Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 2 K 493/99
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die behaupteten Verfahrensverstöße durch das Finanzgericht (FG) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Klägerin meint, das FG habe gegen die aus § 76 Abs. 2 FGO folgende Prozessförderungspflicht dadurch verstoßen, dass es trotz Nachfrage ihres Prozessbevollmächtigten keinen Hinweis erteilt habe, wie es im Streitfall den Umfang, die Art und Weise und den Inhalt der von ihm verlangten nachprüfbaren Unterlagen definiere. Auch habe es keinen Gutachter oder Steuerberater mit der Überarbeitung der von ihr vorgelegten Buchführungsunterlagen betraut, obwohl dies —angesichts der zugunsten der Klägerin bewilligten Prozesskostenhilfe (PKH)— nur dem Gericht möglich gewesen sei.
a) Der richterliche Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO soll in erster Linie zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens, zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten geben, ohne dass indes deren Eigenverantwortlichkeit dadurch eingeschränkt oder beseitigt wird. Der Vorsitzende hat deshalb im Rahmen seiner richterlichen Prozessförderungs- und Fürsorgepflichten u.a. darauf hinzuweisen, dass Formfehler beseitigt und sachdienliche Anträge gestellt werden. Der Erfolg einer Klage soll nicht an der Rechtsunerfahrenheit des Klägers, zumal in Formsachen, scheitern (, BFH/NV 1992, 609).
Inhalt und Umfang der aus § 76 Abs. 2 FGO folgenden Hinweispflichten sind indes von der Sach- und Rechtslage des einzelnen Falles abhängig, von der Mitwirkung der Beteiligten und von deren individuellen Möglichkeiten. Die Hinweispflichten entfallen zwar auch bei fachkundig vertretenen Beteiligten nicht von vornherein (, BFH/NV 1994, 790, m.w.N.). Jedoch stellt das Unterlassen eines Hinweises regelmäßig bei steuerlich beratenen und durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten keine Verletzung der Pflichten aus § 76 Abs. 2 FGO dar, es sei denn, es würden besondere Umstände, die eine Ausnahme von dieser Regel erforderten, dargelegt (BFH-Beschlüsse vom VII B 231/00, BFH/NV 2001, 1012, und vom II B 107/01, BFH/NV 2003, 182, jeweils m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin hat in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 1992 Vorsteuerbeträge in Höhe von 32 477,40 DM, in der Jahreserklärung 1992 hingegen in Höhe von 142 346,23 DM geltend gemacht. Diese Differenz konnte durch die während des finanzgerichtlichen Verfahrens vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung lediglich in Höhe von 6 939,63 DM aufgeklärt werden. Vorgelegte Zahlungserinnerungen, Belege mit dem Rechnungsdatum 1993, Rechnungen, deren Empfänger eine andere Firma war oder in denen der Rechnungsempfänger nicht eindeutig bezeichnet wurde, sind vom FA nicht berücksichtigt worden. Anlässlich einer Akteneinsicht erläuterte das FA dem Prozessbevollmächtigten und dem Ehemann der Klägerin, dass die festgestellten Mängel der Belege auch Auswirkungen auf die Berücksichtigung des erklärten Gewerbeverlusts hätten. Im Erörterungstermin vom wies der Berichterstatter des FG darauf hin, dass die bei der Staatsanwaltschaft befindlichen Belege bei der Umsatzsteuersonderprüfung bereits berücksichtigt worden seien und eine Änderung des Umsatzsteuerbescheids 1992 und des Gewinnfeststellungsbescheids für das Jahr 1992 nicht in Betracht kommen dürfte, weil Mahnungen sowie Belege mit Rechnungsdaten aus dem Jahr 1993 keine Änderung der angefochtenen Bescheide rechtfertigen würden. Da die Klägerin trotz dieses Hinweises keine weiteren Unterlagen vorgelegt hat, gab ihr der Vorsitzende mit Verfügung vom auf, durch Vorlage nachprüfbarer Unterlagen konkret zu belegen, dass ihr Gewinn im Streitjahr unter 0 DM und die festzusetzende Umsatzsteuer unter 99 258 DM gelegen habe. Hierfür setzte er der Klägerin gemäß § 79b Abs. 2 FGO eine Frist bis zum ; auf die Folgen einer Fristversäumnis nach § 79b Abs. 3 FGO wies er hin. Die Verfügung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am zugestellt. Aufgrund des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin verlängerte das FG die Schriftsatzfrist antragsgemäß bis . Einen weiteren Fristverlängerungsantrag, in dem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zudem um Mitteilung bat, ob das Gericht einen Gutachter bestellen werde oder ob er die gesammelten und bereitgestellten Unterlagen übersenden solle, lehnte das FG ab.
Angesichts dieses Verfahrensablaufs musste der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten klar sein, dass die Übersendung von zwei „Pappkisten” mit Originalunterlagen sowie diversen Buchungsunterlagen (so die Bezeichnung im Begleitschreiben vom ) nicht der Forderung des FG, durch nachprüfbare Unterlagen konkret zu belegen, dass ihr Gewinn im Streitjahr unter 0 DM und die festzusetzende Umsatzsteuer unter 99 258 DM gelegen habe, entsprach. Eines Hinweises des FG nach § 76 Abs. 2 FGO bedurfte es nicht.
Zudem kann das FG auch in Fällen, in denen PKH gewährt wurde, nicht einen Gutachter mit der Erstellung der Bilanz betrauen. PKH wird u.a. dafür gewährt, dass ein Prozessvertreter im finanzgerichtlichen Verfahren tätig wird. Die Bewilligung von PKH bewirkt, dass Gerichtskosten nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend gemacht werden können und auch die beigeordneten Rechtsanwälte keine Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei haben (§ 142 FGO i.V.m. § 122 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Für die Beiordnung eines Steuerberaters zum Zweck der Erstellung einer Steuererklärung bzw. Aufstellung einer Bilanz anhand der vom Kläger vorgelegten Belege gibt es jedoch keine Rechtsgrundlage.
2. Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge (, BFH/NV 2000, 597). An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG am ergibt sich kein Hinweis, dass die Klägerin das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr hat ihr Klägervertreter rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben kann.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1507 Nr. 8
SAAAB-87982