Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte am zum für den vom Finanzgericht (FG) als Kläger behandelten M einen verbleibenden Verlustvortrag von 5 337 185 DM fest. Am ... März 1995 wurde über das Vermögen des M das Konkursverfahren eröffnet; zum Konkursverwalter wurde Rechtsanwalt L bestellt.
Anlässlich einer betriebsnahen Veranlagung für die Jahre 1992 und 1993 wurden die von M geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäften —auch für 1990— anders aufgeteilt. Dadurch verringerte sich auch der gesondert festgestellte Verlustvortrag zum . Der geänderte Bescheid erging am , die teilweise stattgebende Einspruchsentscheidung am . Der Feststellungsbescheid war an M, die Einspruchsentscheidung (zugegangen am ) an die Erbin des M gerichtet. M war im August 1998 verstorben.
Mit der Klage beantragte der Rechtsanwalt H für „M, vertreten durch den Nachlasskonkursverwalter L” die Feststellung eines höheren Verlustvortrags zum . Die innerhalb der Klagefrist eingereichte Prozessvollmacht für H war von L in eigenem Namen ohne Vertretungszusatz unterschrieben. H wies später darauf hin, dass die Klage für L erhoben worden sei. Zur Sache vertrat er die Ansicht, der geänderte Feststellungsbescheid sei erst nach dem und damit nach Ablauf der Feststellungsfrist zur Post gegeben worden; er sei —zusammen mit dem geänderten Einkommensteuerbescheid 1990— erst am bei ihm eingegangen.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Sie sei im Namen des M und nicht —wie erforderlich— im Namen des Nachlasskonkursverwalters erhoben worden; sie sei deshalb unzulässig. Im Übrigen sei das Gericht davon überzeugt, dass der angegriffene Verlustfeststellungsbescheid rechtzeitig vor Ablauf des Jahres 1997 vom FA abgesandt worden sei. Der Feststellungsbescheid sei auch wirksam geworden; er sei zutreffend an die Erbin gerichtet gewesen und zutreffend dem Nachlasskonkursverwalter bekannt gegeben worden. Schließlich sei auch die Schätzung nicht zu beanstanden, weil weder M noch L für eine Aufteilung der Werbungskosten hinreichende Belege vorgelegt hätten und die Schätzung keinen Beurteilungsfehler erkennen lasse (Urteil vom 6 K 6255/01, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 1067).
Gegen diese Entscheidung hat L Revision eingelegt. Das FG habe die Klageschrift unzutreffend ausgelegt. Der angefochtene Feststellungsbescheid sei unwirksam, weil er während des Konkursverfahrens ergangen sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den verbleibenden Verlustabzug zum mit 5 337 185 DM festzusetzen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Klage ist wirksam erhoben.
Die Klageschrift ist dahin gehend auszulegen, dass Kläger Rechtsanwalt L als Nachlasskonkursverwalter für M ist. Die Klageschrift ist eine prozessuale Willenserklärung; es ist deshalb der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB— analog, vgl. u.a. , BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306). Dabei sind alle vernünftigerweise erkennbaren Umstände mitzuberücksichtigen. Das gilt jedenfalls für Umstände, die dem FG vor Ablauf der Klagefrist bekannt geworden sind (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 65 Rz. 13, m.w.N.). Dazu gehört im Streitfall auch die innerhalb dieser Frist beim FG eingegangene, vom Konkursverwalter im eigenen Namen und ohne Vertretungszusatz ausgestellte Vollmacht, aus der sich im Zusammenhang mit dem Inhalt der Klageschrift hinreichend deutlich ergibt, dass der Prozess im Interesse des Nachlasses des M geführt werden sollte.
2. Der angefochtene Feststellungsbescheid und die Einspruchsentscheidung waren unwirksam; beide Bescheide hätten nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des M nicht mehr ergehen dürfen.
Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom I R 11/97 (BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428) ausgeführt, dass das FA nach Eröffnung des Konkursverfahrens bis zum —ggf. besonderen— Prüfungstermin Steuern, die zur Konkurstabelle anzumelden sind, nicht mehr festsetzen darf und dass dies auch für Bescheide gilt, in denen ausschließlich Besteuerungsgrundlagen ermittelt und festgestellt werden, die ihrerseits die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, die zur Konkurstabelle anzumelden sind; das Feststellungsverfahren werde durch die Konkurseröffnung unterbrochen. Er hat diese Entscheidung inzwischen mehrfach bestätigt (so u.a. auch —für die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung— im Urteil vom VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246). Für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d des Einkommensteuergesetzes gilt nichts anderes (, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630 für die verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer). Auf die dort (unter II.2.d der Gründe) erwogene Ausnahme ist hier nicht einzugehen; der Konkursverwalter hat die Fortsetzung des Feststellungsverfahrens zugunsten der Erbin des M nicht beantragt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 12 Nr. 1
FAAAB-69131