Mietvertrag unter Angehörigen nach Grundstücksübertragung gegen Versorgungsleistungen kein Gestaltungsmissbrauch
Gesetze: EStG §§ 21, 9, 10; AO § 42
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (1995) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Kläger erhielt im Oktober 1994 von seinem im Jahre 1908 geborenen und im Jahre 1997 verstorbenen Vater ein Grundstück. Der Vater bewohnte im Streitjahr zusammen mit dem im Jahre 1953 geborenen behinderten Bruder des Klägers das Erdgeschoss des auf dem Grundstück errichteten Hauses. Der Kläger und seine Familie wohnten im ersten Obergeschoss, das über den Flur im Wohnbereich des Erdgeschosses und die dort vorhandene Treppe zu erreichen ist.
In dem notariellen Übertragungsvertrag verpflichtete sich der Kläger, an den Vater monatlich einen Betrag von 600 DM zu zahlen, ihn im Alter bei Gebrechlichkeit oder Krankheit zu pflegen, die Kosten für die Beheizung, Strom- und Wasserversorgung der ihm überlassenen Wohnung einschließlich anfallender Nebengebühren zu übernehmen, die überlassene Wohnung in einem bewohnbaren Zustand zu halten und die Kosten für das Begräbnis und die Grabpflege zu übernehmen. Für die monatlichen Zahlungen sollte § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten. Zur Sicherung der vereinbarten wiederkehrenden Leistungen wurde eine Reallast an dem übertragenen Grundstück und an weiteren Grundstücken vereinbart. Ferner sollte der Kläger seinem behinderten Bruder nach dem Ableben des Vaters ein unentgeltliches und lebenslängliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an einigen Räumen des Erdgeschosses bestellen. Insoweit wurde eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit an dem Hausgrundstück zugunsten des Bruders eingetragen.
Nach Hinweis des Notars auf die Möglichkeit, einen Mietvertrag nach Abstimmung mit dem Steuerberater abzuschließen, schlossen der Kläger und sein Vater am einen Mietvertrag über zwei Zimmer, eine Küche und ein Bad im Erdgeschoss des Hauses. Die Miete sollte 600 DM monatlich betragen; Nebenabgaben waren nicht vorgesehen, wohl aber eine Erhöhung der Miete bei Erhöhung der Betriebskosten. Kosten der Schönheitsreparaturen sowie kleinere Instandhaltungskosten hatte der Vermieter zu tragen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger die Zahlungen an den Vater sowie die Betriebskosten für die ihm überlassenen Räume in Höhe von 9 037 DM als dauernde Last geltend. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärten die Kläger Einnahmen in Höhe von 7 200 DM, Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 11 328 DM sowie Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 337,50 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest und berücksichtigte lediglich 1 837 DM als dauernde Last.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah den Mietvertrag in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1128 veröffentlichten Urteil als Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) an. Selbst wenn der Abschluss des Mietvertrages ernstlich beabsichtigt gewesen wäre, sei er wegen Gestaltungsmissbrauchs (i.S. des § 42 AO 1977) unbeachtlich.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Einkommensteuer 1995 unter Berücksichtigung eines Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4 516 DM und als Sonderausgaben abziehbare dauernde Lasten in Höhe von 9 037 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zu Unrecht hat das FG den Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung des ihm übertragenen Hauses bei der Einkommensteuerveranlagung wegen Annahme eines Scheingeschäfts oder zumindest eines Gestaltungsmissbrauchs unberücksichtigt gelassen; die tatsächlichen Feststellungen lassen allerdings keine abschließende Beurteilung zu, ob die getroffenen Mietvereinbarungen nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs anzuerkennen sind.
1. Ein Scheingeschäft liegt nur vor, wenn die Vertragsparteien —offenkundig— die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben, z.B. der Vermieter dem Mieter die Miete im Vorhinein zur Verfügung stellt oder sie nach dem Eingang auf seinem Konto alsbald wieder an den Mieter zurückzahlt, ohne aus anderen —z.B. unterhaltsrechtlichen— Rechtsgründen verpflichtet zu sein (vgl. , BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655; vom IX R 23/00, BFH/NV 2003, 612, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor, weil die Vertragsparteien eine Nutzungsüberlassung der Wohnräume gegen Entgelt vereinbart und tatsächlich durchgeführt haben; die Versorgungsleistungen des Klägers an den Vater stellen dabei keine rechtsgrundlose „Vorabüberlassung” des fälligen Mietzinses dar, sondern betreffen die Erfüllung der ihm aufgrund des Vermögensübertragungsvertrages obliegenden (Bar-)Unterhaltspflicht.
2. Dem streitigen Mietverhältnis ist entgegen der Auffassung des FA nicht wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen.
a) Ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: , BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; , BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).
b) Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das Objekt —wie im Streitfall— vor der Vermietung vom jetzigen Mieter gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen wurde. Insoweit nimmt der Senat zur Begründung auf das Urteil des Senats vom IX R 12/01 Bezug.
3. Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG kann der Senat allerdings nicht beurteilen, ob die Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung des streitigen Mietverhältnisses nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs gegeben sind.
Nach diesen Grundsätzen ist ein Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen —wie im Streitfall die verzögerte Zahlung der Miete und die vom Vertrag abweichende Abwicklung der Nebenkosten und anderer Nebenpflichten— notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
Zweifelhaft ist jedoch die Anerkennung des Mietverhältnisses dann, wenn die überlassenen Räume keine hinreichende Abgeschlossenheit gegenüber den anderen Räumen des Hauses aufweisen und deshalb anzunehmen ist, dass eine steuerrechtlich unerhebliche —die Annahme eines Mietverhältnisses ausschließende— familiäre Haushaltsgemeinschaft besteht (vgl. , BFHE 201, 254, BStBl II 2003, 301). Nicht jede —geringfügige— Mitbenutzung der überlassenen Wohnung durch den Vermieter schließt allerdings die Annahme eines Mietverhältnisses aus; so hat der Senat die Möglichkeit zur Anerkennung eines Mietverhältnisses nicht generell ausgeschlossen, wenn der Zugang zu den Räumen des Vermieters nur über die Küche der vermieteten Wohnung möglich ist (vgl. Urteil vom IX R 25/02, BFH/NV 2004, 38). Vielmehr kommt es insoweit auf die tatsächliche Würdigung im Einzelfall an, ob sich aus der Art der Verbindung zwischen den mehreren Wohnungen Beweisanzeichen —wie im Streitfall aufgrund der Korridorbenutzung der Erdgeschosswohnung durch den Kläger— für die Annahme einer Haushaltsgemeinschaft ergeben.
4. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG hat die unterbliebene Prüfung nachzuholen, ob die Anforderungen an die Abgeschlossenheit der überlassenen Wohnräume im Streitfall gegeben sind.
b) Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last gegeben sind.
Nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) setzt deren Abzug als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes voraus, dass sie aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können. Hierzu ist eine Nettoertragsprognose nach den maßgeblichen Verhältnissen bei Vertragsschluss zu erstellen; diese Prognose hat das FG nachzuholen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1270
BFH/NV 2004 S. 1270 Nr. 9
EAAAB-23786