Terminsverlegung bei Erkrankung eines Beteiligten; Prozessfähigkeit eines Beteiligten
Leitsatz
1. Bei Erkrankung eines Beteiligten ist das FG in der Regel zur Aufhebung oder Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung
verpflichtet, wenn die Erkrankung durch ein ärztliches Attest belegt wird. Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Beteiligte
die Terminsverlegung unter Vorlage eines völlig unsubstantiierten ärztlichen Attests beantragt, aus dem keinerlei Diagnose
ersichtlich ist und aus dem nicht hervorgeht, ob die Erkrankung des Beteiligten nur vorübergehender Natur oder so dauerhaft
ist, dass die Aufhebung des Termins keinen Sinn hätte, weil der Beteiligte auch zu einem neuen Termin nicht erscheinen kann.
2. Die Prozessfähigkeit eines Beteiligten ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die Amtsprüfung zwingt
das Gericht lediglich dazu, das Vorliegen eines möglichen Mangels auch dann zu berücksichtigen, wenn er von keinem Beteiligten
im Wege einer Zulässigkeitsrüge beanstandet wird.
3. Ein vom Amtsgericht in einem Strafverfahren gegen den Beteiligten in Auftrag gegebenes psychiatrisches Gutachten reicht
zur Feststellung der Prozessunfähigkeit (Handlungsunfähigkeit) des Beteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren nicht aus,
wenn es der Gutachter lediglich aufgrund des Inhalts der ihm vorgelegten Strafakten ohne aktive oder passive Mitwirkung des
Beteiligten erstellt hat.
4. Unter Berücksichtigung des in § 58 ZPO zum Ausdruck kommenden Schutzgedankens können mögliche verbleibende Zweifel an der
Prozessfähigkeit des Beteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren dann außer Betracht gelassen werden, wenn feststeht, dass
es zu keiner Sachentscheidung kommen wird.
5. Der Steuerpflichtige ist bei der Prüfung seiner Handlungsfähigkeit unmittelbar in seiner Person betroffen. Ermittlungen,
die in diese Richtung zielen, sind regelmäßig nach Art und Umfang erheblich und die Aufhebung des Verwaltungsakts und der
Einspruchsentscheidung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten auch sachdienlich i. S. des § 100 Abs. 3 Satz 1
FGO. Es ist sachgerechter, wenn das FA zunächst originär darüber entscheidet, ob es den Steuerpflichtigen tatsächlich für
handlungsunfähig hält.
Fundstelle(n): EFG 2000 S. 1024 RAAAB-06228
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