Rüge der unterlassenen Befragung eines Zeugen; Gesamtergebnis des Verfahrens
Gesetze: FGO § 76, FGO § 96, FGO § 116
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb als Einzelunternehmer eine Berufsbildungseinrichtung insbesondere zur Schulung von Augenoptikern. Er gewährte im Mai 1992 ein Darlehen über 200 000 DM, das sechs Wochen später mit dem doppelten Betrag zurückgezahlt werden sollte. Der Kläger trug vor, er habe sich mit dem Darlehen den Zugang zu Krediten in Millionenhöhe zur Errichtung einer Steuerfachschule eröffnen wollen. Es kam weder zur Gewährung von Krediten noch zur Rückzahlung des Darlehens. Die Darlehensnehmerin —eine (damalige) Steuerberaterin— teilte als Zeugin in der mündlichen Verhandlung u.a. mit, dass sie nach ihrer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von…Jahren…Jahre inhaftiert war und…entlassen wurde. Der Kläger machte den Verlust des Darlehensbetrages vergeblich als Betriebsausgabe geltend.
II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, weil die von ihm gerügten Verfahrensmängel nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt wurden.
Dies gilt sowohl für die Rüge des Klägers, das Finanzgericht (FG) habe seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) wie für die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO).
1. Zur Begründung der Rüge, das FG haben gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen, hat der Kläger u.a. ausgeführt, das FG habe Aussagen der vernommenen Zeugin sowie deren besondere Rolle nicht berücksichtigt und seine (des Klägers) Erklärungen nicht beachtet. Weiter sei nicht erkennbar, worauf das FG seine Schlussfolgerung stütze, dass hinsichtlich der Errichtung eines Schulungszentrums „kein konkret ausgereiftes Planungsstadium vorgelegen habe”. Schließlich gebe der Akteninhalt nichts für die Annahme des FG her, das Handeln der Zeugin sei ein Mosaikstein eines groß angelegten Betrugsmanövers gewesen und dass er dies hätte erkennen können.
a) Mit diesen Ausführungen vermochte der Kläger nicht —wie geboten— schlüssig und substantiiert darzulegen, dass das FG seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen habe.
b) Zwar verpflichtet § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das FG, den gesamten Prozessstoff vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Jedoch gebietet § 96 FGO nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat (, BFH/NV 2000, 673, m.w.N.). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als das FG die vom Kläger als nicht berücksichtigt oder nicht beachtet bezeichneten Umstände im Tatbestand durch Wiedergabe seines Vorbringens aufgenommen und ausdrücklich auch auf die Beweisaufnahme Bezug genommen hat.
c) Im Kern rügt der Kläger also die Beweiswürdigung des FG als fehlerhaft. Besonders deutlich wird dies bei dem Vorwurf, das FG habe die besondere Rolle der Zeugin (als in Aussicht genommene Mitunternehmerin und zugleich als Mittelsperson bei der Beschaffung der angestrebten Kredite zum Aufbau der Steuerfachschule) nicht berücksichtigt, und durch die Auffassung des Klägers, der Akteninhalt gebe nichts für die Annahme des FG her, das Handeln der Zeugin sei ein Mosaikstein eines groß angelegten Betrugsmanövers gewesen und dass er dies hätte erkennen können. Bei diesen Schlussfolgerungen des FG handelt es sich um dessen Würdigung und Beurteilung des Sachverhalts, wie er sich dem FG durch das Vorbringen der Prozessbeteiligten und durch die Aussage der Zeugin dargestellt hat. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind indessen revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und der Prüfung durch den BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82, m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
2. Mit dem Vorbringen, das FG habe seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären verletzt, weil es die Zeugin nicht nach etwaigen privaten Beziehungen zum Kläger gefragt habe, erfüllt der Kläger die Anforderungen an eine schlüssige Rüge des Verfahrensmangels der verletzten Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht.
a) Die unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch das FG gehört zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln. Rügt der Beschwerdeführer die unterlassene Befragung eines Zeugen in einem aus seiner Sicht bedeutsamen Punkt, muss er in der Beschwerdeschrift darlegen, weshalb er dies nicht bereits in der mündlichen Verhandlung beanstandet hat bzw. aus welchen Gründen es ihm nicht möglich war, den Zeugen selbst zu diesem Punkt zu befragen (vgl. Senatsbeschluss vom X B 5/02, juris Nr: STRE200251162).
b) Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, warum er —obwohl er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG fachkundig vertreten war— diese Frage nicht selbst der Zeugin gestellt hat bzw. warum ihm dies nicht möglich gewesen war. Auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergibt sich weder eine solche Rüge noch die Tatsache, dass dem Prozessbevollmächtigten die Befragung der Zeugin verwehrt worden wäre.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 794 Nr. 4
XAAAB-77572