Vorteilsbewertung bei Jahreswagen
Leitsatz
Die unverbindliche Preisempfehlung eines Automobilherstellers ist jedenfalls seit dem Jahr 2003 keine geeignete Grundlage, den lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil eines Personalrabatts für sog. Jahreswagen zu bewerten.
Gesetze: EStG § 8 Abs. 3EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug: (EFG 2007, 1866) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist, ob der vom Arbeitgeber beim Kauf eines Neufahrzeugs gegenüber der unverbindlichen Preisempfehlung eingeräumte Rabatt einen als Arbeitslohn zu erfassenden geldwerten Vorteil begründet.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Arbeitnehmer eines Automobilherstellers. Im Streitjahr (2003) erwarb er von seinem Arbeitgeber ein Neufahrzeug (PKW) zu einem Kaufpreis von 15 032 €. Der Arbeitgeber ermittelte hieraus einen geldwerten Vorteil in Höhe von 255,95 €, für den er Lohnsteuer einbehielt und auf der Lohnsteuerkarte auswies. Grundlage dieser Vorteilsermittlung war die unverbindliche Preisempfehlung für dieses Fahrzeug in Höhe von 17 916,99 €. Daraus ergab sich im Einzelnen folgende Berechnung:
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Unverbindliche
Preisempfehlung |
17 916,99 € |
abzüglich
4 % Händlerabschlag |
716,68 € |
Hauspreis
Händler |
17 200,31 € |
abzüglich
4 % Bewertungsabschlag |
688,01 € |
Vergleichspreis
|
16 512,30 € |
Preis ohne
Nebenkosten |
15 032,35 € |
Geldwerter
Vorteil |
1 479,95 € |
abzüglich
Freibetrag
§ 8 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) |
1 244,00 € |
zu versteuernder
geldwerter Vorteil |
255,95 € |
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) legte im streitigen Einkommensteuerbescheid diesen so ermittelten geldwerten Vorteil zugrunde und wies den dagegen eingelegten Einspruch zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1866 veröffentlichten Gründen die dagegen erhobene Klage ab. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG betrage der steuerpflichtige geldwerte Vorteil 4 % des geminderten Endpreises, zu dem der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Ware fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbiete. Endpreis in diesem Sinne sei der Angebotspreis, und somit der Preis, mit dem die Ware ausgezeichnet oder in sonstiger Weise im allgemeinen Geschäftsverkehr am Markt angeboten werde. Ausgehandelte Rabatte seien nicht zu berücksichtigen; bei fabrikneuen Kraftfahrzeugen sei regelmäßig auf den Listenpreis abzustellen. Die Berechnung des geldwerten Vorteils sei hier nicht zu beanstanden. Der Arbeitgeber habe den Listenpreis zugrunde gelegt und entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1996, 114) sogar noch den Listenpreis um die Hälfte des bei einem Autohaus erfragten Preisnachlasses gemindert. Da der Listenpreis derjenige Preis sei, der den potentiellen Käufern erstmalig durch Auszeichnung bekannt werde, sei hierauf abzustellen. Der durchschnittlich beim Vergleichshändler gewährte Rabatt könne bei der Berechnung des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 3 EStG nicht berücksichtigt werden, da es sich um das Mittel der ausgehandelten Rabatte handele.
Mit der dagegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. § 8 Abs. 3 EStG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wenn danach jeder vom Arbeitgeber gewährte Rabatt erfasst werde, obwohl ein geldwerter Vorteil nur vorliege, wenn der Arbeitgeber solche Rabatte nicht auch dem allgemeinen Kundenverkehr gewährte. Die Besteuerung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Markt Fahrzeuge zu Rabattbedingungen erwerben könnten, die der Arbeitgeber gewähre. Denn dann liege kein geldwerter Vorteil vor. Internethändler räumten entsprechende Rabatte ein. Dabei handele es sich um Fahrzeuge für den deutschen Markt, also um Re-Importfahrzeuge. Der Kauf über das Internet sei eine anerkannte Möglichkeit. Daher sei auch bei der Berechnung und Bewertung des Vorteils nicht vom „ortsansässigen Händler” auszugehen. Nachdem der Kläger vorgetragen habe, dass alle Endverbraucher mittlerweile den Werksrabatten entsprechende Rabatte erhielten, hätte das FG insoweit den Sachverhalt weiter aufklären müssen; im finanzgerichtlichen Verfahren seien entsprechende Belege zu den Akten gereicht worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die festgesetzte Einkommensteuer um 97 € und der Solidaritätszuschlag um 5,34 € herabgesetzt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
§ 8 Abs. 3 EStG erfasse alle Preisnachlässe, die dem Arbeitnehmer aufgrund eines bestehenden Dienstverhältnisses gewährt würden. Erhielten alle Kunden des Arbeitgebers den gleichen Rabatt ebenfalls, fehle es an einem Preisnachlass aufgrund des Dienstverhältnisses. Dies sei allerdings nicht der Fall. Unerheblich sei, ob bei Händlern im Internet über EU-Importe die Fahrzeuge günstiger erworben werden könnten. Denn insoweit fehle es an einem Dienstverhältnis.
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. a) Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen, Tantiemen und anderen Bezügen auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Das sind nach § 8 Abs. 1 EStG alle in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zufließen. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG benennt die geldeswerten Güter oder Vorteile (Einnahmen, die nicht in Geld bestehen), nämlich „Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge”.
2. Gemessen daran hält die Vorentscheidung revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Auf Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat der Kläger durch den Erwerb des PKW von seinem Arbeitgeber keinen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil erlangt. Der Klage ist daher stattzugeben.
a) Ausgangsgröße der Ermittlung des geldwerten, lohnsteuerrechtlich erheblichen, durch einen Personalrabatt veranlassten Vorteils ist nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG der Endpreis, zu dem das fragliche Fahrzeug fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten wird, der „Angebotspreis” (vgl. dazu , BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687; vom VI R 41/02, BFHE 214, 561, BStBl II 2007, 309; Thomas, Beilage 6 zu Der Betrieb 2006, S. 58, 64). Dieser angebotene Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 EStG ist grundsätzlich der unabhängig von Rabattgewährungen nach der Preisangabenverordnung ausgewiesene Preis (BFH-Urteile in BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687; in BFHE 214, 561, BStBl II 2007, 309). Dieser Preis ist aber kein typisierter und pauschalierter Wert, wie etwa der „inländische Listenpreis” i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Er gilt daher nur dann, wenn nicht nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich ein niedrigerer Preis gefordert wird. So liegt der Fall hier.
aa) Das FG ging unzutreffend davon aus, dass die unverbindliche Preisempfehlung des Kraftfahrzeugherstellers diesen Angebotspreis zutreffend wiedergibt.
Denn zu Recht verwies der Kläger insoweit zum einen schon auf den gerichtsbekannten Umstand, dass spätestens seit der Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung zum sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklung im Kraftfahrzeughandel jedenfalls im Streitjahr (2003) die unverbindliche Preisempfehlung in aller Regel nicht der Preis sei, zu dem Fahrzeuge im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden, und dies auch bei dem vom Kläger erworbenen Fahrzeugtyp der Fall sei. Diese Sachlage berücksichtigt im Übrigen schon seit auch die Finanzverwaltung, wenn sie auf Grundlage des BMF-Schreibens in BStBl I 1996, 114 —also noch vor Abschaffung des Rabattgesetzes— für „Jahreswagen” als Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 EStG den Preis annimmt, der sich ergibt, wenn die Hälfte des Preisnachlasses, der durchschnittlich beim Verkauf an fremde Letztverbraucher im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich gewährt wird, von dem empfohlenen Preis abgezogen wird.
Zum anderen liegen im Streitfall entsprechende Feststellungen des FG vor, die dieses Vorbringen des Klägers bestätigen. Denn danach ergab schon ohne Preis- und Vertragsverhandlungen eine erste Anfrage des Automobilherstellers und Arbeitgebers bei einem Autohaus, dass auf die unverbindliche Preisempfehlung des Automobilherstellers ein Preisnachlass in Höhe von 8 % gewährt wurde. Angesichts dessen kann höchstens dieser Preis von 16 483,63 € (17 916,99 € - 8 %) der angebotene Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 EStG sein. Denn zu diesem Preis wurde das fragliche Fahrzeug im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten.
bb) Schon unter Berücksichtigung dieses Preises ergibt sich auf Grundlage des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG mit dem dort geregelten weiteren Abschlag in Höhe von 4 % und der Berücksichtigung des Freibetrages nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG in Höhe von 1 244 € entsprechend nachstehender Berechnung kein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil mehr:
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Endpreis i.S. des
§ 8 Abs. 3
EStG |
16 483,63 € |
abzüglich
4 % Bewertungsabschlag |
659,34 € |
Vergleichspreis
|
15 824,29 € |
Preis ohne
Nebenkosten |
15 032,35 € |
Geldwerter
Vorteil |
791,94 € |
abzüglich
Freibetrag
§ 8 Abs. 3
EStG |
1 244,00 € |
zu versteuernder
geldwerter Vorteil |
0,00 € |
b) Im Hinblick darauf kommt es nicht mehr auf die weiteren Einwendungen des Klägers an, dass schon dem Grunde nach kein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil vorliege, weil zu den tatsächlich gewährten Rabattbedingungen Arbeitnehmer auch auf dem allgemeinen Markt die Fahrzeuge hätten erwerben können, sowie, dass das FG diesen Einwendungen im Rahmen seiner Aufklärungspflicht hätte nachgehen müssen. Grundsätzlich wäre dieser Einwand allerdings beachtlich gewesen. Denn behauptet ein Arbeitnehmer, der tatsächliche Angebotspreis für die Ware, auf die ihm sein Arbeitgeber einen Rabatt gewährt hat, sei niedriger als der Listenpreis, kann das FG bei der Ermittlung des im Rabatt liegenden und als Arbeitslohn zu erfassenden Vorteils nicht ohne weiteres den Listenpreis als Endpreis zugrunde legen. Dies galt für „Jahreswagen” schon hinsichtlich der Gepflogenheiten in der Automobilindustrie im Veranlagungszeitraum 1990 (vgl. dazu , BFH/NV 1996, 811) und gilt erst recht für das Streitjahr 2003.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 67
BB 2009 S. 1891 Nr. 36
BB 2009 S. 2744 Nr. 51
BBK-Kurznachricht Nr. 19/2009 S. 933
BFH/NV 2009 S. 1691 Nr. 10
BFH/PR 2009 S. 404 Nr. 11
BStBl II 2010 S. 67 Nr. 1
DB 2009 S. 2020 Nr. 38
DStR 2009 S. 1803 Nr. 35
DStRE 2009 S. 1151 Nr. 18
DStZ 2009 S. 745 Nr. 20
EStB 2009 S. 305 Nr. 9
FR 2010 S. 92 Nr. 2
HFR 2009 S. 1068 Nr. 11
KÖSDI 2009 S. 16629 Nr. 9
KÖSDI 2010 S. 16794 Nr. 1
NJW 2009 S. 3327 Nr. 45
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2009 S. 2788
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2009 S. 2865
SJ 2009 S. 8 Nr. 19
StB 2009 S. 337 Nr. 10
StBW 2009 S. 3 Nr. 18
StC 2009 S. 8 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2009 S. 661
YAAAD-27385