Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden einer GmbH §§ 191, 69, 34 AO wg. nicht abzugsfähiger Vorsteuern
Instanzenzug:
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Haftung für Umsatzsteuer 2001 der B GmbH (GmbH).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der mittlerweile im Handelsregister gelöschten GmbH. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger als Geschäftsführer nach den §§ 191, 69, 34 der Abgabenordnung für Umsatzsteuerschulden der GmbH aus dem Jahr 2001 in Anspruch. Diese Umsatzsteuerschulden beruhten im Wesentlichen auf im Zuge einer Außenprüfung nicht mehr als abziehbar anerkannten Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen einer Fa. V (V). Bei der v solle es sich um eine Scheinfirma handeln.
Mit seiner hier angegriffenen Vorentscheidung bestätigte das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid. Der Kläger habe gewusst, dass die Rechnungen der V nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten. Zumindest habe dies der Kläger wissen müssen. Die Überzeugung des Senats von den subjektiven Haftungsvoraussetzungen beruhte auf den Ermittlungsergebnissen der niederländischen Finanzbehörde, insbesondere auf den Aussagen des zeugen B vor den niederländischen Finanzbehörden, die dem FG in ihren wesentlichen Bestandteilen als glaubhaft erschienen. Demgegenüber bewertete das FG die damit im Widerspruch stehenden Aussagen (2,8. über die Geschäftssitze der V] und das Verhalten des Klägers als Selbstschutz. Dabei schied nach Auffassung des FG eine Beweiserhebung durch die Vernehmung der Zeugen aus, weil der Kläger keine ladungsfähige Adresse benannt habe.
Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger (u.a.) Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Das FG habe gegen das Gebot unmittelbarer Beweiserhebung (§ 81 FGO) verstoßen, indem es die Aussage des B gegenüber den niederländischen Steuerbehörden verwertet habe. Er rügt, das FG habe mehrere Niederschriften über Aussagen des B verwertet, obgleich die Vernehmung des Zeugen B weder unmöglich, unzulässig oder unzumutbar gewesen sei. Ferner habe das FG den Grundsatz wegen unzutreffender Würdigung des Beweiswerts verletzt und den unterschiedlichen Beweiswert einer lediglich protokollierten Aussage (Urkundsbeweis) und des Zeugenbeweises nicht beachtet. Darauf könne die Entscheidung beruhen. Ein Rügeverzicht liege nicht vor (s. Protokoll der mündlichen Verhandlung).
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Der Kläger macht zu Recht geltend, das FG habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen und seine Entscheidung beruhe auf diesem Fehler.
1. Nach § 81Abs. 1 Satz 1 FGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Der daraus folgende Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme besagt u.a., dass Zeugen in erster Linie vom FG vernommen werden müssen. In anderen gerichtlichen Verfahren gewonnene Beweisergebnisse dürfen zwar im Wege des Urkundenbeweises in den Prozess eingeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist aber ihre Verwertung gegen den Widerspruch eines Beteiligten nicht zulässig solange die erneute Beweisaufnahme durch das Gericht selbst möglich ist (vgl. ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom - X B 28/16, BFH/NV 2017, 307; vom - I B I B 219/08, BFH/NV 2010, 45, sowie BFH-Urteil vom . - III R 106/87, BFHE 164, 396, BStBl II 1991, 806, jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen diese Vorgabe ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Im Streitfall hat das FG ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass der Kläger von dem Umstand Kenntnis gehabt habe, die Rechnungen der V berechtigten nicht zum Vorsteuerabzug, jedenfalls habe er das vorwerfbar wissen müssen. Das FG hat dabei der Einlassung des als Zeugen benannten B, die dieser vor den niederländischen Finanzbehörden abgegeben hat, maßgebliche Bedeutung beigemessen. Auf eine unmittelbare Vernehmung des B hat es verzichtet, obwohl der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls der Aussage des B widersprochen und sie nicht bestätigt oder sie sich zu eigen gemacht hat. Das beanstandet der Kläger zu Recht.
Dagegen spricht entgegen der Auffassung des FA nicht, dass der Kläger keine substantiierten Einwände gegen den Urkundsbeweis erhoben hätte. Das berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG der Aussage des B ausdrücklich widersprochen hat. Deshalb ist die Frage, welche Erinnerung der zeuge B an den hier maßgeblichen Sachverhalt hat, nur im Rahmen einer unmittelbaren Zeugenvernehmung durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung zu klären. Nur in einer Vernehmung des Zeugen B können überdies eventuelle Widersprüche in den Aussagen aufzulösen sein, wie sie der Kläger in seiner Beschwerdebegründung zutreffend aufzeigt, wenn das FG die Vernehmung deshalb abgelehnt hat, weil der Kläger keine ladungsfähige Anschrift des Zeugen B benannt habe, so weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass der Wohnsitz der Ehefrau des Zeugen nach den Feststellungen des FG in den Niederlanden bekannt war und dass dieser nach Aktenlage selbst auf diese Adresse als seinen Wohnsitz hingewiesen habe.
2. Das FG begeht überdies einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn im Urteil nicht zum Ausdruck kommt, dass der unterschiedliche Beweiswert von Urkunden- und Zeugenbeweis gesehen und bei der Urteilsfindung berücksichtigt wird ( BFH-Beschlüsse vom -VII B 111/15, BFH/NV 2016, 579, unter II.1., Rz 7; vom - VIII B 198/09, BFH/NV 2010, 2096, und vom -V B 72/18, BFH/NV 2019, 202; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 81 FGO Rz 30).
Im Streitfall hat das FG in seinem Urteil die schriftliche Aussage des B als glaubhaft gewürdigt und ihr --wie es auf Seite 23 seines Urteils hervorhebt-- besonderes Gewicht bei seiner Überzeugungsbildung eingeräumt. Damit hat das FG nicht den unterschiedlichen Beweiswert einer lediglich protokollierten Aussage und des Zeugenbeweises beachtet, sondern die Aussage des B wie eine Zeugenaussage verwertet. Das FG hat bei seiner Beweiswürdigung somit nicht berücksichtigt, dass im Hinblick auf den fehlenden Eindruck des Gerichts von der Glaubwürdigkeit des Zeugen B dessen aktenkundige Vernehmung nur ein eingeschränkter Beweiswert beigemessen werden kann. Hierin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der formellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 2096).
3. Der Kläger hat diese Verfahrensfehler ordnungsgemäß i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gerügt. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass die Vorentscheidung anders ausgefallen wäre, wenn das FG bei seiner Würdigung den geringeren Beweiswert der protokollierten Aussage von B berücksichtigt hätte.
4. Da das Urteil bereits aufgrund der o.g. Verfahrensfehler keinen Bestand haben kann, bedarf es keines Eingehens auf das weitere Vorbringen des Klägers. Von einer weiteren Begründung wird daher nach § 116 Abs . 5 Satz 2 FGO, der auch für den Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt abgesehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom - X B 22/12, BFH/NV 2013, 226; vom - IV B 156/00, BFH/NV 2003,191).
5. Da von einem nachfolgenden Revisionsverfahren auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist, hält es der Senat für zweckmäßig das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).
Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FG0.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:B.070819.VB111.18.0
Fundstelle(n):
YAAAH-51647