Besondere Überwachungspflicht des Geschäftsführers in der Krise der Gesellschaft
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit Gründung der GmbH & Co. KG (KG) im Jahre 1998 —zunächst zusammen mit weiteren Gründungsgesellschaftern— Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Auf Betreiben der Gläubigerbank wurde durch Gesellschafterbeschluss vom ein Beirat unter dem Vorsitz eines Steuerberaters errichtet, der Kontroll- und Mitbestimmungsfunktionen, insbesondere im kaufmännischen Bereich, erhielt.
Am legten die übrigen Geschäftsführer der GmbH ihr Amt nieder; im Januar 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und der Komplementär-GmbH eröffnet.
Mit Bescheid vom nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Kläger als Geschäftsführer für offene Lohn- und Kirchensteuer sowie Säumniszuschläge der Anmeldungszeiträume Juli bis September 2001 gemäß §§ 191 i.V.m. 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in Haftung.
Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger darauf berief, durch die Errichtung des Beirats und die dem Vorsitzenden übertragenen Kompetenzen sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, die Verpflichtungen gegenüber dem FA selbst zu erfüllen, vielmehr habe er sich auf die Aufgabenerfüllung durch den Beiratsvorsitzenden verlassen müssen und dürfen, blieben erfolglos.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, das Finanzgericht (FG) habe die Besonderheiten des Einzelfalls nicht hinreichend ermittelt, insbesondere unberücksichtigt gelassen, dass der Beiratsvorsitzende aufgrund der ihm übertragenen Aufgaben insbesondere im Verhältnis zur Gläubigerbank der tatsächliche Geschäftsführer gewesen sei, auf dessen Aufgabenerfüllung er sich angesichts seiner Kompetenz als Steuerberater habe verlassen können und müssen.
II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Der Kläger hat keinen der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
Das Vorbringen zur vermeintlich unzureichenden Sachverhaltsermittlung genügt den Anforderungen an eine Verfahrensrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 FGO nicht. Mangelnde Sachaufklärung wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn ausgeführt wird, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (, BFH/NV 2001, 926, m.w.N.). Daran fehlt es. Der Kläger lässt unberücksichtigt, dass das FG seine Haftung unbeschadet der konkreten Aufgabenverteilung innerhalb der Gesellschaft darauf gestützt hat, dass bereits aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer die Pflicht erwächst, die steuerliche Pflichterfüllung der Gesellschaft zu überwachen und dass diese Überwachungspflicht gerade dann verstärkt ausgeprägt ist, wenn er selbst aus der Erfüllung dieser Pflichten verdrängt wird.
2. Die Einwendungen des Klägers richten sich in der Art einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils; er setzt seine Rechtsauffassung, dass er auf die Aufgabenerfüllung des Beiratsvorsitzenden haftungsbefreiend habe vertrauen dürfen, an Stelle derjenigen des FG. Das vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen (BFH-Beschlüsse vom VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, und vom II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625, jeweils m.w.N.).
Die Entscheidung des FG ist im Übrigen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass insbesondere in Fällen drohender Insolvenz —wie im Streitfall— eine Haftungsbegrenzung selbst dann nicht eintritt, wenn mehrere Geschäftsführer untereinander Aufgabenverteilung vereinbart haben, vielmehr besteht sogar eine besondere Überwachungspflicht. Gerade in der finanziellen Krise lebt die uneingeschränkte Gesamtverantwortung jedes einzelnen Geschäftsführers wieder auf (Senatsentscheidungen vom VII R 46/02, BFHE 202, 22, BStBl II 2003, 556, und vom VII B 260/99, BFH/NV 2001, 413). Dieser Grundsatz muss auch dann gelten, wenn nicht ein Vertreter nach § 34 AO 1977, sondern eine andere Person mit der Wahrnehmung steuerlicher Angelegenheiten betraut wird. Befindet sich die Gesellschaft in der Krise und werden wie im Streitfall über mehrere Monate keine Lohnsteuern entrichtet, kann in der Regel von einem Überwachungsverschulden des gesetzlichen Vertreters ausgegangen werden (Senatsbeschluss vom VII B 296/04, BFH/NV 2005, 1753, m.w.N.).
Daran ändert auch nichts, dass dem als Steuerberater sachkundigen Beiratsvorsitzenden nach dem Vorbringen des Klägers die kaufmännische Aufsicht über den Betrieb übertragen worden sein soll. Alleiniger Geschäftsführer und damit verantwortlich für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der KG war im Streitzeitraum gleichwohl der Kläger. Wenn er sich durch die als „Inthronisierung” bezeichnete Aufgabenübertragung auf den Beiratsvorsitzenden von der Wahrnehmung seiner Geschäftsführerpflichten ausgeschlossen meinte, hätte er nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats das Amt eines Geschäftsführers sofort niederlegen müssen, um sich vor einer Haftung abzusichern (vgl. , BFH/NV 2006, 246). Schließlich ist der vom Kläger selbst als Konkurrenzsituation bezeichnete Sachverhalt nicht mit einer —den Geschäftsführer haftungsrechtlich entlastenden (vgl. dazu Senatsurteil vom VII R 101/92, BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278)— Fallgestaltung vergleichbar, in der ein steuerrechtlich nicht vorgebildeter Geschäftsführer sich eines Steuerberaters zur Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Fiskus bedient.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1441 Nr. 8
GmbHR 2006 S. 894 Nr. 16
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2007 S. 3630
OAAAB-89200