Nutzungsrecht als immaterielles Wirtschaftsgut; Abgrenzung des Gebäudebegriffs; Tankstellenüberdachung als Betriebsvorrichtung oder Gebäude
Leitsatz
Wird einem Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, gegen Leistung eines verlorenen Baukostenzuschusses für die Errichtung eines Tanklagers fremden Tankraum zu eigener betrieblicher Verwendung zu nutzen, stellt dieses Nutzungsrecht ein aktivierungspflichtiges immaterielles Wirtschaftsgut dar. Hat das Unternehmen aufgrund einer eigenständigen Verpflichtung über den Tank eine gewisse Mindestmenge umzuschlagen und monatlich ein bestimmtes Umschlagsentgelt zu zahlen, führt der bloße wirtschaftliche Zusammenhang des Nutzungsverhältnisses mit dem Lager- und Umschlagsvertragsverhältnis nicht zur bilanziell einheitlichen Beurteilung beider Rechtsverhältnisse. Eine Tankstellenüberdachung kann als Betriebsvorrichtung oder Gebäude zu beurteilen sein.
Gesetze: EStG § 5, EStG § 7; BewG § 68 Abs. 2 Nr. 2, BewG § 99
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob ein geleisteter Zuschuss für die Errichtung eines Tanklagers zu aktivieren ist und ob Kosten im Zusammenhang mit der Errichtung einer Selbstbedienungstankstelle den (degressiv abzuschreibenden) Betriebsvorrichtungen oder den (linear abzuschreibenden) Gebäuden zuzuschreiben sind.
1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der A-GmbH (A). Diese hatte 1995 mit der S einen Lager- und Umschlagsvertrag abgeschlossen, wonach letztere nach Fertigstellung des Umbaus eines ihr gehörenden Mineralöltanklagers dort der A Tankraum zur Verfügung stellt. A verpflichtete sich ihrerseits, über den Tank eine gewisse Mindestmenge umzuschlagen und monatlich ein bestimmtes Umschlagsentgelt zu entrichten.
Daneben beteiligte sich die A im Streitjahr 1996 an den erforderlichen Investitionen zum Umbau des Tanklagers mit einem verlorenen Baukostenzuschuss in Höhe von 500 000 DM. Bei Beendigung des Vertrages vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit hatte die S den Zuschuss nicht zurückzuerstatten. Die Klägerin begehrte für das Streitjahr die Anerkennung des geleisteten Baukostenzuschusses als Betriebsausgabe. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nach einer Außenprüfung nicht; der Zuschuss sei zu aktivieren und (über 10 Jahre) linear abzuschreiben.
2. Die A errichtete im Streitjahr eine neue überdachte Selbstbedienungstankstelle. Diese war mit Tankvorrichtungen für Straßenfahrzeuge und Schienenfahrzeuge bestückt. Dazu wurde das Tankstellengelände befestigt, zudem wurden Parkplätze angelegt. Von den Gesamtkosten in Höhe von ca. 650 000 DM behandelte die A die Aufwendungen für das Technikgebäude und die Parkplätze als auf Grundstückseinrichtungen erbracht, die linear abzuschreiben seien. Der übrige Betrag sei indessen als Herstellungskosten für bewegliche Wirtschaftsgüter nach § 7 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) degressiv mit 30 v.H. unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 10 Jahren abzuschreiben; dies betreffe auch die Tankstellenüberdachung. Das FA vertrat demgegenüber die Auffassung, dass Technikgebäude, Fahrbahnen, Hofbefestigungen, Parkplätze und Einfriedungen Grundstückseinrichtungen und damit unbewegliche Wirtschaftsgüter darstellten und somit nur linear gemäß § 7 Abs. 1 EStG abzuschreiben seien. Die Tankstellenüberdachung wertete das FA aufgrund des Berichts über die Außenprüfung (vom , Tz. 17) und noch in der Einspruchsentscheidung vom zunächst als Betriebsvorrichtung. Im Klageverfahren änderte das FA seine Auffassung hinsichtlich der Tankstellenüberdachung dahin, dass auch sie als Gebäude zu behandeln sei.
Die Klage blieb ohne Erfolg.
Das Hessische Finanzgericht (FG) entschied durch Urteil vom 4 K 4342/02, bei dem durch den Baukostenzuschuss erlangten Mitbenutzungsrecht der A an dem Tanklager handele es sich um ein immaterielles Wirtschaftsgut, das auch entgeltlich erworben worden sei. Als nicht bewegliches Wirtschaftsgut sei es in gleichen Jahresbeträgen unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 10 Jahren abzuschreiben.
Von der errichteten Selbstbedienungstankstelle entfalle —insbesondere im Hinblick auf die Tankstellenüberdachung— ein höherer als vom FA im angefochtenen Bescheid angesetzter Betrag auf das unbewegliche Vermögen bzw. die Gebäude, die lediglich linear abgeschrieben werden könnten. Wegen des zu beachtenden Verböserungsverbotes verbleibe es aber bei der vom FA insgesamt angesetzten (höheren) Absetzung für Abnutzung (AfA).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und die zutreffende Festsetzung der Einkommensteuer 1996.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass in Höhe des von der A geleisteten Baukostenzuschusses ein immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren und zeitanteilig abzuschreiben ist. Seine Entscheidung, die Tankstellenbedachung als Gebäude zu behandeln und abzuschreiben, hält jedoch einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Baukostenzuschuss
a) Gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist in den jeweiligen Bilanzen der A das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Diese „handelsrechtlichen” GoB ergeben sich vornehmlich aus §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).
b) Nach § 240 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann in seiner Bilanz für den Schluss eines Geschäftsjahres u.a. seine Vermögensgegenstände vollständig auszuweisen.
Die Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut stimmen inhaltlich überein, sie sind auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen und daher weit gespannt. Beide umfassen nicht nur Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, damit sämtliche Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt, die einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und jedenfalls mit dem Betrieb übertragen werden können (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632; , BFHE 183, 484, BStBl II 1997, 808; vom IV R 27/01, BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878, jeweils m.w.N.). Darunter fallen, wie die Regelungen der § 248 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 2 EStG erkennen lassen, grundsätzlich auch —nicht körperliche— immaterielle Wirtschaftsgüter.
Die der A eingeräumte Möglichkeit, Tankraum der S zu eigener betrieblicher Verwendung zu nutzen, begründet unbestritten einen Vorteil für den Betrieb, der einer besonderen Bewertung zugänglich ist und auch mit dem Betrieb übertragen werden kann. Ihrer Qualifikation als immaterielles Wirtschaftsgut steht nicht entgegen, dass dieser Nutzungsvorteil nicht auf dinglicher, sondern lediglich schuldrechtlicher (obligatorischer) Grundlage besteht.
c) Dieses immaterielle Wirtschaftsgut in Form des Nutzungsvorteils hat —wie § 248 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 2 EStG für dessen Aktivierbarkeit übereinstimmend voraussetzen— die A entgeltlich erworben.
aa) Das Erfordernis des entgeltlichen Erwerbs zu aktivierender immaterieller Wirtschaftsgüter ist eine Ausprägung des sich aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ergebenden Vorsichtsprinzips. Der Ansatz immaterieller Positionen setzt deren hinreichende Objektivierung dem Grunde und der Höhe nach voraus, um zu verhindern, dass nur schwierig oder nicht nachweisbare Werte Eingang in die Bilanz finden. Eine hinreichende Objektivierung ist nur auf der Grundlage geleisteter Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) im Rahmen eines entgeltlichen Leistungsaustauschs mit Außenstehenden oder eines gleichwertigen Vorgangs gegeben, nicht hingegen bei einer Bewertung auf der Grundlage interner Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 HGB) im eigenen betrieblichen Bereich (vgl. dazu Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., HGB § 248 Tz. 14; Förschle in Beck Bil-Komm., 6. Aufl., § 248 HGB Anm. 7 ff.; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 5 Rz. 191; Schreiber in Blümich, § 5 EStG Rz. 534, 540; Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 5 EStG Anm. 377; Wolffgang, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 5 Rdnr. C 85).
bb) Ein derartiges entgeltliches Austauschverhältnis ist im Streitfall gegeben. Der Vorteil der Nutzungsmöglichkeit des der S gehörenden Tanklagers ist der A gegen Leistung des vereinbarten Baukostenzuschusses eingeräumt worden. Dieser stellte daher das Entgelt für den Erwerb dieses Wirtschaftsguts durch die A dem Grunde nach dar. Der Streitfall ist, wie das FG zu Recht ausführt, nicht vergleichbar mit den Fällen von Aufwendungen für die Sicherung oder Verbesserung bereits bestehender Nutzungsrechte an (öffentlichen) Einrichtungen, die der Allgemeinheit und dem Gemeingebrauch zugänglich sind (vgl. dazu , BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687 —Verbesserung der Betriebszufahrt—; vom IV R 137/80, BFHE 140, 573, BStBl II 1984, 489 —Errichtung einer Fußgängerzone—; vom I R 130/78, BFHE 136, 409, BStBl II 1983, 38 —Erweiterung einer Kläranlage—; vom VIII R 249/80, BFHE 143, 50, BStBl II 1985, 289, und vom IV R 4/85, BFH/NV 1988, 229 —jeweils Verbesserung der Stromversorgung—).
cc) Der Annahme eines entgeltlichen Erwerbs i.S. des § 248 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 2 EStG widerspricht nicht, dass das immaterielle Wirtschaftsgut „Nutzungsvorteil” im Streitfall nicht bereits vor seiner Übertragung im Vermögen der S bestanden hat, sondern als solches erst mit der Einräumung durch die S begründet wurde (vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., HGB § 248 Tz. 15; Förschle in Beck Bil-Komm., § 248 HGB Anm. 10; Schreiber in Blümich, § 5 EStG Rz. 536; Wolffgang, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 5 Rdnr. C 87). Im Übrigen war das Nutzungsrecht bereits zuvor als Ausfluss des allgemeinen Eigentumsrechts der S begründet.
dd) Schließlich stehen der Aktivierung des Nutzungsrechts bei der A nicht die Grundsätze zur Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen, die während der Laufzeit eines gegenseitigen Rechtsverhältnisses den Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten verbieten (vgl. dazu etwa , BFHE 195, 567, BStBl II 2001, 758). Denn vorliegend bestand kein wiederkehrender Leistungsaustausch im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses (vgl. dazu Wolffgang, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 5 Rdnr. C 107). Vielmehr hat die A im Rahmen des der Einräumung des Nutzungsrechts zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ihre Leistung durch Zahlung des Baukostenzuschusses in voller Höhe erbracht; damit bestand insoweit kein schwebendes Geschäft mehr (, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126). Dies hat zur Folge, dass die A ihre daraus resultierende und realisierte Forderung in Form des Nutzungsrechts zu aktivieren hat.
Diesem Ergebnis steht auch nicht der weiter bestehende Lager- und Umschlagsvertrag entgegen, der die A der S gegenüber verpflichtete, über den Tank eine gewisse Mindestmenge umzuschlagen und monatlich ein bestimmtes Umschlagsentgelt zu zahlen. Denn die Leistung des Baukostenzuschusses durch die A war Gegenstand einer eigenständigen Verpflichtung. Ihr bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Lager- und Umschlagsvertragsverhältnis führt nicht zur bilanziell einheitlichen Beurteilung beider Rechtsverhältnisse.
2. Tankstellenüberdachung
a) Gemäß § 7 Abs. 1 EStG ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA in gleichen Jahresbeträgen). Nach § 7 Abs. 4 EStG sind bei den dort näher bezeichneten Gebäuden im Betriebsvermögen als AfA abweichend von § 7 Abs. 1 EStG allerdings jährlich 4 v.H. abzusetzen.
Bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens kann der Steuerpflichtige gemäß § 7 Abs. 2 EStG statt der AfA in gleichen Jahresbeträgen —nach einem näher bezeichneten Verfahren— die AfA in fallenden Jahresbeträgen bemessen (degressive AfA).
b) Zu den beweglichen Wirtschaftsgütern zählen u.a. „Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören” (Betriebsvorrichtungen). Der Begriff der Betriebsvorrichtung umfasst nicht nur Maschinen und maschinenähnliche Anlagen, sondern alle Teile einer Betriebsanlage, die in einer so engen Beziehung zu dem ausgeübten Gewerbebetrieb stehen, dass dieser unmittelbar mit ihnen betrieben wird (vgl. , BFHE 166, 176, BStBl II 1992, 278, m.w.N.; vom XI R 77/96, BFHE 183, 455, BStBl II 1997, 774). Grundvermögen, auch Gebäude, gehören allgemein nicht zu den beweglichen Wirtschaftsgütern. Davon ausgehend ist die erforderliche Abgrenzung beider Bereiche vom Gebäudebegriff her vorzunehmen (vgl. , BFHE 202, 376, BStBl II 2003, 693, m.w.N.).
Als Gebäude ist ein Bauwerk anzusehen, das Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137 —betreffend Investitionszulage—; , BFH/NV 1999, 909, m.w.N.). Das FG ist folglich zu Recht davon ausgegangen, dass die Herstellungskosten der Selbstbedienungstankstelle insoweit aufzuteilen sind, als zwischen Gebäuden als unbeweglichen und Betriebsvorrichtungen als beweglichen Wirtschaftsgütern zu unterscheiden ist. Dies gilt insbesondere für die Tankstellenüberdachung, die auch im angefochtenen Bescheid des FA als Betriebsvorrichtung behandelt worden ist.
c) Die Frage, ob ein Bauwerk als Gebäude oder als Betriebsvorrichtung zu beurteilen ist, kann nur unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden, die vornehmlich dem FG als Tatsacheninstanz obliegt. Im Streitfall hat das FG die Tankstellenüberdachung als Gebäude beurteilt. Diese Würdigung wird jedoch von den ihr zugrunde liegenden Feststellungen nicht getragen. Den Feststellungen der Vorinstanz ist zwar zu entnehmen, dass das streitige Tankstellendach fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist. Nicht hingegen lassen die Feststellungen des FG eine Beurteilung der Frage zu, ob die streitige Tankstellenbedachung —wie für die Annahme eines Gebäudes erforderlich— Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt. Hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals verweist die Vorinstanz lediglich darauf, dass das Dach „aufgrund seiner Größe” als Gebäude zu behandeln sei, ohne diese allerdings konkret zu bezeichnen.
d) Bei der Prüfung der Frage, ob eine Bedachung Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt, kann die Verkehrsanschauung nicht unberücksichtigt bleiben. Selbst wenn die Heranziehung einer in Bezug auf das gesamte Bauwerk geltend gemachten Verkehrsanschauung nicht in Betracht kommen sollte (, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517; vom III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612), kommt —wohl auch nach Ansicht des FG— einer bestehenden Verkehrsanschauung jedenfalls insoweit Bedeutung zu, als (wie vorliegend) zu beurteilen ist, ob ein bestimmtes Merkmal des Gebäudebegriffs gegeben ist (BFH-Urteil in BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137, m.w.N.; Brandis in Blümich, § 7 EStG Rz. 457; Nolde in HHR, § 7 EStG Anm. 320; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 7 Rdnr. A 265). Denn die Handhabung jedenfalls einzelner Merkmale des Gebäudebegriffs erfordert eine objektivierte und typisierende Betrachtung, wobei auch der funktionalen Bedeutung des Bauwerks Rechnung zu tragen ist (vgl. auch Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 7 Rz. 16). So ist im Beispielsfalle einer Tankstellenbedachung zu berücksichtigen, dass die Tankstelle in erster Linie der Versorgung von Fahrzeugen (im Streitfall Straßen- und Schienenfahrzeuge) mit Treibstoff und anderem dient und vornehmlich als diesem Zweck dienliche Fahrbahnüberdachung gestaltet sein muss.
e) Die geforderte räumliche Umschließung setzt zwar nicht zwingend voraus, dass das Bauwerk an allen Seiten von Außenwänden abgeschlossen wird (BFH-Urteil in BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137). Ist dies nicht der Fall, kann von einem hinreichenden Schutz gegen Witterungseinflüsse allerdings nur bei einem ausreichenden Überwiegen der Fläche des Daches im Vergleich zu dessen Höhe über Grund ausgegangen werden.
Dem entsprechend bestimmen die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder „betreffend Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen” vom (BStBl I 1992, 342 Rz. 7), dass „bei freistehenden schmalen Überdachungen und ähnlichen Schutzdächern ein Schutz durch räumliche Umschließung nicht angenommen werden kann, wenn ihre Breite nicht mindestens die doppelte mittlere lichte Höhe aufweist; sie sind deshalb keine Gebäude”. Aus dieser Verwaltungsregelung ist keine Selbstbindung der Verwaltung abzuleiten, die im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auch von den Gerichten zu berücksichtigen wäre; es handelt sich um eine norminterpretierende Regelung (vgl. dazu , BFH/NV 1998, 446, m.w.N.). Dennoch liegt ihr erkennbar eine bestehende Verkehrsanschauung hinsichtlich der Anforderungen an ein Gebäude als dem Schutz gegen Witterungseinflüsse dienend zugrunde, die es bei der Handhabung dieses Einzelmerkmals des typisierten Gebäudebegriffs —insbesondere mit dem Ziel einer gleichmäßigen Behandlung— zu berücksichtigen sind, und zwar über den Bereich des Bewertungsrechts hinaus auch für die ertragsteuerliche Behandlung (BFH-Urteil in BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137; Brandis in Blümich, § 7 EStG Rz. 457; Nolde in HHR, § 7 EStG Anm. 322; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 7 Rdnr. A 260).
Auch die Vorentscheidung stützt sich auf den genannten einheitlichen Ländererlass in BStBl I 1992, 342. Sie lässt aber nicht hinreichend erkennen, wie sie aufgrund der dort genannten Kriterien zu ihrem Ergebnis gelangt. Das FG verweist —im Zusammenhang mit der Wiedergabe des Vortrags des FA im Klageverfahren (S. 10 des Urteils)— lediglich auf eine Rechnung einer Fa. Bokemeyer Anlagebau (S. 74 der FG-Akte), in der die Länge der streitigen Fahrbahnüberdachung mit 14,2 m und die Breite mit 10 m bezeichnet ist; daneben ist dort die „Durchfahrtshöhe” mit 4,5 m angegeben. Die Durchfahrtshöhe einer Fahrbahnüberdachung entspricht aber nicht zwangsläufig der lichten Höhe eines Schutzdaches, auf die bei der Frage des von einem Dach Menschen gewährten Schutzes gegen Witterungseinflüsse abzustellen ist. Zudem wird in der genannten Rechnung die Auskragung (Hinausragen) der beiden Stützen der Überdachung mit 5 m angegeben. Die Klägerin ihrerseits geht —vom FA unwidersprochen— von einer mittleren lichten Höhe des Tankstellendaches von 5,5 m aus; damit wären die Kriterien des Gemeinsamen Ländererlasses in BStBl I 1992, 342 für die Annahme eines Gebäudes nicht erfüllt.
f) Schließlich ist bei der Beurteilung der Gebäudeeigenschaft eines Wirtschaftsguts durch das FG dessen bewertungsrechtliche Behandlung mit einzubeziehen.
Der Einheitswertbescheid i.S. des § 180 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) stellt im Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung von Wirtschaftsgütern keinen Grundlagenbescheid i.S. des § 182 Abs. 1 AO 1977 dar. Jedoch ist nach dem (BFHE 116, 560, BStBl II 1975, 874) über die Abgrenzung der wirtschaftlichen Untereinheiten eines Betriebsgrundstücks zum übrigen Betriebsvermögen im Rahmen der Einheitsbewertung des Grundstücks zu entscheiden. Von einem Vorrang der bewertungsrechtlichen Behandlung (vgl. Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 7 EStG Rz. 16; Brandis in Blümich, § 7 EStG Rz. 457; Nolde in HHR, § 7 EStG Anm. 316, 322) geht offensichtlich auch das Urteil in BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137 und ihm folgend übrigens auch die Vorentscheidung selbst aus. Auch in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR 1996) H 42 „Betriebsvorrichtungen” wird unter Bezugnahme auf § 68 Abs. 2 Nr. 2, § 99 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) und den einheitlichen Ländererlass in BStBl I 1992, 342 davon ausgegangen, dass bei der Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen von den Betriebsgrundstücken die allgemeinen Grundsätze des Bewertungsrechts zugrunde zu legen sind.
Die Klägerin macht geltend, dass im Einheitswertbescheid auf den die streitige Tankstellenbedachung als Betriebsvorrichtung behandelt worden sei. Dieses Vorbringen wird durch den Akteninhalt insoweit bestätigt, als im bezeichneten Bescheid die Bedachung als Außenanlage nicht den Gebäuden zugerechnet worden und im zugrunde liegenden Sachwertermittlungsbogen vermerkt ist, dass „Tanksäulen und Überdachung Betriebsvorrichtungen” darstellten.
g) Mit der vorstehenden Entscheidung weicht der Senat nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137 ab, auf die das FG vornehmlich abstellt. In diesem Urteilsfall hat der BFH entschieden, es könne offen bleiben, ob unter Bezugnahme auf die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder in BStBl I 1992, 342 ein Schutz gegen Witterungseinflüsse durch räumliche Umschließung bei freistehenden Tankstellendächern schon dann angenommen werden könne, wenn die Breite des Daches dessen doppelte lichte Höhe übersteige. Denn jedenfalls erreiche das Tankstellendach der Klägerin (im dortigen Urteilsfall) mit einer Fläche von über 400 qm eine Größe, bei der —unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und vor dem Hintergrund seiner betrieblichen Funktion— Menschen und Sachen ein hinreichender Schutz gegen Witterungseinflüsse durch räumliche Umschließung gewährt werde. Im Streitfall ist hingegen über eine Tankstellenüberdachung zu urteilen, deren Fläche jedenfalls eine Größenordnung von 150 qm nicht überschreitet.
3. Nach alledem war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit es im zweiten Rechtsgang den vorstehenden Grundsätzen entsprechend die für eine Zuordnung der streitigen Tankstellenüberdachung zu den Betriebsvorrichtungen oder den Gebäuden noch notwendigen Feststellungen trifft und den Streitfall erneut entscheidet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1812 Nr. 10
DB 2007 S. 18 Nr. 27
EStB 2006 S. 370 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 22/2006 S. 884
HAAAB-92629