Instanzenzug:
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1994 bis 1996, wegen Gewerbesteuermessbetrag 1994 bis 1996 sowie wegen Einstellung der Vollstreckung auf Grund mündlicher Verhandlung vom zum ganz überwiegenden Teil abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.
Das FG-Urteil wurde der Klägerin am zugestellt. Hiergegen hat sie durch ihren Prozessbevollmächtigten innerhalb der Frist nach § 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und darauf hingewiesen, die Begründung solle einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben. Auf Grund eines fristgerecht eingereichten Antrags wurde die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom Vorsitzenden des erkennenden Senats bis zum verlängert. Mit Schreiben vom zeigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an, dass er am das Mandat niedergelegt habe und die Klägerin nicht mehr von ihm vertreten werde. Die Geschäftsstelle des erkennenden Senats teilte dem früheren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom mit, dass die Kündigung des Vollmachtsvertrags gemäß § 62a, § 155 FGO i.V.m. § 87 der Zivilprozessordnung (ZPO) erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten Wirksamkeit erlange und ein neuer Prozessbevollmächtigter bislang nicht bestellt worden sei. Ein Abdruck dieses Schreibens an den Prozessbevollmächtigten wurde der Klägerin übersandt. Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am und somit nach Ablauf der Frist nach § 116 Abs. 3 FGO, begründete die neue Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beschwerde, die sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache und Verfahrensfehler stützt. Auf den Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats auf den verspäteten Eingang der Beschwerdebegründung und auf § 56 FGO hat sie mit Schreiben vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung trägt die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor: Am habe sie den Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung fertig gestellt und ihrem zuverlässigen Mitarbeiter mit der Weisung übergeben, die Absendung noch am selben Tag zu veranlassen. Nach der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters der Prozessbevollmächtigten hat dieser auftragsgemäß den Brief mit der Beschwerdebegründung am gegen 17.30 Uhr am Schalter des Hauptpostamtes in C einer Postangestellten übergeben und ausdrücklich nachgefragt, ob ein sofortiger Versand erfolgen werde, damit die Zustellung spätestens am gewährleistet sei.
Mit Schreiben vom hatte der frühere Berater der Klägerin Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten gestellt und am eine Faxkopie der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nachgereicht.
II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO).
1. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung darf nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. etwa Beschluss vom VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822, m.w.N.). Ist, wie im Streitfall, das Ziel der Rechtsverfolgung die Zulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil und hat der Beteiligte bereits durch eine vor dem BFH zur Vertretung berechtigte Person als Bevollmächtigten fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese auch fristgerecht begründet, erstreckt sich die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten durch den BFH darauf, ob in der Beschwerdeschrift ein Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ordnungsgemäß dargelegt ist ( (PKH), BFH/NV 2003, 1077).
2. Nach diesen Maßstäben kann der Klägerin PKH nicht bewilligt werden.
Es kann offen bleiben, ob der Klägerin wegen der versäumten Frist für die Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 FGO) nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, obwohl ihre Bevollmächtigte nicht durch Vorlage eines Postausgangsbuches oder einer sonstigen, zeitnah zu der angeblich rechtzeitigen Absendung der Beschwerdebegründung gefertigten schriftlichen Notiz über diesen Vorgang die zeitgerechte Absendung der Beschwerdebegründung nachgewiesen hat (vgl. hierzu , BFH/NV 1998, 1231). Denn die Beschwerde wäre auch dann, wenn der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt würde, unzulässig, weil nicht nach Maßgabe des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt ist, dass die Voraussetzungen für die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FGO vorliegen.
Die Klägerin hat die von ihr im Beschwerdeverfahren behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die behaupteten Verfahrensfehler bei summarischer Prüfung nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH muss der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache —abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall ihrer Offenkundigkeit— schlüssig darlegen. Eine solche schlüssige Darlegung erfordert, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt und substantiiert darauf eingeht, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Anm. 32, m.w.N.; ferner Beermann, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2001, 312, 315, m.w.N.).
Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin bei kursorischer Prüfung nicht.
aa) Die Klägerin hat sich darauf beschränkt auszuführen, der Streitfall habe grundsätzliche Bedeutung, da bislang keine Entscheidung darüber ergangen sei, ob die Begründung eines Steuerverwaltungsakts auch dann nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nachgeholt werden könne, wenn dem Steuerpflichtigen aus der verspäteten Begründung Nachteile im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) erwachsen seien. Diese Frage ist im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig, auch wenn der Klägerin der Bericht über die Außenprüfung erst während des Einspruchsverfahrens bekannt gegeben worden sein sollte. Da im finanzgerichtlichen Verfahren wegen der angefochtenen Steuerfestsetzungen die Feststellungen der Außenprüfung, die Grundlage für die Hinzuschätzungen nach § 162 AO 1977 waren, der Klägerin unstreitig bekannt waren, ist die aufgeworfene Rechtsfrage im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Sie könnte allenfalls im AdV-Verfahren geklärt werden.
bb) Soweit die Klägerin weiter geltend macht, „die Begründung des FG hinsichtlich einer mangelnden Chronologie der Kassebuchführung der Klägerin” sei klärungsbedürftig und von grundsätzlicher Bedeutung, erhebt sie Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese können im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht zum Erfolg führen (Senatsbeschluss vom X B 167/03, BFH/NV 2004, 1262). Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf auch der Terminus „Chronologie” keiner höchstrichterlichen Klärung, weil —wie die Klägerin selbst einräumt— damit die kalendarisch fortlaufende Abfolge von Ereignissen und Vorgängen bezeichnet wird.
b) Auch die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen bei kursorischer Prüfung nicht vor.
aa) Soweit die Klägerin rügt, das Protokoll über die mündliche Verhandlung sei unvollständig und unrichtig, genügt dies zur Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht. Die Klägerin hätte insoweit im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde u.a. vortragen müssen, dass das Gericht die Aufnahme bestimmter Äußerungen und Anträge in das Protokoll abgelehnt habe (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 ZPO) und sie oder ihr Prozessbevollmächtigter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, die Berichtigung des Protokolls zu beantragen (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 107/97, BFH/NV 1998, 859; vom III B 67/99, BFH/NV 2000, 1091; vom VI B 168/00, BFH/NV 2001, 464). Ihren —als sofortige Beschwerde bezeichneten— Schriftsatz vom , den sie trotz eines entsprechenden richterlichen Hinweises im weiteren Schreiben vom nicht entsprechend konkretisiert hat, hat das FG zu Recht im Beschluss vom nicht als Antrag auf Protokollberichtigung gewertet.
bb) Falls die Klägerin mit dem Vorwurf, sie habe an Beratungen zwischen dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) und FG nicht teilnehmen dürfen, geltend machen will, die Entscheidung der Vorinstanz sei durch einen oder mehrere als befangen abzulehnende Richter getroffen worden, kann sie damit im Beschwerdeverfahren wegen der Nichtzulassung der Revision nicht gehört werden. Denn die Besorgnis der Befangenheit kann nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung innerhalb des dafür vorgesehenen Zwischenverfahrens (vgl. § 51 FGO i.V.m. § 42 ZPO) geltend gemacht werden (BFH-Beschlüsse vom X B 119/90, BFH/NV 1991, 331, und vom IV B 114/97, BFH/NV 1999, 57, m.w.N.). Ausweislich der Akten des FG und des Sitzungsprotokolls hat die Klägerin ein entsprechendes Ablehnungsgesuch im FG-Verfahren nicht gestellt. Im Übrigen wurde der von der Klägerin als Anlage BF 5 vorgelegte Vermerk nicht im anhängigen Verfahren erstellt und aus ihm ergibt sich lediglich, dass das FA dem FG den Schriftsatz vom nicht mit der Post übermittelt, sondern in der Sitzung vom übergeben hat. Der Inhalt der beigelegten Verwaltungsakte (AdV in Höhe eines Teilbetrags) war der Klägerin bekannt.
cc) Das FG hat auch keine Überraschungsentscheidung erlassen und dadurch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Eine solche Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen (oder tatsächlichen) Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (, BFH/NV 2004, 1421, m.w.N.).
Im Streitfall hatte die Klägerin ausreichend Gelegenheit, sich schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung zu den vom FA vorgenommenen Zuschätzungen und den ungeklärten Bareinzahlungen zu äußern. Zudem dürfte die Verfahrensrüge auch nicht ordnungsgemäß erhoben worden sein, denn die Klägerin hat nicht dargelegt, was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (vgl. , BFH/NV 2000, 861).
3. Insgesamt ist bei der gebotenen summarischen Prüfung kein Grund für eine Zulassung der Revision erkennbar, so dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Entscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stellt der Senat bis vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zurück, um der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen zu prüfen, ob sie ggf. ihre Beschwerde zur Vermeidung des Anfalls höherer Gerichtskosten zurücknehmen möchte.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Fundstelle(n):
YAAAB-52316