Schrittweise Übertragung eines 50 v. H.-Anteils an einer Gemeinschaftspraxis; Rüge unzureichender Sachaufklärung
Gesetze: AO § 39 Abs. 2; FGO § 115
Instanzenzug:
Gründe
I. Streitig ist, ob die 50 %-Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis schrittweise über mehrere Jahre oder sogleich in voller Höhe und unter gleichzeitiger Vereinbarung eines auf acht Jahre laufenden Eigentumsvorbehalts übertragen wurde.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 165). Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seine Einzelpraxis aufgenommene Partner sei von Anfang an wirtschaftlicher Eigentümer i.S. des § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) an dem hälftigen Praxisanteil geworden. Die Regelung des § 24 des Gemeinschaftsvertrags vom und der Änderungsvereinbarung vom hätten nur den Modalitäten des vereinbarten Eigentumsvorbehalts und schrittweisen zivilrechtlichen Eigentumsübergangs gegolten. Eine Vernehmung des Dr. X als Zeugen „dafür, dass schon im Streitjahr eine Vereinbarung wie in der Zusatzvereinbarung zum Gemeinschaftspraxisvertrag niedergelegt bestanden habe” sei nicht erforderlich, weil die Vereinbarung als tatsächlich getroffen unterstellt werde. In der Akte des FG-Verfahrens befindet sich kein Protokoll der mündlichen Verhandlung.
Die Kläger begründen ihre Nichtzulassungsbeschwerde mit Verfahrensfehlern des FG. Insbesondere machen sie geltend, das FG habe auf die Beweiserhebung nicht verzichten dürfen, weil ihr in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag inhaltlich über den vom Gericht als wahr unterstellten Sachverhalt hinausgegangen sei. Ihr Antrag habe gelautet: „Zum Beweis dafür, dass die Anteile an der Praxis lediglich in Bruchteilen übergehen sollten auf den Praxiserwerber beantrage ich die Vernehmung von Dr. X als Zeugen. Der Zeuge soll insbesondere bekunden, dass die beiden Ärzte sich inhaltlich so geeinigt haben, wie das in der Zusatzvereinbarung vom festgehalten worden ist.”
II. Die Beschwerde ist begründet.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und begründet (§ 116 Abs. 3 FGO). Die Kläger haben Verfahrensfehler dargelegt, auf denen das Urteil des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Nach §§ 116 Abs. 1, 115 Abs. 2 FGO ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Nach § 116 Abs. 3 FGO müssen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision dargelegt werden (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 25 f.). Wird ungenügende Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 FGO und Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß § 96 FGO durch Nichterhebung von angebotenen Beweisen gerügt, müssen zur ausreichenden Bezeichnung des Verfahrensmangels insbesondere die angeblich übergangenen Beweismittel einschließlich der Beweisthemen sowie die genaue Stelle angegeben werden, an der die Beweise angetreten worden sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, vgl. , nicht veröffentlicht, juris; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 50, § 119 Rz. 16 „Gesamtergebnis des Verfahrens”, § 120 Rz. 69).
b) Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung. Die Rüge der Kläger scheitert im Streitfall auch nicht daran, dass sich in der Akte des FG kein Protokoll über die mündliche Verhandlung befindet.
Im Streitfall ist unstreitig, dass die Kläger den Beweisantrag hinsichtlich der Vereinbarung eines Eigentumsübergangs (nur) in Bruchteilen tatsächlich gestellt haben. Auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) bestätigt in seiner Erwiderung ausdrücklich, die Kläger hätten diesen Beweisantrag wörtlich so zu Protokoll gegeben. Dass der Antrag insoweit nicht im Urteil selbst wiedergegeben wird und nicht auszuschließen ist, dass das FG den Antrag möglicherweise nur teilweise zur Kenntnis genommen hat, ist demgegenüber unbeachtlich; das Urteil kann nicht das fehlende Protokoll ersetzen. So hat der BFH auch im Urteil vom III R 63/98 (BFH/NV 2001, 1028) die Vorentscheidung aufgehoben, die eine in wesentlichen Teilen unvollständig protokollierte Zeugenaussage verwertete, auch dort wurde das fehlerhafte Protokoll nicht durch das Urteil ersetzt.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen vor. Das FG hat den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt; es hat gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es die beantragte Zeugeneinvernahme unterlassen hat, obwohl hierzu Anlass bestand.
a) Das FG hat gemäß § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu erheben. Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das angebotene Beweismittel für die zu treffende Entscheidung untauglich ist, wenn es auf die Beweistatsache —nach Auffassung des FG— nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird (, BFH/NV 1996, 906; vom II R 39/94, BFH/NV 1996, 757).
b) Das FG hat die Vernehmung des Zeugen zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, es unterstelle als wahr, dass zwischen den Praxispartnern eine Vereinbarung bestanden habe, wie sie in der Zusatzvereinbarung niedergelegt war. Es hat damit nur einen Teil der von den Klägern aufgestellten und durch den Zeugen zu belegenden Behauptungen als wahr unterstellt (vgl. , BFH/NV 1995, 314).
Der Zeuge war zum Beweis dafür benannt worden, dass zum einen die beiden Ärzte sich so geeinigt haben, wie das in der Zusatzvereinbarung vom festgehalten ist und zum anderen, dass die Anteile an der Praxis nach dem Willen der Vertragsparteien in Bruchteilen übergehen sollten. Das FG hat lediglich den ersten Punkt als wahr unterstellt und auch nur insoweit den Beweisantrag im Urteil aufgeführt. Hinsichtlich des Eigentumsübergangs ist es in Abweichung von der Behauptung der Kläger zu der Überzeugung gelangt, dass der Partner bereits 1993 eine 50 %-Beteiligung erhalten habe. Die Kläger hatten demgegenüber durch den Zeugen beweisen wollen, es sei vereinbart gewesen (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—), dass nicht bereits der volle 50 %-Anteil zu Eigentum übertragen werde, sondern nur jeweils ein Bruchteil entsprechend dem in § 24 bzw. der Zusatzvereinbarung geregelten schrittweisen Eigentumsübergang.
Der nach der sachlich-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz entscheidungserhebliche —schrittweiser oder sofortiger Eigentumsübergang— Beweisantrag der Kläger war hinreichend substantiiert und auch nicht offensichtlich unbehelflich. Sollte das FG der Auffassung gewesen sein, seine Beurteilung könne in keinem Fall durch den Zeugen geändert werden, so wäre dies eine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses (, BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge die Behauptung der Kläger bestätigt hätte; sein in den Akten des FG befindliches Schreiben vom belegt, dass er im Streitjahr lediglich Anteile in Höhe von 3,5 % habe erhalten sollen. Das FG wäre daraufhin möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Würdigung gelangt. Nachdem das FG die von ihm selbst als entscheidungserheblich angesehene Tatsache eines bruchteilsmäßigen Eigentumsübergangs im Streitjahr nicht als wahr unterstellte, hätte es den angebotenen Beweis erheben müssen.
c) Der Kläger hat sein Recht, die mangelnde Sachaufklärung zu rügen, nicht verloren. Da der Beweisantrag ersichtlich in der mündlichen Verhandlung unmittelbar gestellt wurde, kann auch ein Rügeverzicht (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 100 ff., § 120 Rz. 67) nicht unterstellt werden; die Kläger mussten nicht damit rechnen, dass das FG nur einen Teil des unter Beweisangebot gestellten Sachverhalts bei seiner Entscheidung als wahr zugrunde legen werde (vgl. , BFH/NV 1995, 320). Dies gilt umso mehr, als das FG selbst den Zeugen geladen hatte, der aber an seinem Erscheinen verhindert war, weil er erst am 29. Juli die am 25. Juli abgesandte Ladung für die Sitzung zum erhalten hatte, zu der das FG die Beteiligten bereits unter dem geladen hatte.
d) Ob die weiteren Verfahrensrügen ebenfalls durchgreifen, bedarf hiernach keiner Entscheidung.
3. Die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung beruht auf § 116 Abs. 6 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 564
BFH/NV 2005 S. 564 Nr. 4
SAAAB-41746