichenden Entscheidungen aufgebürdet wird, sobald er feststellt, dass die Masse (voraussichtlich) nicht mehr zur Befriedigung aller Massegläubiger ausreichen wird. Das Gesetz räumt ihm jedoch keine Schonfrist ein, in der er sich noch nicht entscheiden muss. Dabei ist die gesetzlich festgelegte Rangfolge der Forderungen keine "Strafe" für die Entscheidung, den insolventen Betrieb - auch nur teilweise - fortzuführen, sondern eine Folge der gesetzlichen Rangsystematik, die ihre Grundlage in den unterschiedlichen Interessen der Insolvenzgläubiger, der Altmassegläubiger und der Neumassegläubiger hat. Die tatsächliche Schwierigkeit, viele Betriebe eines großen Unternehmens zu verwalten und zu verwerten oder ggf. stillzulegen, soll dabei nach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes für die Rangfolge der Gläubiger der unzureichenden Masse keine Rolle spielen.
f) Danach hätte der Beklagte nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Juli 2000 das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gemäß § 113 InsO, die auch der tarifvertraglich vorgesehenen Frist entsprach, kündigen können. Die Kündigung wäre damit in jedem Fall noch im Jahre 2000 wirksam geworden.
2. Wie bereits das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, ist die Ausschlussfrist des § 18 des Manteltarifvertrags für den thüringischen Einzelhandel gewahrt, da die Januarvergütung am fällig wurde (gemäß § 9 Ziff. 9 MTV "spätestens am Ultimo") und die Ausschlussfrist drei Monate nach Ende des Abrechnungszeitraums oder bei Ausscheiden einen Monat nach Endabrechnung beträgt. Da eine Endabrechnung nicht erteilt worden ist, ist die Frist frühestens am abgelaufen, während die Vergütungsansprüche für Januar und Februar 2001 mit Schriftsatz vom , dem Beklagten zugestellt am , geltend gemacht worden sind.
3. Die Verzugszinsen werden gemäß § 288 BGB geschuldet.
C. Die Kosten der erfolglosen Revision hat der Beklagte zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 2079 Nr. 38
DB 2004 S. 1993 Nr. 37
VAAAB-93495
1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein