Bayerisches Landesamt für Steuern - S 0284 - 51 St 41M

Zustellung von Verwaltungsakten im Ausland nach § 9 VwZG

1. Allgemeines

Die Zustellung von Verwaltungsakten im Ausland wird durch den seit in Kraft getretenen § 9 VwZG (bisher: § 14 VwZG) neu geregelt. Danach können gem. § 9 Abs. 1 VwZG Verwaltungsakte wie folgt zugestellt werden:

  • durch (internationales) Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG),

  • auf Ersuchen der Behörde durch die Behörden des fremden Staates oder durch die zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG),

  • auf Ersuchen der Behörde durch das Auswärtige Amt an eine Person, die das Recht der Immunität genießt und zu einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört, sowie an Familienangehörige einer solchen Person, wenn diese das Recht der Immunität genießen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG),

  • durch Übermittlung elektronischer Dokumente nach § 5 Abs. 5 VwZG, soweit dies völkerrechtlich zulässig ist.

Die Formulierung „völkerrechtlich zulässig” in § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG umfasst nicht nur völkerrechtliche Übereinkünfte, sondern auch Völkergewohnheitsrecht, ausdrücklich nichtvertragliches Einverständnis, aber insbesondere auch Tolerierung einer entsprechenden Zustellungspraxis durch den Staat, in dem zugestellt werden soll. Es ist deshalb bis auf weiteres davon auszugehen, dass in allen Staaten zumindest eine Tolerierung im vorgenannten Sinne gegeben ist.

2. Bekanntgabe/Zustellung durch die Post

Die unmittelbare postalische Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Ausland ist nur im Verhältnis zu solchen Ländern zulässig, die dies gestatten. Derzeit ist dies bei den in der neugefassten Nr. 1.8.4 des AEAO zu § 122 [1] genannten Staaten der Fall. Es kann davon ausgegangen werden, dass die vorgenannten Staaten auch mit einer Übermittlung durch Telefax einverstanden sind.

Ist eine Zustellung durchzuführen (vgl. Tz. 3), ist diese unmittelbar durch Versendung eines (internationalen) Einschreibens mit Rückschein vom Finanzamt zu veranlassen. Eine Vorlage an das Bayer. Landesamt für Steuern ist nicht mehr erforderlich.

Das Bundeszentralamt für Steuern hat mitgeteilt, dass die Konsulate und Botschaften Zustellungsersuchen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG nur noch in besonders begründeten Ausnahmefällen nachkommen. Daher wird eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG nur noch dann möglich sein, wenn im Einzelfall wegen drohender Festsetzungsverjährung ein einwandfreier Nachweis des Zugangs des Verwaltungsakts erforderlich ist oder wegen Scheiterns der Zustellung durch internationales Einschreiben mit Rückschein die Zustellung sicher zu stellen ist.

3. Zuzustellende Schriftstücke

Für eine Zustellung im Ausland kommen in erster Linie zustellungsbedürftige Verwaltungsakte in Betracht:

4. Zustellungsersuchen für Zustellungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG in besonders begründeten Ausnahmefällen

Die Zustellungsersuchen sind mit der UNIFA-Word-Vorlage (Ordner Allgemeines/Zustellung nach § 9 VwZG) in 2-facher Ausfertigung dem Bayerischen Landesamt für Steuern vorzulegen. Der Dienstweg ist einzuhalten. Im einzelnen wird gebeten folgendes zu beachten:

  • In dem Ersuchen ist darzulegen, aufgrund welcher besonderen Umstände die Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG erfolgen soll.

  • Für jeden Zustellungsempfänger ist ein gesondertes Ersuchen vorzulegen. Die Zustellung eines Verwaltungsakts an mehrere Personen gemeinsam ist nicht möglich. Es kann nur an einen bestimmten Empfänger zugestellt werden. Dies gilt auch für die Zustellung an Ehegatten (vgl. AEAO zu § 122, Tz. 3.2 u. 3.4).

  • In dem Ersuchen sind die zuzustellenden Schriftstücke einzeln aufzuführen. Name und Anschrift des Zustellungsempfängers sind genau anzugeben. Die Staatsangehörigkeit des Zustellungsempfängers ist mitzuteilen, weil sie für die Form der Zustellung im Ausland von Bedeutung sein kann. Ist sie nicht bekannt, ist dies zu vermerken.

  • Die zuzustellenden Schriftstücke sind sorgfältig auf formelle und sachliche Richtigkeit zu prüfen. Sie sind mit der ausländischen Anschrift des Zustellungsempfängers und mit einem zeitnahen Datum zu versehen. Sofern sie eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, bittet das Bayerische Landesamt für Steuern als Hinweis auf den Beginn der Rechtsbehelfsfrist die Formulierung „Die Rechtsbehelfsfrist beginnt mit Ablauf des Tages der Zustellung” zu verwenden; alle sonst in der Rechtsbehelfsbelehrung enthaltenen Ausführungen sind zu streichen, da sie nicht zutreffen.

  • Zahlungstermine und sonstige vom Finanzamt festgesetzte Termine dürfen nicht auf einen bestimmten Tag festgelegt werden, sondern sind vom Tag der Zustellung abhängig zu machen (z.B. „Zahlen Sie bitte einen Monat nach Zustellung dieses Bescheids”).

  • Dem Zustellungsersuchen ist ein unverschlossener Briefumschlag (kein Fensterkuvert!) beizufügen, der die Anschrift des Empfängers, die Anschrift der absendenden Behörde und das Aktenzeichen tragen soll.

5. Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nach § 123 AO

Von der durch § 9 Abs. 3 VwZG eingeräumten Möglichkeit, bei einer Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 VwZG anzuordnen, dass ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, sollte nur Gebrauch gemacht werden, wenn zu erwarten ist, dass künftig Verwaltungsakte erlassen werden, für die das Gesetz die förmliche Zustellung vorschreibt und auch weiterhin von einem besonders begründeten Ausnahmefall auszugehen ist (vgl. Tz. 3 und 4).

Ansonsten ist vorrangig nach § 123 AO zu verfahren, soweit die Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten für erforderlich oder zweckmäßig gehalten wird. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn einem Beteiligten zeitlich nachfolgend mehrere Verwaltungsakte z.B. im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht bekannt zu geben sind. Um einen Nachweis über den Zugang des Schreibens zu haben, sollte das Anforderungsschreiben regelmäßig durch internationales Einschreiben mit Rückschein gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG zugestellt werden.

Wird auch auf Anforderung kein Empfangsbevollmächtigter benannt, können nicht zustellungsbedürftige Verwaltungsakte in die in Nr. 1.8.4 des AEAO zu § 122 [2] genannten Länder grundsätzlich mit einfachem Brief zur Post gegeben werden; den Empfänger trifft bezüglich des Nachweises, dass er den Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt erhalten hat, die Feststellungslast (vgl. § 123 Satz 3 AO).

Die Rechtsbehelfsbelehrung muss in diesen Fällen hinsichtlich des Tages der Bekanntgabe wie folgt lauten: „……Bei Zusendung durch einfachen Brief gilt der Verwaltungsakt einen Monat nach der Aufgabe zur Post als zugegangen, es sei denn, dass der Verwaltungsakt zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 123 Satz 2 AO).”

Für die Aufforderung zur Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten steht die UNIFA-Word-Vorlage „Benennung Empfangsbevollmächtigter § 123 AO” (Veranlagung/Beschränkte Steuerpflicht) zur Verfügung.

6. Öffentliche Zustellung

Nur wenn ein Schriftstück nicht auf andere Weise zugestellt oder bekannt gegeben werden kann – auch nicht durch Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG – ist eine öffentliche Zustellung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG vorzunehmen. In derartigen Fällen ist der Empfänger zunächst aufzufordern, dem Finanzamt einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen (vgl. Tz. 5) und es ist dabei darauf hinzuweisen, dass die öffentliche Zustellung erfolgen muss, wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird. Erst wenn der Empfänger dieser Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist nicht Folge leistet, ist die öffentliche Zustellung nach § 10 VwZG vorzunehmen. Dem Empfänger ist durch einfachen Brief die öffentliche Zustellung sowie der Tag der Zustellung mitzuteilen und eine Kopie des Verwaltungsakts zu übersenden. Es ist zweckmäßig, den Brief bereits abzusenden, wenn die Benachrichtigung nach § 10 Abs. 2 VwZG durch Aushang bekannt gemacht wird.

7. Besonderheiten bei der Zustellung an Personen in bestimmten Ländern nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG (weitgehend übernommen von der OFD Frankfurt am Main)

Die Amtshilfe der EU-Staaten untereinander erstreckt sich gem. Art. 2 der EG-BeitrRL und § 1 EG-BeitrG u.a. auf Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen sowie Umsatzsteuern einschließlich Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zwangsgelder. Sie umfasst auch verhängte Geldbußen, soweit sie nicht strafrechtlichen Charakter haben.

Sind in den Doppelbesteuerungsabkommen weitere Regelungen zur Amtshilfe getroffen oder wird das Ersuchen durch oder an einen Nicht-EU-Staat gestellt, erstreckt sich dieses regelmäßig auf die Steuern, für die das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen gilt.

Ägypten, Libyen, Pakistan, Rumänien

Die deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen in diesen Ländern nehmen Zustellungen in Steuersachen nur vor, wenn der Empfänger ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Zur Vornahme von Zustellungen an andere Staatsangehörige sehen sich die Vertretungen mangels einer entsprechenden Ermächtigung durch das Gastland als nicht befugt an. Eine Zustellung nach § 9 VwZG an andere Staatsangehörige ist daher nicht möglich.

Afghanistan, Irak, Liberia, Somalia

Die Botschaften in Kabul, Bagdad, Monrovia und Mogadischu sind momentan nicht besetzt. Zustellungen sind daher zurzeit nicht möglich.

Algerien

Die Botschaft in Algier ist derzeit nur eingeschränkt funktionsfähig. Bei einer Zustellung muss daher mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden.

Bosnien-Herzegowina

Zustellungsersuchen werden von der Botschaft an das Außenministerium von Bosnien und Herzegowina übermittelt. Da sich die Verwaltungsstruktur derzeit noch im Aufbau befindet, muss mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden.

In Orte, die in den serbischen Gebieten von Bosnien-Herzegowina, der Republik „Srpska”, liegen, kann nicht zugestellt werden, da diese Orte sich nicht unter der Kontrolle der legalen Behörden von Bosnien-Herzegowina befinden.

Bhutan, Taiwan, Cook Inseln, San Marino

Mit diesen Ländern unterhält die Bundesrepublik Deutschland keine diplomatische Beziehungen, Zustellungen sind daher nicht möglich.

Bulgarien

Die Botschaft kann in eigener Zuständigkeit keine Zustellungen durchführen. Die Zustellungsempfänger werden gebeten, bei der Botschaft vorzusprechen, um die Schriftstücke gegen Unterschrift entgegenzunehmen.

Finnland, Schweden

Vorgesehen sind förmliche Zustellungen über das finnische Finanzministerium bzw. das schwedische Außenministerium. In der Praxis werden Zustellungsersuchen inzwischen jedoch den deutschen Auslandsvertretungen zugeleitet und von diesen bearbeitet.

Ersuchen nach Finnland, welche nicht auf die EG-BeitrRL gestützt werden können, sind, wie bei Italien beschrieben, zu behandeln.

Frankreich

Zustellungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG sind nur an Zustellungsempfänger möglich, die die deutsche oder französische Staatsangehörigkeit besitzen. Die Zustellung an andere Staatsangehörige beschränkt sich auf Schriftstücke in Beitreibungssachen (Artikel 23 DBA-Frankreich).

Italien

Ersuchen nach Italien, die nicht auf die EG-BeitrRL gestützt werden können, sind nach dem Amts- und Rechtshilfeabkommen vom (RStBl 1939 S. 377, BStBl 1957 I, S. 142) nicht zulässig, wenn der Vollstreckungsschuldner italienischer Staatsangehöriger ist und seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in Italien hat. Das gilt nicht,

  • wenn der Vollstreckungsschuldner im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung deutscher Staatsangehöriger war oder den Wohnsitz, den dauernden Aufenthalt oder eine Betriebsstätte in Deutschland hatte oder

  • wenn das Ersuchen einen Fall betrifft, in dem eine Doppelbesteuerung aufgrund des deutsch-italienischen DBA beseitigt oder gemildert ist.

Die Einschränkungen gelten für juristische Personen und Personenvereinigungen sinngemäß. Ersuchen, die sich auf einen Ausnahmetatbestand stützen, sind zu begründen.

Libanon

Zustellungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG an Empfänger im Libanon sind wieder möglich.

Monaco

Für eine Zustellung über die Monegassischen Behörden werden alle Zustellungsstücke in französischer Übersetzung benötigt.

Österreich

Bei den in Österreich zuzustellenden Verwaltungsakten kann die zuständige österreichische Steuerbehörde durch deutsche Finanzämter unmittelbar um Zustellung ersucht werden (Artikel 4 Abs. 2 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BStBl 1955 I, S. 434, i.V.m. Nr. 4 Abs. 4 der Verwaltungsanordnung zur Durchführung des vorgenannten Vertrags vom , 76). Für die Zustellung ist das österreichische Finanzamt zuständig, in dessen Bereich der Zustellungsempfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (ein Verzeichnis der Finanzämter in Österreich enthält Karte 1 zu § 117). Des Weiteren stellt das österreichische Bundesministerium für Finanzen auf seiner Internetseite www.bmf.gr.at/service/behoerden/_start.htm über die Schaltfläche „Finanz- und Zollämter” eine Suchfunktion zur Verfügung, die es ermöglicht, zu einem bekannten Ort das zuständige Finanzamt zu ermitteln).

Polen

Zustellungen werden über die deutschen Auslandsvertretungen durch Weiterleitung an das polnische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten bewirkt und können bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Schweiz, Liechtenstein

Das deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen enthält keine Regelungen über Rechtshilfe bei Zustellungen. Die Auslandsvertretungen in der Schweiz dürfen Zustellungen in Fiskalsachen weder an eigene noch an fremde Staatsangehörige oder an Staatenlose bewirken. Zustellungen an Empfänger in der Schweiz sind daher – sofern kein inländischer Empfangsbevollmächtigter benannt ist – in der Regel durch öffentliche Zustellung zu bewirken (siehe hierzu Tz. 8), da die Schweiz auch gegen die postalische Bekanntgabe Bedenken erhoben hat.

Entsprechendes gilt für Zustellungen an Empfänger in Liechtenstein.

Tatsächlich führen die deutschen Auslandsvertretungen in der Schweiz erfahrungsgemäß Zustellungen durch, wenn der Zustellungsempfänger ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Hierauf ist in dem Ersuchen ausdrücklich hinzuweisen. Die Entscheidung über eine Zustellung obliegt ausschließlich der Auslandsvertretung.

Tschechische Republik

Die deutsche Botschaft in Prag darf in der Tschechischen Republik nur formlose Zustellungen an deutsche Zustellungsempfänger vornehmen. Auch an Zustellungsempfänger mit doppelter Staatsbürgerschaft darf nicht zugestellt werden. Die Tschechische Republik gehört nicht zu den Staaten, die eine postalische Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten gestatten.

Ehemalige UdSSR

Zustellungen in die Länder der ehemaligen UdSSR sind über die dortigen deutschen Vertretungen möglich.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0284 - 51 St 41M

Fundstelle(n):
UAAAC-16453

1Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Kanada, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Slowenien, Slowakei, Spanien, Ungarn, USA (vgl. AIS: AO/FGO, Änderung des AEAO, eingestellt am )

2vgl. Fußnote 1