Schuldzinsen aus der Erwerbsfinanzierung von Anteilen an der Arbeitgeber-Kapitalgesellschaft regelmäßig Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Gesetze: EStG § 9, EStG § 19, EStG § 20
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt und Steuerberater bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform einer AG angestellt. Sein Bruttogehalt betrug im Jahr 1997 234 082 DM, im Jahr 1998 296 062 DM und im Streitjahr (1999) 329 399 DM. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger Partnerstatus und war deshalb nach dem Anstellungsvertrag verpflichtet, Aktien der Arbeitgeberin zu erwerben. Dementsprechend erwarb der Kläger Aktien von nominal 54 000 DM für 128 250 DM. Daraus bezog er im Streitjahr eine Bruttodividende von 9 257,14 DM. Die Anschaffungskosten der Aktien hatte er mittels eines Darlehens in Höhe von 128 000 DM fremdfinanziert und musste hierfür im Streitjahr 6 808 DM an Schuldzinsen und Gebühren entrichten.
Diese Aufwendungen machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, weil mit dem Partnerstatus eine erheblich höhere Grundvergütung verbunden gewesen sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (Dividendeneinkünfte). Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, der Aktienerwerb sei nicht überwiegend durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, sondern stünde in einer unmittelbaren und gegenüber den Arbeitseinkünften engeren Beziehung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Rendite aus dem Aktienbesitz von 7,2 v.H. im Verhältnis zu den Anschaffungskosten sei nicht unerheblich. Demgegenüber könne eine durch den Erwerb des Partnerstatus bedingte erhebliche Erhöhung des Bruttoarbeitslohns nicht festgestellt werden. Nicht ins Gewicht falle, dass die Aktien nicht frei verfügbar und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzugeben seien. Dies sei bei an der Börse nicht handelbaren Arbeitgeberaktien nicht unüblich.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Das FG habe die vorliegenden Akten nicht vollständig berücksichtigt und deshalb gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen. Es habe in der Sache § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verletzt. Die Schuldzinsen zum Erwerb der Aktien an der Arbeitgebergesellschaft stünden in engerer wirtschaftlicher Beziehung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Beteiligung „stehe und falle” mit dem Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis und nicht das Kapitalanlageinteresse stehe im Vordergrund. Dass Dividenden erzielt würden, sei nur eine Nebenwirkung.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom zu ändern und unter entsprechender Kürzung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen von 6 808 DM diesen Betrag als weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen und damit die Einkommensteuer von 117 408 DM auf 113 716 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Das FG hat den Tatsachenvortrag des Klägers ersichtlich zur Kenntnis genommen, allerdings rechtlich anders gewürdigt. Überdies kam es nach der Vorentscheidung nicht auf die exakte Höhe des durch den Erwerb des Partnerstatus bedingten Anstiegs der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an.
2. Zutreffend hat das FG die als Werbungskosten geltend gemachten Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und nicht bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).
Im Streitfall hat das FG einen Zusammenhang mit den Einkünften des Klägers nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG in der Fassung des Streitjahres (EStG a.F.) zutreffend bejaht. Denn der Kläger erzielte aus den Aktien, die er von seiner Arbeitgeberin erwarb, Gewinnanteile. Den Erwerb dieser Aktien finanzierte er mittels eines Darlehens, so dass die Aufwendungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dieser Einkunftsart stehen.
b) Zwar besteht auch ein Zusammenhang mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit; denn er war aufgrund des Anstellungsvertrags verpflichtet, sich an seiner Arbeitgeberin zu beteiligen und erzielte durch den Partnerstatus höhere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ferner ist die Beteiligung an den Bestand seiner Tätigkeit bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geknüpft. Diese Beziehung wird im Streitfall aber überlagert durch den Zusammenhang der Schuldzinsen mit dem Erwerb der Beteiligung.
Maßgebend für die Abgrenzung ist die Einkunftsart, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt. Das ist hier bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG a.F. der Fall. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat zur weiteren Begründung auf die Gründe seiner zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung vom heutigen Tage IX R 111/00 (neutralisierter Abdruck liegt bei).
c) Der Argumentation des Klägers ist deshalb nicht beizupflichten. Im Übrigen würde, wenn ein Zusammenhang der Schuldzinsen mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bestünde, diese Verknüpfung auch für die mit dem Darlehen finanzierte Beteiligung (die Aktien) selbst gelten. Folgerichtig müsste diese Beteiligung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vermitteln, so dass auch die Gewinnanteile bei dieser Einkunftsart erfasst werden müssten (vgl. dazu die Rechtsprechung zur steuerrechtlichen Behandlung von Bausparzinsen, z.B. , BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355; , BFH/NV 1996, 745). Auch unter dieser Voraussetzung hätte das Begehren des Klägers aber keinen Erfolg. Denn dann müsste er die Dividenden in vollem Umfang ohne Berücksichtigung eines Sparerfreibetrags der Besteuerung unterwerfen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1817 Nr. 10
EStB 2006 S. 369 Nr. 10
HFR 2007 S. 20 Nr. 1
KÖSDI 2007 S. 15423 Nr. 2
WAAAB-92958