BFH Beschluss v. - XI B 119/04

Verbindlichkeitsrückstellung bei verlustreichem Liefervertrag

Gesetze: EStG § 5 Abs. 4a

Instanzenzug:

Gründe

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte im September 2000 einen Heizöl-Liefervertrag über 1 320 000 l Heizöl abgeschlossen. Davon sollten jeweils 330 000 l im November und Dezember 2000 sowie im Januar und Februar 2001 zum Preis von jeweils 0,798 DM/l, 0,788 DM/l, 0,777 DM/l und 0,766 DM/l geliefert werden. Zur Jahreswende sanken die Ein- und Verkaufspreise. Der Kläger nahm die vereinbarten Mengen zeitlich gestreckt ab und ersetzte sie z.T. durch den Bezug von Diesel. Bei der Bilanzaufstellung bildete er eine gewinnmindernde Rückstellung in Höhe von 180 000 DM; dies entsprach der Differenz des vereinbarten Einkaufspreises und der jeweiligen Markteinkaufspreise in 2001 bezogen auf die bereits bestellten und in 2001 noch abzunehmenden Heizölmengen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—), lehnte die Bildung einer Rückstellung ab. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit ihrer Beschwerde machen die Kläger geltend, die Revision sei wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Der Anwendungsbereich für Verbindlichkeitsrückstellungen müsse nach dem betriebswirtschaftlichen Verursachungsprinzip zu Lasten des § 5 Abs. 4 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) erweitert werden. Die Verluste seien mit der Vergangenheit verknüpft und als Erfüllungsrückstand hinsichtlich des früheren günstigen Einkaufs und des bereits in 2000 erzielten Gewinns anzusehen. Außerdem sei das FG von Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen.

Das FA hat den Einkommensteuerbescheid zwischenzeitlich wiederholt (nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG) geändert (Änderungsbescheide vom 28. September und ). Die Änderungsbescheide enthalten den Hinweis, das Verfahren sei nicht erledigt.

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der geänderte Bescheid vom geworden. Er ist nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Stelle des bislang angefochtenen Bescheids getreten. Im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde folgt aus dem Erlass eines Änderungsbescheids nicht ohne weiteres, dass das Urteil des FG aus formellen Gründen aufzuheben wäre. Eine Aufhebung kommt in diesem Verfahren nur unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 6 FGO ( juris Nr: STRE200351020), oder dann in Betracht, wenn sich der Sach- und Streitstand verändert hat und der ursprüngliche Bescheid zu Lasten der Kläger geändert wurde (vgl. , BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237). Dies ist hier nicht der Fall.

Gemäß § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision müssen innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).

a) Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen.

Das FG ist weder von Rechtssätzen des BFH abgewichen noch hat der BFH in einem Fall, dessen Sachverhalt mit demjenigen des Streitfalls vergleichbar ist (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Beschlüsse vom III B 55/00, BFH/NV 2001, 1430, und vom VII B 147/98, BFH/NV 2000, 92), eine andere Entscheidung geschaffen. Dem angefochtenen Urteil lag vielmehr ein anderer Sachverhalt zugrunde als den Urteilen des BFH, die die Kläger zur Begründung ihrer Divergenzrüge anführen.

In der Entscheidung vom I R 45/97 (BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121) war der dortigen Klägerin durch eine Verfügung des Gewerbeaufsichtsamts die Umrüstung ihres Spänetrockners aufgegeben worden. Die Bildung der Rückstellung konnte sich damit —bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen— aus einer aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen begründeten (einseitigen) Verpflichtung ergeben. Im Streitfall handelt es sich hinsichtlich der noch ausstehenden Liefermengen dagegen um gegenseitige Verträge, bei denen grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der beiden Gegenleistungen auszugehen ist (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 5 Rz. 456). Im (BFHE 207, 205) war das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen eines Vertragspartners gestört; die vom Kläger an den dort streitigen Bilanzstichtagen noch zu erfüllende vertragliche Verpflichtung, Lebensversicherungsverträge nach deren Abschluss zu betreuen und abzuwickeln, war Teil der Gegenleistung für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen und bereits ausbezahlten Provisionsansprüche. Im Streitfall kann dagegen weder von einer Vorleistung noch von einem Erfüllungsrückstand eines der Vertragspartner gesprochen werden; der Abnahmeverpflichtung des Klägers entspricht die Lieferverpflichtung seines Vertragspartners. Das Risiko einer von der in der Vereinbarung zugrunde gelegten abweichenden Preisentwicklung traf im Prinzip sowohl den Kläger als auch seinen Vertragspartner.

b) Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die von den Klägern bezeichnete Rechtsfrage könnte im Streitfall nicht in einem Revisionsverfahren geklärt werden. Sie begehren die Klärung der Rechtsfrage, ob der Anwendungsbereich für Verbindlichkeitsrückstellungen im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nach dem betriebswirtschaftlichen Verursachungsprinzip zu Lasten des § 5 Abs. 4 a EStG erweitert werden müsse, um zu gewährleisten, dass wirtschaftlich bereits eingetretene Verluste auch erfolgsmindernd verbucht werden könnten. Aus dem Vorbringen der Kläger ergibt sich aber nicht, dass es ihnen im Streitfall verwehrt gewesen wäre, wirtschaftlich bereits eingetretene Verluste steuerlich erfolgsmindernd zu verbuchen.

Nach den Feststellungen des FG war aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht zu erkennen, ob aus der für das Jahr 2001 eingegangenen Abnahmeverpflichtung aufgrund der vereinbarten Festpreise sich in 2001 Gewinne oder Verluste erzielen lassen würden. Dies hing vielmehr von der weiteren Preisentwicklung im Jahre 2001 ab. Aus den Darlegungen der Kläger ergibt sich nicht, dass es aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht möglich gewesen wäre, dass die Preise in 2001 wieder steigen oder zumindest zunächst unverändert bleiben würden und damit die Wiederverkaufspreise über den Bezugspreisen liegen konnten. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum mit einer Kaufverpflichtung regelmäßig Verluste verbunden sein sollten. Auch der —unsubstantiierte— Hinweis der Kläger auf verfassungsrechtliche Bedenken geht damit ins Leere. Im Ergebnis wollen die Kläger die erst aufgrund der Preisentwicklung in 2001 eingetretenen Verluste des Jahres 2001 bereits als Verluste des Einkaufsjahres behandeln.

Ob ein fiktiver Erwerber allein wegen der Abnahmeverpflichtung möglicherweise einen Abschlag vorgenommen hätte, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich, weil die Abnahmeverpflichtung als Teil eines am schwebenden Geschäfts nicht zu bilanzieren war.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 930 Nr. 5
DB 2007 S. 26 Nr. 27
TAAAB-79633