Verzicht auf Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last
Leitsatz
Es stellt einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO 1977 dar, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird.
Gesetze: EStG § 9EStG § 21AO 1977 § 42
Instanzenzug: (EFG 2003, 1389) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1998 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Kläger erhielt von seiner Mutter im Jahre 1976 im Wege vorweggenommener Erbfolge ein bebautes Grundstück, an dem zugleich zu Gunsten der Mutter ein Wohnungsrecht eingetragen wurde. Mit notariellem Vertrag vom verzichtete die Mutter rückwirkend auf den auf das Wohnungsrecht; der Kläger verpflichtete sich, der Mutter an Stelle des Wohnungsrechts ab diesem Zeitpunkt monatlich einen Betrag von 400 DM unter Vorbehalt der Abänderung nach § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu zahlen. Die notarielle Vereinbarung sah des Weiteren die Möglichkeit für die Mutter vor, sich gegen Aufgabe der in der notariellen Urkunde eingeräumten Rechte einen Sicherungsnießbrauch bestellen zu lassen.
Gleichzeitig schlossen der Kläger und seine Mutter mit Wirkung ab dem einen Mietvertrag, der eine monatliche Kaltmiete von 400 DM sowie den Verzicht des Klägers auf eine ordentliche Kündigung sowie auf eine Mieterhöhung zu Lebzeiten der Mieterin vorsah.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger für das teils an die Mutter, teils an Fremde vermietete Haus Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung sowie bei den Sonderausgaben den an die Mutter des Klägers gezahlten Betrag von 4 800 DM als dauernde Last geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte die dauernde Last nicht an und kürzte die Werbungskosten um nicht nachgewiesene Fahrten in Höhe von 5 964 DM. Auf den dagegen erhobenen Einspruch lehnte das FA in der Einspruchsentscheidung sowohl die Berücksichtigung des Werbungskostenüberschusses aus Vermietung und Verpachtung als auch der dauernden Last wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten ab.
Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1389 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) und der § 10 Abs. 1 Nr. 1a und § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Berücksichtigung des streitigen Werbungskostenüberschusses aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 54 205 DM sowie der dauernden Last in Höhe von 4 800 DM zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zu Recht hat das FG die Berücksichtigung des Werbungskostenüberschusses aus dem streitigen Mietverhältnis und der dauernden Last im Hinblick auf den entgeltlichen Verzicht der Mutter des Klägers auf ihr Wohnungsrecht an dem —im Wege vorweggenommener Erbfolge— übertragenen Grundstück wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Abs. 1 AO 1977) abgelehnt.
1. Ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: , BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.).
a) Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; , BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).
b) Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das vermietete Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter auf den Vermieter übertragen wurde und der Mieter in diesem Zusammenhang auf ein bei der Grundstückseintragung zu seinen Gunsten eingeräumtes Wohnungsrecht an dem Vermietungsobjekt —unentgeltlich— verzichtet. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat insoweit auf das Urteil vom heutigen Tage im Verfahren IX R 60/98 Bezug.
Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass die Eigentumsübertragung einerseits und die anschließende Vermietung andererseits jeweils zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennt und deshalb auch steuerrechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Danach kann ein Gestaltungsmissbrauch nicht allein mit der Begründung bejaht werden, die im Zusammenhang mit dem Erwerb vereinbarte Versorgungsleistung an den Übertragenden (als dauernde Last) entspreche der Höhe nach im Wesentlichen der vereinbarten Miete (vgl. auch Stöcker, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1991, 80, 81; Spiegelberger, Die Steuerberatung —Stbg— 1995, 481, 486 f.; a.A. , juris-Dokument-Nr. STRE200170117; Stein, Finanz-Rundschau —FR— 1999, 474, 475).
c) Ein Gestaltungsmissbrauch liegt aber vor, wenn die Parteien der Grundstücksübertragung durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreichen, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt. Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Beteiligten durch zivilrechtlich mögliche Gestaltungen zwar wechselseitige Zahlungspflichten begründen, damit aber die Position des unentgeltlich Nutzenden tatsächlich und wirtschaftlich nicht verändern. So verhält es sich, wenn der Abschluss eines Mietvertrages mit der entgeltlichen Aufgabe des unentgeltlichen Wohnungsrechts verbunden wird und dieses Vertragsgeflecht den Verzichtenden im Ergebnis so stellt, wie er stünde, wenn die vertraglichen Vereinbarungen auf der Nutzungsebene nicht abgeschlossen worden wären und er unverändert sein unentgeltliches Nutzungsrecht ausüben würde (vgl. , BFHE 174, 45, BStBl II 1994, 451; vom IX R 66/93, BFH/NV 1996, 123).
Auch im Streitfall ist die ausbedungene dauernde Last als Gegenleistung für den Verzicht der Mutter des Klägers auf ihr Wohnungsrecht im Verhältnis zur Vermietung der Wohnung ein gegenläufiges Rechtsgeschäft: Die Mutter erhält 400 DM je Monat für die Aufgabe ihres Wohnungsrechts und zahlt 400 DM dafür, die Wohnung als Mieterin nutzen zu dürfen. Beide Rechtsgeschäfte führen zu einem Ausgleich der Zahlungspflichten. Sie haben je für sich keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung, sondern dienen lediglich dazu, dem Grundstückseigentümer die Abziehbarkeit von Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu verschaffen, ohne dass tatsächlich Einnahmen durch die Überlassung des Grundstücks erzielt werden. Bei einer solchen Sachlage liegt ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO 1977 vor (vgl. BFH in BFH/NV 1996, 123). Ein außersteuerlicher Grund für ein solches Vertragsgeflecht kann regelmäßig auch schon deshalb nicht angenommen werden, weil es keiner Ablösung des dinglichen Wohnungsrechts bedarf, um das wohnrechtsbelastete Grundstück an den Wohnrechtsberechtigten zu vermieten. Vielmehr führt schon der Abschluss eines Mietvertrages über ein solches bislang unentgeltlich überlassenes Grundstück konkludent zu einer Aufhebung der —nur schuldrechtlich neben dem dinglichen Wohnungsrecht zu treffenden— Vereinbarung und lässt den Bestand des Wohnungsrechts unberührt, ohne dass dadurch die Wirksamkeit des Mietvertrages berührt wird. Insoweit nimmt der Senat ebenfalls auf sein Urteil vom heutigen Tage im Verfahren IX R 60/98 Bezug.
d) Liegt danach ein Missbrauch i.S. von § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vor, so entsteht der Steueranspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Das bedeutet im Streitfall: Wird die Vermietung durch ein gegenläufiges Rechtsgeschäft aufgehoben und —wie hier— der Nutzende wirtschaftlich so gestellt, wie wenn er nach wie vor unentgeltlich nutzte, so muss dies auch steuerrechtlich gelten. Deshalb entsteht der Steueranspruch des Klägers so, wie er bei unentgeltlicher Nutzung der Wohnung durch seine Mutter entsteht.
2. Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass das FG die im Streitfall getroffenen Mietvereinbarungen zu Recht als rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO 1977 angesehen und deshalb den streitigen Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie die dauernde Last unberücksichtigt gelassen hat.
Im Hinblick darauf hat das FG zu Recht offen gelassen, ob das streitige Mietverhältnis nach den Maßstäben des sog. Fremdvergleichs anzuerkennen wäre (vgl. dazu , BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 648
BB 2004 S. 985 Nr. 18
BFH/NV 2004 S. 684 Nr. 5
BStBl II 2004 S. 648 Nr. 14
DB 2004 S. 796 Nr. 15
DStRE 2004 S. 454 Nr. 8
FR 2004 S. 718 Nr. 12
KÖSDI 2004 S. 14166 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2005 S. 4361
StB 2004 S. 162 Nr. 5
BAAAB-17871