Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main - S 0130 A - 85 - St II 4.02

Aussagen von Bediensteten der Finanzverwaltung vor Strafverfolgungsbehörden und Gerichten

1. Aussagen als Zeuge

Der Beamte bedarf für Aussagen vor Strafverfolgungsbehörden und Gerichten als Zeuge über Angelegenheiten, die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind, der Genehmigung des Dienstvorgesetzten (§ 75 HBG). Entsprechendes gilt für die nichtbeamteten Bediensteten hinsichtlich der nach § 9 Abs. 1 BAT und § 11 Abs. 1 MTArb der Schweigepflicht unterliegenden Angelegenheiten.

Die Aussagegenehmigung, die von der vernehmenden Stelle von Amts wegen einzuholen ist (Nr. 48 AStBV (Steuer) und Nr. 66 RiStBV), ist nach anliegendem Muster zu erteilen. Sie befreit den Bediensteten nur von der Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit, entbindet ihn aber nicht von der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses. Der Bedienstete muss deshalb auch im Falle der Erteilung der Aussagegenehmigung grundsätzlich in eigener Verantwortung prüfen, ob für die Offenbarung von Kenntnissen, die unter das Steuergeheimnis fallen, einer der sich aus § 30 Abs. 4 und Abs. 5 AO ergebenden Rechtfertigungsgründe gegeben ist.

In einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder in einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit kann sich die Befugnis zur Offenbarung von dem Steuergeheimnis unterliegenden Kenntnissen in erster Linie aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ergeben. Danach ist die Offenbarung zulässig, wenn sie der Durchführung des Verfahrens, d.h. der Verfolgung der Steuerverfehlungen dient. Insoweit darf auch über Verhältnisse anderer Personen als des Beschuldigten ausgesagt werden, wenn diese mit der Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist, zusammenhängen. Bei Fragen des Richters, des Staatsanwalts oder des Verteidigers des Beschuldigten wird der als Zeuge aussagende Bedienstete in der Regel davon ausgehen können, dass die Beantwortung der Durchführung der Ermittlungen dienlich ist. Lediglich bei Fragen, die mit dem Gegenstand des Verfahrens offensichtlich nichts zu tun haben, ist dem Gericht zu erklären, dass das Steuergeheimnis die Aussage verbietet.

In einem finanzgerichtlichen Verfahren ergibt sich die Offenbarungsbefugnis für den als Zeuge aussagenden Bediensteten aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO, soweit die Offenbarung der Durchführung des finanzgerichtlichen Verfahrens dient.

Im Rahmen eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen Personen im Sinne der §§ 3 und 4 Nr. 1 und 2 StBerG ist ein Offenbaren nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i.V.m. § 10 StBerG zulässig (s. AEAO zu § 30 Tz. 5). Die Offenbarungsbefugnis erstreckt sich lediglich auf Vorgänge, welche die Berufspflichtverletzung betreffen.

In allgemeinen Strafverfahren wegen einer nichtsteuerlichen Straftat kann sich die Befugnis zur Aussage – sofern der Steuerpflichtige der Offenbarung nicht zustimmt – vornehmlich aus § 30 Abs. 4 Nrn. 4 und 5 sowie Abs. 5 AO ergeben.

2. Aussagen als Sachverständiger oder sachverständiger Zeuge

Die vorstehend unter Ziffer 1 dargelegten Grundsätze für Aussagen von Bediensteten als Zeugen gelten für Aussagen als Sachverständige oder sachverständige Zeugen entsprechend.

3. Aussagen als Beschuldigter

Wird ein Bediensteter einer Straftat im Amte oder einen anderen strafbaren Handlung bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beschuldigt, so kann er Verhältnisse eines anderen auch ohne dessen Zustimmung offenbaren, soweit sich diese unmittelbar auf den Gegenstand der Anklage beziehen und die Offenbarung zu seiner Verteidigung unbedingt erforderlich ist. Die Befugnis hierzu ergibt sich in der Regel aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, weil die Aussage im Hinblick auf die Aufklärung dienstlicher Verfehlungen und das Recht des Bediensteten auf Verteidigung im zwingenden öffentlichen Interesse liegt.

Bei dem strafrechtlichen Verfahren gegen einen Bediensteten handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, das in der Regel nicht der Durchführung eines steuerlichen Verfahrens i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dient. Lediglich, wenn Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung oder andere Verletzung steuerlicher Pflichten durch den Steuerpflichtigen – nicht den Bediensteten – bestehen, lässt sich die Offenbarungsbefugnis auf § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO stützen. Aber selbst dann tritt § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO lediglich neben § 30 Abs. 4 Nr. 5, weil Grund der Offenbarungsbefugnis in erster Linie die Wahrung der Grundrechte des Bediensteten ist.

4. Aussagen in Amtshaftungsprozessen

In Amtshaftungsprozessen (zivilrechtliche Verfahren gegen das Land Hessen) wegen steuerlicher Falschbehandlung trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Infolgedessen stimmt er konkludent einer Offenbarung seiner streitbefangenen Angelegenheit zu, soweit sie zur Aufklärung seiner vermeintlichen Ansprüche erforderlich ist (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO).

Wegen der Offenbarung von Verhältnissen eines anderen zur Verfolgung von Verstrickungs-, Siegelbrüchen und ähnlichen Taten im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen vgl. AO-Kartei, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, Karte 6.

Die bisherige Karte 10 nebst Anlage ist überholt.

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Hinweise:

Die Genehmigung befreit nur von der Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit, jedoch nicht von der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses.

Die dem Steuergeheimnis unterliegenden Verhältnisse eines anderen sowie fremde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürfen nur offenbart werden, soweit dies nach § 30 Abs. 4 Nrn. 1 bis 5 sowie Abs. 5 AO zulässig ist.

Im finanzgerichtlichen Verfahren und im Straf- oder Bußgeldverfahren wegen einer Steuerstraftat oder – ordnungswidrigkeit ist die Offenbarung der Kenntnisse nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig, soweit sie der Durchführung des finanzgerichtlichen Verfahrens bzw. der Verfolgung der Steuerstraftat oder – ordnungswidrigkeit dient.

In berufsgerichtlichen Verfahren ist eine Offenbarung von Vorgängen, welche die Berufspflichtverletzung betreffen, nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i.V.m. § 10 StBerG zulässig.

In anderen gerichtlichen Verfahren (insbesondere im allgemeinen Strafverfahren wegen einer nichtsteuerlichen Straftat und im zivilgerichtlichen Verfahren) dürfen die Kenntnisse nur offenbart werden, soweit dies nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 bis 5 sowie Abs. 5 AO zulässig ist.

Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main v. - S 0130 A - 85 - St II 4.02

Fundstelle(n):
ZAAAB-71070