EuGH Urteil v. - C-41/04

Verkauf und Anpassung von Standard-Software ist eine einheitliche Leistung

Leitsatz

[1]

Ein Unternehmer, der zuvor entwickelte (auf einen Datenträger gespeicherte) Standard-Software verkauft und an die speziellen Bedürfnisse des Erwerbers anpasst, erbringt eine einheitliche Leistung. Ist die Anpassung aufgrund ihres Umfangs, ihrer Kosten oder ihrer Dauer entscheidend dafür, dass der Erwerber die Software nutzen kann, liegt insgesamt eine „Dienstleistung” und keine Lieferung vor. Der Leistungsort bestimmt sich in diesem Fall nach § 3a Abs. 4 Nr. 3 i. V. mit Abs. 3 UStG – Leistung eines Ingenieurs – (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL).

Gesetze: Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 2;Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 5;Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 6;Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 9

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf)

Gründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 2 Absatz 1, 5 Absatz 1, 6 Absatz 1 und 9 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der steuerlichen Einheit Levob Verzekeringen BV und OV Bank NV (im Folgenden: Levob) und dem Staatssecretaris van Financïen (Staatssekretär für Finanzen) über die Zahlung von Mehrwertsteuer für verschiedene Vorgänge, zu denen der Erwerb von Software, ihre anschließende Anpassung an die Bedürfnisse von Levob, ihre Installierung und eine Schulung des Personals von Levob in ihrem Gebrauch gehören.

Rechtlicher Rahmen

3. Artikel 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2. die Einfuhr von Gegenständen."

4. Nach Artikel 5 Absatz 1 dieser Richtlinie gilt "[a]ls Lieferung eines Gegenstands ... die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen".

5. Artikel 6 Absatz 1 derselben Richtlinie bestimmt:

"Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.

..."

6. Artikel 9 der Sechsten Richtlinie lautet:

"(1) Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird ...

(2) Es gilt jedoch

...

e) als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:

- ...

- ...

- Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstige ähnliche Leistungen sowie die Datenverarbeitung und die Überlassung von Informationen,

..."

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

7. Levob, die ihren Sitz in Amersfoort (Niederlande) hat, übt eine Versicherungstätigkeit aus. Am schloss sie einen Vertrag (im Folgenden: Vertrag) mit der in den Vereinigten Staaten ansässigen Firma Financial Data Planning Corporation (im Folgenden: FDP).

8. In dem Vertrag verpflichtete sich FDP, Levob ein Computerprogramm zu überlassen, das sie bei Versicherungsgesellschaften in den Vereinigten Staaten vermarktet (im Folgenden: Basissoftware). Gegen eine Gebühr von 713 000 USD, wovon 101 000 USD bei der Unterzeichnung des Vertrages zu zahlen waren und der Rest in 17 Monatsraten von 36 000 USD, erhielt Levob an dieser Software eine nicht übertragbare und unbefristete Lizenz. Die Gebühr war getrennt von den anderen aufgrund des Vertrages geschuldeten Beträgen in Rechnung zu stellen. In dem Vertrag war weiter geregelt, dass die Lizenz in den Vereinigten Staaten beginnt und dass Levob die Ware in die Niederlande einführt.

9. Das vorlegende Gericht führt dazu aus, dass die Datenträger mit der Basissoftware Levob von FDP im Gebiet der Vereinigten Staaten übergeben und anschließend von bei Levob Beschäftigten in die Niederlande eingeführt worden seien.

10. Außerdem sah der Vertrag vor, dass FDP die Basissoftware anpasst, damit Levob sie für die Verwaltung der von ihr vermarkteten Versicherungsverträge nutzen kann. Es ging im Wesentlichen um die Übersetzung des Programms ins Niederländische und um Änderungen, die vorgenommen werden mussten, weil in den Niederlanden im Rahmen derartiger Versicherungsverträge Vermittler tätig werden. Der Preis für diese Anpassung sollte von den endgültigen, von den Parteien im Laufe der Durchführung des Vertrages festzulegenden Einzelheiten abhängen und innerhalb einer Spanne von mindestens 793 000 USD und höchstens 970 000 USD liegen.

11. Ferner verpflichtete sich FDP, gegen zwei Zahlungen von jeweils 7 500 USD die Basissoftware und ihre Anpassung im EDV-System von Levob zu installieren und die dort Beschäftigten fünf Tage lang zu schulen. Schließlich sah der Vertrag auch vor, dass die Parteien die angepasste Software einer Gesamtabnahmeprüfung unterziehen.

12. Die Anpassung der Basissoftware, ihre Installierung und die vereinbarte Schulung fanden zwischen 1997 und 1999 statt.

13. Levob wies die für die Basissoftware gezahlten Beträge in ihren Umsatzsteuererklärungen nicht aus. Am beantragte sie bei der Steuerverwaltung den Erlass eines Nacherhebungsbescheids in Bezug auf die für die Anpassung und die Installierung der genannten Software sowie die Schulung durch FDP gezahlten Beträge.

14. Die Steuerverwaltung war der Ansicht, dass die von FDP erbrachte Dienstleistung in einer einheitlichen Leistung bestanden habe, die die angepasste Software betroffen habe, und erließ Steuerbescheide über sämtliche von Levob aufgrund des Vertrages gezahlten Beträge.

15. Nachdem die von Levob beim Gerechtshof te Amsterdam erhobene Klage mit Urteil vom abgewiesen worden war, legte sie gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein. Levob stützt ihr Rechtsmittel insbesondere auf die Rüge, dass der Gerechtshof te Amsterdam die Lieferung der Basissoftware und ihre Anpassung als einheitlichen steuerbaren Vorgang angesehen und diesen überdies als "Dienstleistung" eingestuft habe. Die Überlassung der Basissoftware sei jedoch eine Lieferung eines Gegenstands.

16. Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. a) Sind die Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 in Verbindung mit 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie so auszulegen, dass die Überlassung von Software wie in der vorliegenden Rechtssache und unter den dafür geltenden Bedingungen - wobei für die vom Lieferanten entwickelte und in den Verkehr gebrachte Standard-Software, gespeichert auf einem Träger, einerseits und deren nachfolgende Anpassung an die Bedürfnisse des Käufers andererseits getrennte Entgelte vereinbart werden - als Erbringung einer einheitlichen Leistung betrachtet werden kann?

b) Falls diese Frage bejaht wird: Sind diese Bestimmungen dann so auszulegen, dass diese Leistung als eine einheitliche Dienstleistung zu betrachten ist (in der die Lieferung des Gegenstands, des Trägers, aufgeht)?

c) Wenn die letzte Frage bejaht wird, ist dann Artikel 9 der Sechsten Richtlinie (Fassung bis ) so auszulegen, dass diese Dienstleistung an dem in Artikel 9 Absatz 1 erwähnten Ort erbracht wird?

d) Falls die vorhergehende Frage verneint wird, welcher Buchstabe von Artikel 9 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie ist dann anwendbar?

2. a) Falls die Frage 1. a) verneint wird, sind dann die in dieser Frage genannten Bestimmungen so auszulegen, dass die Überlassung der nicht angepassten Software auf dem Träger als Lieferung eines Gegenstands zu betrachten ist, für den der vereinbarte gesonderte Preis die Gegenleistung im Sinne von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie darstellt?

b) Falls diese Frage verneint wird, ist dann Artikel 9 der Sechsten Richtlinie so auszulegen, dass die Dienstleistung an dem in Absatz 1 dieses Artikels genannten Ort oder an den in Absatz 2 genannten Orten erbracht wird?

c) Gilt für die Dienstleistung der Anpassung der Software das Gleiche wie für die Überlassung der Standard-Software?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage, Buchstaben a und b

17. Mit seiner ersten Frage, Buchstaben a und b, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob zum Zweck der Mehrwertsteuererhebung die Überlassung einer von einem Lieferanten entwickelten und in den Verkehr gebrachten, auf einem Datenträger gespeicherten Standard-Software und die anschließend vom Lieferanten vorgenommene Anpassung dieser Software an die besonderen Bedürfnisse des Erwerbers gegen Zahlung getrennter Preise unter Umständen wie im Ausgangsverfahren als zwei getrennte Leistungen anzusehen sind oder als eine einheitliche Leistung und ob im letztgenannten Fall diese einheitliche Leistung als Dienstleistung einzustufen ist.

18. Einleitend ist darauf zu verweisen, dass die Frage nach dem Umfang eines Umsatzes aus mehrwertsteuerlicher Sicht sowohl für die Lokalisierung des Ortes der steuerbaren Umsätze als auch für die Anwendung des Steuersatzes oder gegebenenfalls der in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen von besonderer Bedeutung ist (Urteil vom in der Rechtssache C 349/96, CPP, Slg. 1999, I 973, Randnr. 27).

19. Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, ist bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung und ob im letztgenannten Fall diese einheitliche Leistung als Dienstleistung einzustufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom in der Rechtssache C 231/94, Faaborg Gelting Linien, Slg. 1996, I 2395, Randnrn. 12 bis 14, und CPP, Randnrn. 28 und 29).

20. Da sich zum einen aus Artikel 2 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie ergibt, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, und da zum anderen ein Umsatz, der in einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung besteht, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf, sind somit erstens die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher, wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt (vgl. entsprechend Urteil CPP, Randnr. 29).

21. Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine einheitliche Leistung insbesondere dann vorliegt, wenn ein Teil oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen (Urteile CPP, Randnr. 30, und vom in der Rechtssache C 34/99, Primback, Slg. 2001, I 3833, Randnr. 45).

22. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher, wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

23. Zwar ist es im Rahmen der mit Artikel 234 EG errichteten Zusammenarbeit Sache der nationalen Gerichte, festzustellen, ob es sich in einem konkreten Fall so verhält, und dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen. Doch hat der Gerichtshof diesen Gerichten alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die für die Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können.

24. Was das Ausgangsverfahren anbelangt, so liegt entsprechend den Feststellungen des Gerechtshof te Amsterdam, dessen Entscheidung Gegenstand der bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Kassationsbeschwerde ist, der wirtschaftliche Zweck eines Umsatzes, wie ihn FDP und Levob getätigt haben, darin, dass ein Steuerpflichtiger einem Verbraucher eine speziell an dessen Bedürfnisse angepasste einsatzfähige Software überlässt. Wie die niederländische Regierung zu Recht ausgeführt hat, wäre es insoweit wirklichkeitsfremd, anzunehmen, dass ein solcher Verbraucher bei ein und demselben Lieferanten zunächst eine bestehende Software erworben hat, die in diesem Zustand jedoch für seine wirtschaftliche Tätigkeit nutzlos war, und erst später die Anpassungen, die diese Software erst nützlich werden ließen.

25. Der in der Frage hervorgehobene Umstand, dass für die Überlassung der Basissoftware und deren Anpassung vertraglich getrennte Preise vereinbart wurden, ist nicht ausschlaggebend. Denn dieser Umstand ändert weder etwas an der in Bezug auf die genannte Überlassung und die Anpassung gerade aufgezeigten objektiven engen Verbindung noch daran, dass diese zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil CPP, Randnr. 31).

26. Folglich ist Artikel 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass eine solche Überlassung von Software und ihre spätere Anpassung in mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht grundsätzlich als einheitliche Leistung anzusehen sind.

27. Was zweitens die Frage betrifft, ob eine solche einheitliche komplexe Leistung als Dienstleistung einzustufen ist, so verlangt sie eine Bestimmung der dominierenden Bestandteile dieser Leistung (vgl. u. a. Urteil Faaborg Gelting Linien, Randnr. 14).

28. Dafür sind neben der Bedeutung der Anpassungen der Basissoftware, die vorgenommen wurden, damit diese für die vom Erwerber ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten verwendet werden kann, auch der Umfang, die Dauer und die Kosten dieser Anpassungen relevant.

29. Aufgrund dieser verschiedenen Kriterien hat der Gerechtshof te Amsterdam zu Recht angenommen, dass eine einheitliche Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie vorliegt, da diese Kriterien tatsächlich den Schluss zulassen, dass die Anpassungen keinesfalls unbedeutend oder nebensächlich, sondern vielmehr von ausschlaggebender Bedeutung sind, da sie dafür entscheidend sind, dass der Erwerber die von ihm erworbene an seine besonderen Bedürfnisse angepasste Software nutzen kann.

30. Nach alledem ist die erste Frage, Buchstaben a und b, wie folgt zu beantworten:

- Artikel 2 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein Steuerpflichtiger für einen Verbraucher, wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv ein Ganzes bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, alle diese Handlungen oder Elemente in mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht eine einheitliche Leistung darstellen;

- das ist bei einem Umsatz, bei dem ein Steuerpflichtiger einem Verbraucher eine zuvor entwickelte und in den Verkehr gebrachte, auf einem Datenträger gespeicherte Standard-Software überlässt und anschließend an die besonderen Bedürfnisse dieses Erwerbers anpasst, auch dann der Fall, wenn dafür zwei getrennte Preise gezahlt werden;

- Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass eine solche einheitliche Leistung als "Dienstleistung" einzustufen ist, wenn die fragliche Anpassung weder unbedeutend noch nebensächlich, sondern vielmehr von ausschlaggebender Bedeutung ist; das ist insbesondere dann der Fall, wenn diese Anpassung angesichts von Umständen wie ihrem Umfang, ihren Kosten oder ihrer Dauer entscheidend dafür ist, dass der Erwerber eine auf ihn zugeschnittene Software nutzen kann.

Zur ersten Frage, Buchstaben c und d

31. Mit der ersten Frage, Buchstaben c und d, möchte das vorlegende Gericht wissen, an welchem Ort eine einheitliche Dienstleistung wie die, auf die sich die Antwort auf die erste Frage, Buchstaben a und b, bezieht, erbracht wird.

32. Artikel 9 der Sechsten Richtlinie enthält insoweit Regeln zur Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts. Während in Absatz 1 eine allgemeine Regel niedergelegt ist, enthält Absatz 2 eine Reihe besonderer Anknüpfungspunkte. Durch diese Bestimmungen sollen Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, sowie die Nichtbesteuerung von Einnahmen verhindert werden (vgl. u. a. Urteil vom in der Rechtssache C 452/03, RAL [Channel Islands] u. a., Slg. 2005, I 0000, Randnr. 23 und die dort zitierte Rechtsprechung).

33. Zum Verhältnis zwischen den ersten beiden Absätzen von Artikel 9 der Sechsten Richtlinie hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Absatz 1 keinen Vorrang gegenüber Absatz 2 hat. In jedem Einzelfall stellt sich vielmehr die Frage, ob eine der Bestimmungen des Artikels 9 Absatz 2 einschlägig ist; andernfalls gilt Absatz 1 (Urteil RAL [Channel Islands] u. a., Randnr. 24 und die dort zitierte Rechtsprechung).

34. Daher lässt sich insbesondere nicht vertreten, dass Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie als Ausnahme von einer Regel eng auszulegen ist (Urteil vom 15. März 2001 in der Rechtssache C 108/00, SPI, Slg. 2001, I 2361, Randnr. 17).

35. Demnach ist zu prüfen, ob ein Umsatz wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Artikel 9 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie unterfallen kann.

36. Das vorlegende Gericht fragt sich insoweit, ob Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich der genannten Richtlinie anwendbar ist, der den steuerlichen Anknüpfungsort für "Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstige ähnliche Leistungen sowie die Datenverarbeitung und die Überlassung von Informationen" festlegt. Es möchte insbesondere wissen, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz als "Datenverarbeitung und ... Überlassung von Informationen" im Sinne dieser Bestimmung einzustufen ist. In ihren Erklärungen gegenüber dem Gerichtshof unterstützen sowohl die niederländische Regierung als auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine derartige Auslegung.

37. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, dass sich Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie nicht auf Berufe wie Anwalt, Berater, Buchprüfer oder Ingenieur bezieht, sondern auf Leistungen, die von diesen Personen erbracht werden oder die den von diesen Personen erbrachten Leistungen ähnlich sind. Der Gemeinschaftsgesetzgeber verwendet die in dieser Bestimmung angeführten Berufe, um die von ihr erfassten Arten von Leistungen zu definieren (Urteil vom in der Rechtssache C 145/96, von Hoffmann, Slg. 1997, I 4857, Randnr. 15).

38. Dazu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Informatik, darunter die Programmierung und Entwicklung von Software, in der Ausbildung angehender Ingenieure bedeutenden Raum einnimmt und häufig sogar eine der verschiedenen Spezialisierungen darstellt, die ihnen während dieser Ausbildung angeboten werden.

39. Eine Leistung wie die Anpassung von Software an die besonderen Bedürfnisse eines Verbrauchers kann demnach sowohl von Ingenieuren vorgenommen werden als auch von anderen Personen mit einer Ausbildung, die sie dazu befähigt.

40. Daraus folgt, dass eine solche Leistung zu den Leistungen gehört, die von Ingenieuren erbracht werden, oder zu denen, die Ingenieurleistungen ähnlich sind.

41. Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage, Buchstaben c und d, zu antworten, dass Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er auf eine einheitliche Dienstleistung wie die, auf die sich die Antwort auf die erste Frage, Buchstaben a und b, bezieht, Anwendung findet, wenn sie einem innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird.

Zur zweiten Frage

42. Die zweite Frage ist nur für den Fall gestellt worden, dass die erste Frage, Buchstabe a, verneint wird. Da diese Frage bejaht wurde, ist die zweite Frage nicht zu prüfen.

Kostenentscheidung:

Kosten

43. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Fundstelle(n):
AAAAB-79447

1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg