Bewertung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden bei unentgeltlicher Nutzung des Grundstücks durch den Gebäudeeigentümer und bestehendem Vorkaufsrecht
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt von ihrem Lebensgefährten am einen 1/2-Miteigentumsanteil an einem im Gebäudegrundbuch von X verzeichneten Gebäude (Einfamilienhaus) geschenkt. Das Grundstück, auf dem das Gebäude steht, war ursprünglich als Eigentum des Volkes im Grundbuch eingetragen. Der Lebensgefährte der Klägerin hatte ein Kaufbegehren für das Grundstück mit Antrag vom registrieren lassen. Das Grundstück wurde nach dem Beitritt der neuen Bundesländer dem Land Berlin eigentumsmäßig zugeordnet. Die zeitlich unbegrenzte Benutzung des Grundstücks durch die Gebäudeeigentümer erfolgte unentgeltlich. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte erwarben das Grundstück am vom Land Berlin zu dem ihnen vom früheren Magistrat von Berlin zugesagten Preis von 971,25 DM.
Auf Anforderung des Erbschaftsteuerfinanzamts stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Wert des von der Klägerin erworbenen 1/2-Miteigentumsanteils am Gebäude mit 90 000 DM gegenüber der Klägerin gesondert fest. Das FA bewertete den Anteil am Gebäudeeigentum als „Gebäude auf fremdem Grund und Boden” nach § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Als „Wert des Grundstücks” i.S. von § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG setzte es den Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG an, weil der von ihm im vereinfachten Ertragswertverfahren gemäß § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelte Wert für das gesamte Grundstück (103 680 DM) niedriger war, als der Wert für das unbebaute Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG (180 000 DM).
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, der Wert des Grundstücks müsse bei der Bewertung unberücksichtigt bleiben, und beantragte, den von ihr erworbenen Anteil am Gebäudeeigentum mit 26 000 DM zu bewerten, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führt in seiner klageabweisenden Entscheidung aus, dass die Bewertung des FA der gesetzlichen Regelung in § 148 BewG entspreche. Soweit die Klägerin den festgestellten Wert als zu hoch ansehe, habe sie Gelegenheit gehabt, einen niedrigeren gemeinen Wert durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens nachzuweisen, dieses aber in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich abgelehnt. Im Übrigen sei der Klägerin nicht nur das anteilige Gebäudeeigentum geschenkt worden. Vielmehr habe die Klägerin auch das Recht miterworben, das Grundstück unbefristet unentgeltlich (mit-)zu benutzen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin unzutreffende Auslegung von § 148 Abs. 2 sowie der §§ 145 ff. BewG und macht geltend, § 148 Abs. 2 BewG verstoße gegen Art. 14 des Grundgesetzes (GG), weil sie Schenkungsteuer auf einen Grundstückswertanteil von 90 000 DM zahlen müsse, obwohl ihr tatsächlich nur ein Gebäudewertanteil in Höhe von höchstens 26 000 DM geschenkt worden sei. Im Ergebnis werde mehr als 50 v.H. des tatsächlich geschenkten Gebäudewertanteils aufgezehrt. Das FG habe seine Auffassung, sie, die Klägerin, habe mehr erhalten als nur den Gebäudeanteil und müsse deshalb eine höhere Bewertung nach dem Grundstückswert in Kauf nehmen, nicht näher rechtlich begründet. Der spätere Erwerb des Grundstücks vom Land Berlin besage nicht, dass sie hierauf auch einen Anspruch gehabt habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sich das Land Berlin ein 30-jähriges Vorkaufsrecht zu dem vereinbarten Kaufpreis von 971,25 DM vorbehalten habe. Da über 30 Jahre der Kaufpreis auf 971,25 DM festgeschrieben sei, sei dies der Verkehrswert des Grund und Bodens. Eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für das unbebaute Grundstück bedürfe es deshalb nicht. Maßgebend sei der sich nach dem Ertragswertverfahren ergebende Wert des Gebäudeanteils, der nach ihrer (der Klägerin) Berechnung 26 000 DM betrage.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen den Wert des Gebäudeanteils auf 26 000 DM (13 293,59 €) herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deswegen zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass für die Bewertung des von der Klägerin erworbenen Anteils am Gebäudeeigentum § 148 Abs. 2 i.V.m. § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG maßgebend ist.
a) Nach § 148 Abs. 2 BewG ist Abs. 1 der Vorschrift für Gebäude auf fremdem Grund und Boden entsprechend anzuwenden. Das Gebäude, an dem die Klägerin einen (Mit-)Eigentumsanteil erworben hat, ist ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden, weil es bereits zivilrechtlich einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens gehört und damit auch steuerrechtlich einem anderen, nämlich der Klägerin und ihrem Lebensgefährten, zuzurechnen ist.
b) Für die Bewertung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden ist somit die Regelung über die Ermittlung des Werts des Erbbaurechts, zu dessen wesentlichen Bestandteilen die auf dem Erbbaugrundstück errichteten Gebäude gehören, entsprechend anzuwenden. Danach ergibt sich der (Steuer-)Wert für das Gebäude auf fremdem Grund und Boden aus der Differenz zwischen dem nach § 146 oder § 147 BewG zu ermittelnden Wert für das gesamte Grundstück (also Grundstück und Gebäude) abzüglich des kapitalisierten Ertragswerts für das mit dem Gebäude auf fremdem Grund und Boden bebaute Grundstück, der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG das 18,6fache der nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Nutzungsvergütung beträgt.
c) Ein Rechtsfehler des FG, das die Entscheidung des FA bestätigt hat, bei der Anwendung dieser Vorschrift ist im Streitfall nicht erkennbar. Der Wert des gesamten (bebauten) Grundstücks nach § 146 Abs. 2 ff. BewG wurde vom FA zutreffend mit 180 000 DM und der auf die Klägerin entfallende Teil mit 90 000 DM ermittelt. Auch die Klägerin hat keine Gründe dargetan, aus denen sich ergibt, dass diese Wertermittlung rechtsfehlerhaft ist. Sie hat insbesondere keinen niedrigeren gemeinen Wert nach § 146 Abs. 7 bzw. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG nachgewiesen. Soweit die Klägerin meint, der „nachgewiesene” Verkehrswert des Grund und Bodens betrage im Hinblick auf das bestehende Vorkaufsrecht nur 971,25 DM, kann dem nicht gefolgt werden. Denn dingliche Vorkaufsrechte gehören nicht zu den Umständen, die den gemeinen Wert eines Grundstücks beeinflussen; sie sind vielmehr als persönliche Verhältnisse anzusehen, die nach § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BewG nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 9 BewG Anm. 31 unter 2.). Da die Klägerin es in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausdrücklich abgelehnt hat, einen niedrigeren gemeinen Wert durch Sachverständigengutachten nachzuweisen, durfte das FG im Rahmen seiner Wertermittlung nach § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG den auf der Grundlage der Bodenrichtwerte ermittelten Mindestwert für das Grundstück zugrunde legen.
d) Das FA hat auch zutreffend von dem Wert für das gesamte Grundstück (Grundstück und Gebäude) keinen weiteren Abzug für den Wert des Grundstücks vorgenommen, sondern hat den Wert nach § 146 Abs. 2 ff. BewG ungekürzt angesetzt. Denn ein zu kapitalisierender Ertrag für das Grundstück war nicht vorhanden, weil die Gebäudeeigentümer für die Benutzung des Grundstücks kein Nutzungsentgelt zu entrichten brauchten. Ein Abzugsposten lag somit im Streitfall nicht vor.
2. Die Klägerin wird durch den Ansatz des anteiligen Werts für das gesamte Grundstück (Grundstück und Gebäude) nicht in ihren Rechten verletzt. Die auf Pauschalierung und Typisierung beruhende Regelung in § 148 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BewG erweist sich als sachgerecht, soweit sie im Ergebnis dazu führt, dass bei „ertraglosen” Grundstücken, d.h. in den Fällen, in denen die Gebäudeeigentümer die Grundstücke unentgeltlich nutzen können, das Gebäude auf fremdem Grund und Boden mit dem (Steuer-)Wert für das gesamte Grundstück angesetzt wird. Denn kann ein Gebäudeeigentümer den Grundstückseigentümer —wie im Streitfall— von der Einwirkung auf das Grundstück unbefristet und ohne Vergütung hierfür rechtlich ausschließen, schlägt sich das im Wert des Gebäudeeigentums nieder. Der Erwerber von Gebäudeeigentum erhält in diesen Fällen nichts Zusätzliches, wie das FG gemeint hat, aber wertmäßig mehr, als er erhalten würde, wenn das Nutzungsrecht (nur) entgeltlich eingeräumt worden wäre.
3. Das Vorbringen der Klägerin, die Anwendung des § 148 Abs. 2 BewG auf den Streitfall verstoße gegen Art. 14 GG, weil es im Falle der Berücksichtigung des festgestellten Werts von 90 000 DM bei der Erbschaftsteuerfestsetzung zu einer Übermaßbesteuerung komme, ist schon deshalb unbegründet, weil allein die Behauptung, der tatsächliche Wert des Gebäudeanteils habe höchstens 26 000 DM betragen, nicht ausreicht.
Die Typisierung, die der Bewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden nach § 138 Abs. 3 i.V.m. § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BewG zugrunde liegt, rechtfertigt zwar keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall. Deshalb hat der Senat durch Urteil vom II R 45/01 (BFHE 204, 570, Deutsches Steuerrecht 2004, 1212) zur Bewertung eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks entschieden, dass bei einem Verstoß des sich nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ergebenden Werts gegen das Übermaßverbot eine verfassungskonforme Auslegung des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG dahin möglich und geboten ist, entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks in unbebautem Zustand zuzulassen.
Den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für den Gebäudeanteil hat die Klägerin aber nicht geführt, einen solchen vielmehr für entbehrlich gehalten und einen Nachweis ausdrücklich abgelehnt. Ein solcher Nachweis kann im Übrigen weder durch den Hinweis der Klägerin, die Vertragsbeteiligten hätten im Kaufvertrag den Verkehrswert auf anteilig 25 000 DM festgesetzt, noch durch eine Ertragswertberechnung auf der Grundlage der Absätze 2 bis 5 des § 146 BewG geführt werden.
Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 121 i.V.m. § 90a Abs. 1 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 505
BFH/NV 2005 S. 505 Nr. 4
EAAAB-42539