BFH Urteil v. - IX R 26/99

Zurechnung von Vermietungseinkünften nach Erbfall bei unklarer Erbrechtslage

Gesetze: EStG § 21 Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (1994) als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin ist Erbin eines Grundbesitzes, den ihr ihre Eltern durch ein im Jahre 1984 errichtetes gemeinschaftliches Testament vermacht haben. Der Grundbesitz besteht aus einem Gutsbetrieb mit angemeldeten Gewerbe sowie zwei Hallen (Halle 1 und 2), die durch eine Zwischenhalle verbunden sind. In dem gemeinschaftlichen Testament hatten die Eltern der Klägerin angeordnet, dass die Klägerin den Gutsbetrieb sowie die Halle 1 und die Schwester der Klägerin die Halle 2 einschließlich der Zwischenhalle erben sollten. Nach dem Hoffolgezeugnis des Amtsgerichts A vom ist die Klägerin Hoferbin geworden, und ihre Schwester hat ein Landvermächtnis erhalten.

Nach dem Tode der Mutter der Klägerin heiratete der Vater der Klägerin wieder. Seiner neuen Ehefrau räumte er im Jahre 1988 in einer notariell beurkundeten —dinglich abgesicherten— Erklärung an sämtlichen Räumen des Hauses in X ein lebenslanges Wohnungsrecht ein, das sie zu dessen Lebzeiten jedoch nicht allein ausnutzen durfte. Außerdem erhielt die Ehefrau zur Absicherung ihres Lebensunterhaltes den Nießbrauch an den Hallen in Höhe von 50 v.H. der daraus erzielten Einkünfte. Sollte der Erbe oder Rechtsnachfolger (des Vaters der Klägerin) die Hallen selbst nutzen, hatte er 50 v.H. des für die Hallennutzung ortsüblichen Betrages an die Ehefrau zu zahlen. Im Jahre 1990 schloss der Vater der Klägerin über die Hallen Mietverträge ab. Anfang März 1994 starb er. Der Grundbesitz ist auf die Klägerin umgeschrieben worden. Eine Erbauseinandersetzung ist bisher noch nicht erfolgt. Die Mieteinnahmen für die Hallen gingen zunächst weiter auf das Konto des Erblassers; ab November 1994 wurden die Mieten für die Halle 2 unmittelbar auf ein Konto der Schwester der Klägerin überwiesen.

Die Klägerin zahlte im Streitjahr an ihre Schwester „für vereinnahmte Mieten„ 41 600 DM und an die Ehefrau ihres verstorbenen Vaters „als Abschlag auf den Mietanspruch„ 21 000 DM; beide Zahlungen ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) steuerlich unberücksichtigt. Einspruch und Klage blieben in den Streitpunkten ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 606 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1994 vom bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss von 22 657 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA hat im Laufe des Revisionsverfahrens einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1994 erlassen, den die Kläger fristgerecht gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahrensgegenstand gemacht haben.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um in der Revisionsinstanz abschließend zu entscheiden, ob das FG zutreffend der Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit der ihrer Schwester als Vermächtnis ausgesetzten Halle zugerechnet hat. Außerdem hat das FG zu Unrecht die von der Klägerin an die Ehefrau ihres verstorbenen Vaters gezahlten Beträge steuerlich unberücksichtigt gelassen.

1. Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Wirtschaftsgüter einem anderen gegen Entgelt zur Nutzung zu überlassen und Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist (z.B. , BFH/NV 2003, 1043, m.w.N.). Nicht maßgebend ist, ob ein Steuerpflichtiger rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Mietobjekts ist und wem letztlich das wirtschaftliche Ergebnis der Vermietung zugute kommt (z.B. , BFH/NV 2002, 1152, m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen sind z.B. bei der Vermietung eines Grundstücks durch einen Treuhänder im eigenen Namen (aber auf Rechnung eines Treugebers) dem Treugeber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur zuzurechnen, wenn er das Treuhandverhältnis beherrscht und der Treuhänder ausschließlich auf Rechnung und Gefahr des Treugebers handelt (z.B. , BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615); dagegen nicht bei einem —dem Mieter bekannten— Unterbeteiligungsverhältnis, wenn der unterbeteiligte Steuerpflichtige nur schuldrechtlich am Gesellschaftsanteil des Hauptgesellschafters beteiligt ist (, BFHE 182, 170, BStBl II 1997, 406).

2. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine derartige Veranlassung vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. , BFH/NV 2002, 904, m.w.N.).

3. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG genannten Ausgaben weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, „soweit in den § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 9, § 10b und §§ 33 bis 33c nicht anderes bestimmt ist„. Vom Abzugsverbot erfasst sind u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG), wozu auch Renten und dauernde Lasten gehören, wenn sie außerhalb einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen als Unterhalt oder auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht geleistet werden (z.B. , BFH/NV 2001, 1388, m.w.N.). Dagegen können wiederkehrende Leistungen eines Erben z.B. an die Witwe des Erblassers als Sonderausgaben abziehbar sein, wenn sie auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers beruhen und der Erbe von Todes wegen existenzsicherndes Vermögen erhalten hat (sog. „erbrechtliche„ private Versorgungsrente, vgl. im Einzelnen, z.B. , BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633, und vom X R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602; Fischer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 22 Rdnr. B 185 f., B 290 f.).

4. Die Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den Streitfall führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nur teilweise spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

a) Die vom FG bisher getroffenen Feststellungen lassen nicht erkennen, ob seine Auffassung, die Klägerin habe von März bis Oktober des Streitjahres (auch) hinsichtlich der der Schwester als Vermächtnis ausgesetzten Halle den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, den Besonderheiten des Streitfalles gerecht wird.

aa) Aus dem im Urteil des FG erwähnten gemeinschaftlichen Testament und dem Hoffolgezeugnis (deren Inhalt i.S. von § 118 Abs. 2 FGO als festgestellt gilt) ergibt sich, dass die Schwester der Klägerin zwar als Erbin bezeichnet war (so das Testament), aber tatsächlich ein Landvermächtnis erhalten hatte (so das Hoffolgezeugnis). Hierzu haben die Kläger im Einspruchs- und im Klageverfahren sowie in ihrer Revision vorgetragen, das Nachlassgericht habe —wegen der Unklarheit, ob die Schwester nach dem gemeinschaftlichen Testament ebenfalls Erbin sei— erst im Oktober 1994 die Klägerin zur Alleinerbin und ihre Schwester zur Vermächtnisnehmerin erklärt. Danach seien die Mieter aufgefordert worden, nicht mehr auf das Geschäftskonto des Vaters, sondern teilweise auf ein neues Konto der Klägerin und teilweise auf ein Konto der Schwester zu zahlen.

bb) Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass ein Erbe gemäß § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit dem Tode des Erblassers in die von diesem abgeschlossenen Mietverträge eintritt und ihm die Vermietungseinkünfte zuzurechnen sind. Im Streitfall bestehen jedoch Besonderheiten, die zu einer anderen Beurteilung führen können. Wenn —wie die Kläger vortragen— die Erbrechtsfrage unklar war, die bestehenden Mietverträge des Erblassers unverändert weitergeführt wurden und —wie die Kläger geltend machen— sofort nach Klärung der erbrechtlichen Lage die Mieter aufgefordert wurden, an den jeweils Berechtigten zu zahlen, sind die Einkünfte aus der Halle 2 ab dem Erbfall nicht der Klägerin, sondern ihrer Schwester zuzurechnen. Denn diese kam dann von Anfang an als Mitberechtigte (sei es als Erbin i.S. von § 1922 BGB oder als Vermächtnisnehmerin i.S. von § 2174 BGB mit einem schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch) in Betracht und die Beteiligten haben durch ihr Verhalten nur der (zunächst) unklaren Erbrechtslage Rechnung getragen. Für diese Übergangszeit ist davon auszugehen, dass die Klägerin lediglich treuhänderisch handelte.

Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang ermitteln müssen, ob —wie die Kläger vorgetragen haben— die erbrechtlichen Verhältnisse erst im Oktober 1994 geklärt wurden und die Klägerin und ihre Schwester unmittelbar danach die entsprechenden steuerrechtlichen Folgen gezogen haben.

b) Die Zahlungen der Klägerin an die Ehefrau ihres verstorbenen Vaters hat das FG zu Unrecht nicht zum Abzug zugelassen. Diese Zahlungen sind als dauernde Last i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG steuermindernd zu berücksichtigen.

Das Testament aus dem Jahre 1984 und die Erklärungen des verstorbenen Vaters der Klägerin in der notariellen Urkunde über die „Nießbrauchsbestellung„ aus dem Jahre 1988 lassen erkennen, dass nach seinem Willen im Falle seines Todes die Klägerin und ihre Schwester existenzsicherndes Vermögen erhalten und seine Witwe zusätzlich zu deren Wohnungsrecht aus den Erträgen dieses Vermögens versorgen sollten. Letzteres wird insbesondere aus der in der „Nießbrauchsbestellungsurkunde„ festgehaltenen Berechtigung des (zukünftigen) Erben deutlich, die Hallen selbst zu nutzen mit der Verpflichtung, der Witwe in diesem Fall 50 v.H. des für die Hallennutzung ortsüblichen Betrages zu zahlen. Hieraus ergibt sich, dass nach dem tatsächlichen Gehalt der „Nießbrauchsbestellungsurkunde„ die Versorgung der Witwe durch die Erben und nicht die Ausübung eines Nießbrauchs im Vordergrund gestanden hat. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat die Ehefrau nach der Begründung des Nießbrauchs zu keinem Zeitpunkt selbst die Stellung einer Vermieterin eingenommen. Die letztwillige Verfügung wurde —dies zeigt auch die tatsächliche Handhabung der Beteiligten— durch eine Versorgungsabrede ergänzt. Auch auf einen solchen Sachverhalt sind die vom BFH zur sog. „erbrechtlichen„ privaten Versorgungsrente entwickelten Rechtsgrundsätze (s. oben, unter II. 3.) anzuwenden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 476
BFH/NV 2004 S. 476 Nr. 4
DStRE 2004 S. 381 Nr. 7
KÖSDI 2004 S. 14170 Nr. 5
RAAAB-16068