Vorlage an EuGH: Ausfuhrerstattung bei Anmeldung eines anderen als des tatsächlich verwendeten Grunderzeugnisses
Gesetze: VO (EG) Nr. 1222/94
Instanzenzug: ,
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte 1996 nicht unter Anhang II des Vertrages fallende Waren in die Türkei aus und erhielt antragsgemäß Ausfuhrerstattung. In der Ausfuhranmeldung und dem Kontrollexemplar T 5 hatte sie unter Hinweis auf die vorgelegten Herstellererklärungen angegeben, dass als Zwischenerzeugnis eine Halbfertigmischung verwendet worden sei, die aus frischer Magermilch mit einem Milchfettgehalt von 0,05 GHT hergestellt worden sei. Tatsächlich war für die Herstellung der ausgeführten Waren jedoch eine Halbfertigmischung verwendet worden, die nicht aus frischer Magermilch, sondern aus Magermilchkonzentrat mit einem Milchfettgehalt von 0,14 bis 0,19 GHT und einem Gehalt an fettfreier Trockenmasse von 29,31 GHT hergestellt worden war. Dies erfuhr die Klägerin von der Lieferantin der Halbfertigmischung im Dezember 1996, was sie dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt —HZA—) mit Schreiben vom mitteilte. Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. c Anstrich 1 und Buchst. f Anstrich 1 der Verordnung (EG) Nr. 1222/94 (VO Nr. 1222/94) der Kommission vom zur Festlegung der gemeinsamen Durchführungsvorschriften für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und der Kriterien zur Festsetzung des Erstattungsbetrags für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die in Form von nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren ausgeführt werden (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 136/5), i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 229/96 vom (ABlEG Nr. L 30/24) sind sowohl die fälschlich angegebene Magermilch als auch das tatsächlich verwendete Magermilchkonzentrat hinsichtlich seines Gehalts an fettfreier Trockenmasse Magermilchpulver gleichgestellt, das in Anhang A (PG 2) definiert ist. Gleichwohl forderte das HZA mit Bescheiden vom 11. und die der Klägerin gewährte Ausfuhrerstattung zurück.
Die von der Klägerin beim Finanzgericht (FG) erhobene Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Das FG hob die angefochtenen Bescheide auf, soweit von der Klägerin ein Betrag zurückgefordert worden war, welcher der Ausfuhrerstattung entsprach, die bei einer Verwendung von Magermilchkonzentrat zur Herstellung der ausgeführten Waren zu gewähren gewesen wäre. Zur Begründung führte das FG aus, es reiche aus, wenn der Antragsteller eine im Kern richtige Angabe mache. Der gänzliche Verlust des Anspruchs auf Gewährung einer Ausfuhrerstattung bei nur geringfügigen Abweichungen zwischen der vom Antragsteller angegebenen und der tatsächlichen Beschaffenheit der zur Herstellung der ausgeführten Waren verwendeten Erzeugnisse stelle keine angemessene Sanktion dar und sei auch nicht zur Vermeidung von Missbräuchen erforderlich, weil der Antragsteller bei zutreffenden Angaben eine im Wesentlichen gleich hohe Ausfuhrerstattung erhalten hätte.
Hiergegen wendet sich das HZA mit seiner Revision.
II. Der Senat setzt das bei ihm anhängige Revisionsverfahren aus (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Unterabs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: „Ist Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1222/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 229/96 dahin auszulegen, dass ein Antragsteller keinen Anspruch auf die Gewährung einer Ausfuhrerstattung hat, wenn zur Herstellung der ausgeführten Waren nicht das von ihm angegebene Erzeugnis, das nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. c Anstrich 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1222/94 Magermilchpulver der im Anhang A (PG 2) bezeichneten Art gleichgestellt ist, sondern ein anderes Erzeugnis verwendet wurde, das hinsichtlich seines Gehalts an fettfreier Trockenmasse nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. f Anstrich 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1222/94 gleichfalls Magermilchpulver der im Anhang A (PG 2) bezeichneten Art gleichgestellt ist?„.
Die Entscheidung über die Revision hängt davon ab, ob der Klägerin nach Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 1222/94 keine Ausfuhrerstattung gewährt werden kann, weil sie in der Ausfuhranmeldung und dem Kontrollexemplar T 5 unzutreffend angegeben hat, dass das zur Herstellung der ausgeführten Waren verwendete Erzeugnis aus frischer Magermilch und nicht —wie tatsächlich geschehen— aus Magermilchkonzentrat hergestellt worden ist.
Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 1222/94 verpflichtet den Antragsteller bei der Ausfuhr der Waren die Mengen der Erzeugnisse anzugeben, die zur Herstellung der Waren tatsächlich verwendet wurden. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass seine Angaben nicht nur ungefähr oder „im Kern„ zutreffen, sondern den Tatsachen entsprechen müssen. Nur dann liegt auch der nach Art. 7 Abs. 5 VO Nr. 1222/94 erforderliche Ausfuhrnachweis vor. Das sollte auch dann gelten, wenn Gleichstellungsregelungen nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1222/94 eingreifen. Obgleich nämlich diese „für die Anwendung dieser Verordnung„, also der VO Nr. 1222/94 gelten, haben sie unmittelbar keine Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob ein Antragsteller seine Verpflichtung zur Abgabe einer zutreffenden Erklärung nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 1222/94 erfüllt hat. Denn hiernach sind auch die Mengen der nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1222/94 gleichgestellten Erzeugnisse anzugeben, die zur Herstellung der ausgeführten Waren i.S. des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1222/94 tatsächlich verwendet wurden.
Dennoch vermag der Senat Zweifel daran, dass die unzutreffenden Angaben der Klägerin zum vollständigen Ausschluss eines Anspruchs auf Ausfuhrerstattung führen sollen, nicht auszuschließen. Nach Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 1222/94 kann dem Antragsteller zwar keine Erstattung gewährt werden, wenn er nicht die in Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1222/94 genannte Erklärung abgibt oder nicht ausreichende Informationen zur Begründung seiner Angaben vorlegt. Der beschließende Senat möchte aber nicht ausschließen, dass der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen könnte, dass diese schwere Folge der Versagung der Ausfuhrerstattung den Antragsteller unter bestimmten Umständen nicht treffen soll, etwa wenn er —wie im Streitfall— gutgläubig statt des tatsächlich verwendeten Erzeugnisses ein diesem gleichgestelltes angegeben und unverzüglich nach Kenntniserlangung die Behörde über diesen Irrtum unterrichtet hat.
Der Senat erinnert in diesem Zusammenhang an seinen Beschluss vom VII R 46/01 (BFH/NV 2003, 218; Rechtssache des EuGH C-446/02), in dem der Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu Fragen ersucht wird, die denen ähneln, die sich im Streitfall stellen. In der Rechtssache des EuGH C-446/02 sind allerdings andere Rechtsvorschriften maßgebend. Es erscheint dem Senat daher notwendig, trotz Anhängigkeit der Rechtssache C-446/02 den Gerichtshof auch um eine Vorabentscheidung zur zutreffenden Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 5 VO Nr. 1222/94 zu ersuchen, zumal dieser Streitfall dem Gerichtshof unter Umständen für die Entscheidung in jener Rechtssache nützliches Anschauungsmaterial vermitteln kann.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 545
BFH/NV 2004 S. 545 Nr. 4
HFR 2005 S. 117
RAAAB-14905