Ungleichbehandlung der Dividendenbesteuerung – Deutsche Kapitalertragsteuer auf Portfolio-Dividenden an ausländische Kapitalgesellschaften europarechtswidrig
Leitsatz
Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 Abs. 1 EG verstoßen, dass sie für den Fall, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in der durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom geänderten Fassung vorgesehene Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschüttet werden.
Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom verstoßen, dass sie Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Island oder in Norwegen ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschüttet werden.
Gesetze: KStG § 8bKStG § 31 Abs. 1 Satz 1KStG § 32 Abs. 1 Nr. 2EStG § 36
Instanzenzug: ,
Gründe
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG, für den Fall, dass die in der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) in der durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom (ABl. 2004, L 7, S. 41) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 90/435) vorgesehene Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, und - soweit die Republik Island und das Königreich Norwegen betroffen sind - aus Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie Dividenden, die an eine Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder im Europäischen Wirtschaftsraum ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an eine Gesellschaft mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschüttet werden.
Rechtlicher Rahmen
EWR-Abkommen
Art. 40 des EWR-Abkommens sieht vor:
"Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den ... Mitgliedstaaten [der Europäischen Union] oder den ... Staaten [der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)] ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten."
Unionsrecht
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 bestimmt:
"Im Sinne dieser Richtlinie gilt als:
a) 'Muttergesellschaft' wenigstens jede Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die die Bedingungen des Artikels 2 erfüllt und die einen Anteil von wenigstens 20 % am Kapital einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats hält, die die gleichen Bedingungen erfüllt.
...
Ab beträgt der Mindestanteil 15 %.
Ab beträgt der Mindestanteil 10 %.
..."
Gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 sind die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle befreit.
Nationales Recht
Dividendenbesteuerung im Allgemeinen
Die deutsche Kapitalertragsteuerregelung ergibt sich aus dem Einkommensteuergesetz (BGBl. 2002 I S. 4210) in der Fassung der Bekanntmachung im BGBl. 2003 I S. 179 (im Folgenden: EStG) in Verbindung mit - in Bezug auf die Besteuerung juristischer Personen - dem Körperschaftsteuergesetz (BGBl. 2002 I S. 4144, im Folgenden auch: KStG). Die einschlägigen Bestimmungen in ihrer auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung sind in den Randnrn. 6 bis 15 des vorliegenden Urteils aufgeführt.
In § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG heißt es:
"Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören
1. Gewinnanteile (Dividenden) ... einer Kapitalgesellschaft ..., aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben. Zu den sonstigen Bezügen gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Die Bezüge gehören nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto im Sinne des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes als verwendet gelten. ..."
§ 43 ("Kapitalerträge mit Steuerabzug") Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 EStG sieht vor:
"Bei den folgenden inländischen und in den Fällen der Nummer 7 Buchstabe a und Nummer 8 sowie Satz 2 auch ausländischen Kapitalerträgen wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben:
1. Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2. ...
...
Der Steuerabzug ist ungeachtet des § 3 Nr. 40 und des § 8b des Körperschaftsteuergesetzes vorzunehmen."
§ 44 ("Entrichtung der Kapitalertragsteuer") Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG bestimmt:
"Schuldner der Kapitalertragsteuer ist in den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ... der Gläubiger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. In diesem Zeitpunkt ha[t] in den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ... der Schuldner der Kapitalerträge ... den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen."
Die Bemessung der Kapitalertragsteuer richtet sich nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG, wo es heißt:
"Die Kapitalertragsteuer beträgt
1. in den Fällen des § 43 Abs. l Satz 1 Nr. 1 ...:
Prozent des Kapitalertrags".
Für Dividenden einer auszahlenden Tochtergesellschaft sieht § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG vor, dass diese bei der Ermittlung des Einkommens der Muttergesellschaft außer Ansatz bleiben.
Besteuerung von Dividenden bei Ausschüttung an eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland
Hinsichtlich der Besteuerung von Dividenden bei Ausschüttung an eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland verweist § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG auf die einschlägigen Vorschriften des EStG.
In § 36 ("Entstehung und Tilgung der Einkommensteuer") Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 2 EStG heißt es:
"(2) Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:
...
2. die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer, soweit sie auf die ... nach § 8b Abs. 1 und 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Bezüge entfällt und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist. Die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer wird nicht angerechnet, wenn die in § 45a Abs. 2 oder 3 bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist. ...
...
(4) ... Wenn sich nach der Abrechnung ein Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen ergibt, wird dieser dem Steuerpflichtigen nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ausgezahlt."
Besteuerung von Dividenden bei Ausschüttung an eine Gesellschaft mit Sitz außerhalb Deutschlands
Gesellschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz in Deutschland haben oder die in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, gelten nach § 2 KStG als mit ihren inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig.
Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG ist die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, durch den Steuerabzug abgegolten, wenn der Bezieher der Einkünfte beschränkt steuerpflichtig ist.
Nach § 43b EStG wird die Kapitalertragsteuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nicht erhoben, wenn die Mindestbeteiligung der in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/435 vorgesehene Mindestbeteiligung erreicht.
Doppelbesteuerungsabkommen
Die Doppelbesteuerungsabkommen, die die Bundesrepublik Deutschland mit allen anderen Mitgliedstaaten sowie mit der Republik Island und dem Königreich Norwegen geschlossen hat, sehen Bestimmungen über die Anrechnung der in Deutschland erhobenen Quellensteuer auf die Steuer vor, die in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist. Der anzurechnende Betrag darf nicht den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer übersteigen, der auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte entfällt, und die betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen sehen keine Erstattung eines möglichen Guthabens aus der Differenz zwischen der Steuerlast im betroffenen Mitgliedstaat und der in Deutschland erhobenen Quellensteuer vor.
Vorverfahren
Mit Mahnschreiben vom machte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland darauf aufmerksam, dass sie Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der deutschen Regelung der Dividendenbesteuerung mit Art. 56 EG und Art. 40 des EWR-Abkommens habe, weil sie inländische Gesellschaften im Hinblick auf den Bezug von Dividenden steuerlich günstiger stelle als Gesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens ansässig seien.
Die Bundesregierung antwortete auf das Mahnschreiben mit Mitteilung vom .
Am richtete die Kommission an die Bundesrepublik Deutschland eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ausführte, dass sie es für nicht mit Art. 56 EG vereinbar halte, dass die Gesamtbelastung inländischer Dividenden durch inländische Quellen- zuzüglich Einkommensteuer zu einer Besteuerung führe, die unter der Quellensteuer auf die in das Ausland gehenden Dividenden liege.
In ihrer Mitteilung vom beanstandete die Bundesregierung, dass das Mahnschreiben, das auf einer unzutreffenden Beschreibung des deutschen Steuerrechts beruhe, indem es davon ausgehe, dass für inländische Muttergesellschaften keine Pflicht zur Entrichtung der Quellensteuer auf Dividenden bestehe, von der mit Gründen versehenen Stellungnahme abweiche, die zutreffend feststelle, dass auch deutsche Anteilseigner die Quellensteuer zu entrichten hätten, aber anders als das Mahnschreiben folgere, dass die Verletzung des freien Kapitalverkehrs in der abgeltenden Wirkung der Quellensteuer gegenüber Muttergesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland oder in den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens liege.
In Beantwortung dieser Mitteilung sandte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland am ein ergänzendes Mahnschreiben, in dem sie erklärte, dass der substanzielle Gehalt des Vorverfahrens durch die unzutreffende Beschreibung des deutschen Steuerrechts nicht berührt werde. Da den deutschen Anteilseignern die Anrechnung der Quellensteuer auf die Körperschaftsteuer zugutekomme, während für Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten oder in den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens dieselbe Quellensteuer abgeltende Wirkung habe, unterlägen Letztere einer höheren Dividendenbesteuerung.
Die Kommission kam dem Ersuchen der Bundesregierung um Verlängerung der Frist zur Beantwortung des ergänzenden Mahnschreibens nicht nach und gab am eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme ab.
Die Bundesrepublik Deutschland reagierte auf diese ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme mit einer Mitteilung vom , in der sie die Kommission von ihrer Absicht in Kenntnis setzte, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme nachzukommen.
Nach der Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht bis zum Ablauf der Frist von zwei Monaten, die ihr in der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden sei, ihre Steuervorschriften geändert habe, um dieser Stellungnahme nachzukommen und eine Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Gesellschaften zu gewährleisten, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Die Kommission trägt vor, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG und Art. 40 des EWR-Abkommens verstoßen habe, indem sie die wirtschaftliche Belastung der durch Abzug an der Quelle einbehaltenen Kapitalertragsteuer auf Dividendenausschüttungen nur gegenüber Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsführung in Deutschland dadurch beseitige, dass sie ihnen die Anrechnung und Erstattung dieser Steuer ermögliche, solche steuerlichen Vorteile aber weder durch nationale Maßnahmen noch durch Doppelbesteuerungsabkommen - sei es mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sei es mit der Republik Island oder dem Königreich Norwegen - dortigen Muttergesellschaften zugutekommen lasse.
Muttergesellschaften mit Sitz in Deutschland und solche mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten oder in den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens befinden sich der Kommission zufolge in einer objektiv vergleichbaren Situation. Die Bundesrepublik Deutschland habe sich dafür entschieden, die Mehrfachbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne in wirtschaftlicher Hinsicht zu vermeiden, doch unterlägen nur Muttergesellschaften mit Sitz und Geschäftsführung in Deutschland letztlich nicht der wirtschaftlichen Belastung durch die einmal entrichtete Quellensteuer, nicht nur weil sie diese zur Gänze auf ihre Körperschaftsteuerlast anrechnen lassen könnten, sondern auch weil sie eine Erstattung erwirken könnten, wenn die zu entrichtende Einkommensteuer niedriger sei als die einbehaltene Quellensteuer, so dass sie in Wirklichkeit keine Steuer auf die an sie ausgeschütteten Dividenden entrichteten. Dagegen könnten Muttergesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten oder in den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens der wirtschaftlichen Belastung durch die Quellensteuer nicht völlig entgehen, die, wenn sie erst einmal abgezogen sei, als definitiv entrichtet gelte.
Die Kommission stellt insoweit klar, dass ihre Klage auf die Zahlungen von Dividenden an Kapitalgesellschaften beschränkt sei und dass ein Vergleich zwischen der Gesamtsteuerbelastung von Dividenden, die von natürlichen Personen und Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften im Ausland andererseits bezogen würden, nicht zulässig sei, weil es sich um unterschiedliche Situationen handle.
Gewähre ein Mitgliedstaat Vorteile bei der Besteuerung von Dividenden, einschließlich solcher, die wirtschaftlich dadurch zum Tragen kämen, dass durch Anrechnung oder Erstattung eine zuvor an der Quelle eingehobene Steuerlast neutralisiert werde, dürften diese Vorteile nicht auf inländische Dividendenempfänger beschränkt, sondern müssten auch auf Empfänger aus anderen Mitgliedstaaten oder aus Vertragsstaaten des EWR-Abkommens ausgedehnt werden.
Zur möglichen Auswirkung der Doppelbesteuerungsabkommen macht die Kommission erstens geltend, dass die in solchen Abkommen vorgesehene bloße Herabsetzung des Quellensteuersatzes für Dividendenzahlungen an Muttergesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten oder in Vertragsstaaten des EWR-Abkommens allein keine völlige wirtschaftliche Gleichbehandlung herbeiführe, da sie nicht einer völligen wirtschaftlichen Befreiung von der Quellensteuer entspreche, wie sie Muttergesellschaften mit Sitz in Deutschland hingegen zugutekomme.
Zweitens trügen die in den von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Anrechnungsmechanismen bestenfalls zur Abschwächung der Doppelbesteuerung zugunsten nicht in Deutschland ansässiger Muttergesellschaften bei, führten aber nicht in jedem Fall zu einer vollen wirtschaftlichen Entlastung, da die Entlastungsverpflichtung auf einen Anrechnungshöchstbetrag begrenzt sei.
Ferner sei der Umstand, dass ausländische Muttergesellschaften nicht der Gewerbesteuer unterlägen, keine steuerliche Vergünstigung, da eine solche Vergünstigung, selbst wenn sie vorläge, wegen ihrer Andersartigkeit auch nicht ausreichte, um die steuerliche Benachteiligung durch das Definitivwerden der bei eben diesen Muttergesellschaften an der Quelle erhobenen Kapitalertragsteuer auszugleichen. Der Grund dafür, dass eine Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens keine Gewerbesteuer zu entrichten habe, sei der, dass sie kein Gewerbe in einer deutschen Gemeinde betreibe und es am steuerbaren Gegenstand fehle.
Schließlich macht die Kommission geltend, dass das streitige Steuersystem weder mit dem Erfordernis, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, noch mit Gründen der Kohärenz des deutschen Steuersystems gerechtfertigt werden könne.
Die Bundesrepublik Deutschland wirft der Kommission vor, dass sie die steuerliche Freistellung der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften isoliert prüfe, obwohl Deutschland seit 2001 ein Teileinkünftesystem praktiziere, das die Dividendenbesteuerung in zwei Schritte teile. Danach werde im ersten Teilbesteuerungsschritt die ausschüttende Gesellschaft mit einer definitiven, nicht anrechenbaren Körperschaftsteuer belastet, und zwar seit dem in Höhe von 15 %, wohingegen im zweiten Teilbesteuerungsschritt der letzte Anteilseigner, an den ausgeschüttet werde, in einem Umfang belastet werde, der zusammen mit dem ersten Teilbesteuerungsschritt zu einer vollen Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns führe. Folgerichtig erhalte man eine Einmal-Vollbesteuerung in zwei Teilbesteuerungsschritten, und zwischengeschaltete Anteilseignergesellschaften würden von der Besteuerung freigestellt, um eine Überbesteuerung zu verhindern. Der Verzicht auf eine Besteuerung der Dividendenausschüttung an eine gebietsansässige Anteilseignergesellschaft gemäß § 8b KStG sei somit gerade nicht als eine Entscheidung zu beurteilen, die Zuständigkeit für die Dividendenbesteuerung nicht wahrzunehmen, da diese mittels eines mehrere Schritte umfassenden Gesamtsystems wahrgenommen werde.
Dieser Grundsatz der Einmal-Vollbesteuerung des in Deutschland erwirtschafteten ausgeschütteten Gewinns gelte im Inlandsfall wie auch im grenzüberschreitenden Fall. Die steuerliche Gleichbelastung der Dividendenausschüttung im Inlandsfall und im grenzüberschreitenden Fall durch die Bundesrepublik Deutschland fordere allerdings im zuletzt genannten Fall ein Vorziehen des zweiten Besteuerungsschritts, weil die Bundesrepublik Deutschland auf die Ausschüttung durch die ausländische Muttergesellschaft an ihren ausländischen Anteilseigner keinen steuerlichen Zugriff habe. Nach dem Aufteilungs- und Territorialitätsgrundsatz habe der einzelne Mitgliedstaat aber das Recht, die in seinem Gebiet erwirtschafteten Gewinne zu besteuern.
Die Bundesrepublik Deutschland räumt ein, dass sie inländische und ausländische Kapitalgesellschaften als Empfänger von Dividendenausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften ungleich behandele, da nur inländische Kapitalgesellschaften in den Genuss der Steuerfreistellung gemäß § 8b KStG kämen.
Diese Ungleichbehandlung sei jedoch nur formal und führe nicht zu einer Diskriminierung der Muttergesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens.
Zum einen befänden sich in Deutschland ansässige Gesellschaften und Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten oder in Vertragsstaaten des EWR-Abkommens im Hinblick auf das Ziel des § 8b KStG, im Rahmen der Anwendung des Systems der Teileinkünftebesteuerung die Überbesteuerung der Dividenden in Deutschland zu vermeiden, nicht in einer vergleichbaren Situation. Denn im Fall der Ausschüttung der Dividenden an eine Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens trete die Gefahr der Überbesteuerung nicht auf.
Zum anderen würden ausländische Investoren durch das deutsche Steuerrecht nicht davon abgehalten, in Beteiligungen an in Deutschland ansässigen Unternehmen zu investieren, da - vorbehaltlich einer Reduzierung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens - die Belastung an ausländische Empfänger gezahlter Dividenden mit deutscher Steuer prinzipiell genauso hoch sei wie die Belastung an inländische Empfänger gezahlter Dividenden.
Zu einer zusätzlichen Besteuerung komme es im Fall der grenzüberschreitenden Dividendenausschüttung erst durch den Ansässigkeitsstaat des Empfängers, was das Ergebnis des Nebeneinanders der Steuerrechtsordnungen sei.
Nach den mit allen anderen Mitgliedstaaten der Union sowie mit der Republik Island und dem Königreich Norwegen geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung beschränke sich die Bundesrepublik Deutschland auf eine Quellenbesteuerung der Dividende in Höhe von in der Regel 10 % oder 15 %. Unter Berücksichtigung dieser Abkommen besteuere Deutschland an ausländische Empfänger gezahlte Dividenden sogar erheblich niedriger als solche, die an inländische Empfänger gezahlt würden.
Darüber hinaus sähen die Doppelbesteuerungsabkommen vor, dass eine drohende Doppelbesteuerung durch eine Anrechnung der in Deutschland erhobenen Quellensteuer auf die Steuer im Sitzstaat des die Dividenden empfangenden Unternehmens vermieden werde.
Schließlich führt die Bundesrepublik Deutschland aus, dass Dividendenausschüttungen an inländische Körperschaften zwar von der Körperschaftsteuer befreit seien, die Dividenden aber für die Berechnung der Gewerbesteuerlast dieser Körperschaften nach dem Gewerbesteuergesetz berücksichtigt würden. Im Gegensatz hierzu unterlägen Dividenden, die an ausländische Körperschaften ausgeschüttet würden, nicht der Gewerbesteuer.
Hilfsweise trägt die Bundesrepublik Deutschland vor, dass das deutsche System der Dividendenbesteuerung jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei, insbesondere durch die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse in Verbindung mit dem Territorialitätsgrundsatz und das Erfordernis, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren.
Würdigung durch den Gerichtshof
Zum Verstoß gegen Art. 56 Abs. 1 EG
- Zum Bestehen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteile vom , Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, C-374/04, Slg. 2006, I-11673, Randnr. 36, vom , Amurta, C-379/05, Slg. 2007, I-9569, Randnr. 16, vom , Kommission/Italien, C-540/07, Slg. 2009, I-10983, Randnr. 28, und vom , Kommission/Spanien, C-487/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37).
Insbesondere ist es Sache jedes Mitgliedstaats, unter Beachtung des Unionsrechts sein System der Besteuerung von Gewinnausschüttungen zu gestalten und in diesem Rahmen die auf den empfangenden Anteilsinhaber anwendbare Besteuerungsgrundlage und den für ihn geltenden Steuersatz zu bestimmen (vgl. u. a. Urteile Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 50, vom , Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Randnr. 47, vom , Orange European Smallcap Fund, C-194/06, Slg. 2008, I-3747, Randnr. 30, und vom , Damseaux, C-128/08, Slg. 2009, I-6823, Randnr. 25).
Außerdem bleiben die Mitgliedstaaten in Ermangelung unionsrechtlicher Maßnahmen zur Vereinheitlichung oder Harmonisierung befugt, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen (Urteile vom , Gilly, C-336/96, Slg. 1998, I-2793, Randnrn. 24 und 30, und vom , Saint-Gobain ZN, C-307/97, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 57, sowie Amurta, Randnr. 17, Kommission/Italien, Randnr. 29, und Kommission/Spanien, Randnr. 38).
Wie sich insbesondere aus dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 90/435 ergibt, bezweckt diese, durch Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems jede Benachteiligung der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften desselben Mitgliedstaats zu beseitigen und damit den Zusammenschluss von Gesellschaften auf Unionsebene zu erleichtern (Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 103, Amurta, Randnr. 18, und Kommission/Spanien, Randnr. 39).
Es ist Sache der Mitgliedstaaten, für die nicht unter die Richtlinie 90/435 fallenden Beteiligungen festzulegen, ob und in welchem Umfang die wirtschaftliche Doppelbesteuerung oder mehrfache Belastung der ausgeschütteten Gewinne vermieden werden soll, und dazu einseitig oder durch mit anderen Mitgliedstaaten geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen Mechanismen zur Vermeidung oder Abschwächung dieser wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder mehrfachen Belastung einzuführen. Dies allein erlaubt es ihnen aber nicht, Maßnahmen anzuwenden, die gegen die vom EG-Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten verstoßen (vgl. Urteile Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 54, Amurta, Randnr. 24, Kommission/Italien, Randnr. 31, und Kommission/Spanien, Randnr. 40).
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass nach den deutschen Rechtsvorschriften Dividenden einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft der Quellensteuer unterliegen, ohne dass es darauf ankommt, ob sie an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland oder an Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschüttet werden. Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet werden, bleiben jedoch zum einen nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz und kommen zum anderen in den Genuss der Anrechnung der Quellensteuer. Außerdem wird der betreffende Anrechnungsbetrag dem Steuerpflichtigen gemäß § 36 Abs. 2 und 4 EStG erstattet, soweit der Betrag der zu entrichtenden Einkommensteuer niedriger ist als der Anrechnungsbetrag. Folglich unterliegen gebietsansässige Empfängergesellschaften keiner steuerlichen Belastung durch die Quellensteuer.
In Bezug auf Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt werden, gilt hingegen, wenn die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/435 vorgesehene Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, die Quellensteuer nach deutschem Steuerrecht als endgültig erhoben.
Es wird nicht bestritten, dass die deutschen Steuervorschriften dadurch Dividenden je nachdem, ob sie an gebietsansässige oder an gebietsfremde Empfängergesellschaften ausgeschüttet werden, ungleich behandeln.
Insoweit macht die Bundesrepublik Deutschland jedoch geltend, zum einen befänden sich die Dividenden beziehenden Gesellschaften im Hinblick auf das Ziel der streitigen Steuervorschriften nicht in einer vergleichbaren Situation und zum anderen würden Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt würden, steuerlich nicht höher belastet als Dividenden, die an inländische Gesellschaften ausgeschüttet würden.
Erstens ist zu prüfen, ob sich im Hinblick auf das Ziel der betreffenden Vorschriften, das der Bundesrepublik Deutschland zufolge in der Vermeidung der Überbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne in Deutschland besteht, Dividenden beziehende Gesellschaften in einer vergleichbaren Situation befinden oder nicht, je nachdem, ob sie in Deutschland oder anderswo ansässig sind.
Insoweit ist festzustellen, dass das Ziel der Vermeidung der Überbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne in Deutschland erreicht wird, indem die Mehrfachbesteuerung der an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden nach den in Randnr. 49 des vorliegenden Urteils beschriebenen Modalitäten beseitigt wird.
Zwar befinden sich nach der Rechtsprechung Dividenden beziehende gebietsansässige Gesellschaften in Bezug auf Maßnahmen eines Mitgliedstaats zur Vermeidung oder Abschwächung der mehrfachen Belastung oder der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Gewinne nicht unbedingt in einer Situation, die der von Dividenden beziehenden Gesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, vergleichbar wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Denkavit Internationaal und Denkavit France, C-170/05, Slg. 2006, I-11949, Randnr. 34, sowie Amurta, Randnr. 37, Kommission/Italien, Randnr. 51, und Kommission/Spanien, Randnr. 50).
Sobald jedoch ein Mitgliedstaat nicht nur die gebietsansässigen, sondern auch die gebietsfremden Gesellschaften hinsichtlich der Dividenden, die sie von einer gebietsansässigen Gesellschaft beziehen, einseitig oder im Wege eines Abkommens der Einkommensteuer unterwirft, nähert sich die Situation der gebietsfremden Gesellschaften derjenigen der gebietsansässigen Gesellschaften an (vgl. in diesem Sinne Urteile Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 68, Denkavit Internationaal und Denkavit France, Randnr. 35, Amurta, Randnr. 38, Kommission/Italien, Randnr. 52, und Kommission/Spanien, Randnr. 51).
Allein schon die Ausübung der Steuerhoheit durch diesen Mitgliedstaat birgt nämlich unabhängig von einer Besteuerung in einem anderen Mitgliedstaat die Gefahr einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in sich. In einem solchen Fall hat der Staat des Sitzes der ausschüttenden Gesellschaft dafür zu sorgen, dass die gebietsfremden Empfängergesellschaften hinsichtlich des in seinem nationalen Recht vorgesehenen Mechanismus zur Vermeidung oder Abschwächung einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung eine Behandlung erfahren, die derjenigen der gebietsansässigen Empfängergesellschaften gleichwertig ist, damit sie sich nicht einer - nach Art. 56 EG grundsätzlich verbotenen - Beschränkung des freien Kapitalverkehrs gegenübersehen (vgl. Urteile Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 70, Amurta, Randnr. 39, Kommission/Italien, Randnr. 53, und Kommission/Spanien, Randnr. 52).
Im vorliegenden Fall hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf Dividenden, die an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften ausgeschüttet werden, für die Ausübung ihrer Steuerhoheit entschieden. Gebietsfremde Gesellschaften, an die diese Dividenden ausgeschüttet werden, befinden sich folglich, was die Gefahr einer mehrfachen Besteuerung der von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden angeht, in einer Situation, die der gebietsansässiger Gesellschaften vergleichbar ist, so dass gebietsfremde Empfängergesellschaften nicht anders behandelt werden dürfen als gebietsansässige (Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 53).
Diese Feststellung wird nicht durch das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt, wonach sich gebietsansässige und gebietsfremde Dividenden beziehende Gesellschaften nicht in einer vergleichbaren Situation befänden, weil nur bei Gewinnen, die von Ersteren weiterverteilt würden, die Gefahr einer Doppelbesteuerung in Deutschland bestehe, da Deutschland nur die Einkünfte derjenigen Anteilseigner der betreffenden Gesellschaften besteuern könne, die im Inland ansässig seien.
Abgesehen davon, dass nicht auszuschließen ist, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft in Deutschland ansässige Anteilseigner hat, liefe ein Vergleich der Steuerbelastung von Dividenden, die an gebietsfremde Gesellschaften gezahlt werden, mit der Gesamtsteuerbelastung, der die Dividenden unterliegen, wenn eine gebietsansässige Empfängergesellschaft sie an ihre gebietsansässigen Anteilseigner weiterverteilt, auf einen Vergleich nicht vergleichbarer Regelungen und Situationen hinaus, nämlich inländische Dividenden vereinnahmender natürlicher Personen und der für sie geltenden Einkommensteuerregelung einerseits und abfließende Dividenden empfangender Kapitalgesellschaften und der von der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Quellensteuer andererseits (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, Randnr. 43).
Zweitens verweist die Bundesrepublik Deutschland dafür, dass die Steuerbelastung der Dividenden, die an in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaften gezahlt werden, nicht höher sei als die Belastung der an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden, auf die mit sämtlichen Mitgliedstaaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen sowie den Umstand, dass im Unterschied zu gebietsfremden Gesellschaften gebietsansässige Gesellschaften in Deutschland der Gewerbesteuer unterlägen.
Was die Auswirkung der Doppelbesteuerungsabkommen angeht, hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass nicht auszuschließen ist, dass ein Mitgliedstaat die Beachtung seiner Verpflichtungen aus dem Vertrag dadurch sicherzustellen vermag, dass er mit einem anderen Mitgliedstaat ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung schließt (vgl. in diesem Sinne Urteile Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 71, Amurta, Randnr. 79, Kommission/Italien, Randnr. 36, und Kommission/Spanien, Randnr. 58).
Dafür ist jedoch erforderlich, dass die Anwendung eines solchen Abkommens es erlaubt, die Wirkungen der sich aus dem nationalen Recht ergebenden unterschiedlichen Behandlung auszugleichen (vgl. Urteile Kommission/Italien, Randnr. 37, und Kommission/Spanien, Randnr. 59).
Nach ihren eigenen Angaben beschränkt sich die Bundesrepublik Deutschland in Anwendung der mit den anderen Mitgliedstaaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen auf eine Quellenbesteuerung der Dividenden in Höhe von in der Regel 10 % oder 15 %; darüber hinaus einbehaltene Quellensteuer werde dem Anteilseigner nach nationalem Recht erstattet.
Wie die Kommission zu Recht geltend macht, vermag jedoch die bloße Herabsetzung des Quellensteuersatzes für Dividendenausschüttungen an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaften allein nicht die Wirkungen der sich aus den nationalen Steuervorschriften ergebenden unterschiedlichen Behandlung auszugleichen, da sie nicht der Neutralisierung der wirtschaftlichen Belastung durch die Quellensteuer nach den in Randnr. 49 des vorliegenden Urteils beschriebenen Modalitäten entspricht, wie sie in Deutschland ansässigen Gesellschaften zugutekommt.
Die Bundesrepublik Deutschland macht ferner geltend, dass gemäß den Doppelbesteuerungsabkommen eine drohende Doppelbesteuerung durch eine Anrechnung der Quellensteuer auf die im Sitzstaat geschuldete Steuer vermieden werde. Nach den vom beklagten Mitgliedstaat nicht bestrittenen Angaben der Kommission sehen diese Abkommen vor, dass die Anrechnungspflicht auf einen Höchstbetrag begrenzt ist.
Hierzu ist festzustellen, dass die Anwendung der Anrechnungsmethode es erlauben müsste, die in Deutschland erhobene Dividendensteuer auf die im Sitzstaat der Empfängergesellschaft geschuldete Steuer vollständig anzurechnen, so dass - sollten die von dieser Gesellschaft bezogenen Dividenden letztlich höher belastet werden als Dividenden, die an in Deutschland ansässige Gesellschaften ausgeschüttet werden - diese höhere steuerliche Belastung nicht mehr der Bundesrepublik Deutschland zuzuordnen wäre, sondern dem Sitzstaat der Empfängergesellschaft, der seine Steuerhoheit ausgeübt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 60).
Die unterschiedliche Behandlung kann daher nur dann mit der betreffenden Anrechnungsmethode neutralisiert werden, wenn die aus Deutschland stammenden Dividenden in dem anderen Mitgliedstaat hinreichend besteuert werden. Werden diese Dividenden jedoch nicht oder nicht hinreichend besteuert, kann der Betrag der in Deutschland erhobenen Steuer oder ein Teil davon nicht angerechnet werden (vgl. Urteile Kommission/Italien, Randnr. 38, und Kommission/Spanien, Randnr. 62).
Zudem hängt die Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe die aus Deutschland stammenden Einkünfte in dem anderen Mitgliedstaat besteuert werden, nicht von der Bundesrepublik Deutschland, sondern von der Ausgestaltung der Besteuerung durch den anderen Mitgliedstaat ab (Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 64).
Die Bundesrepublik Deutschland kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Anrechnung der in Deutschland entrichteten Steuer auf die in einem anderen Mitgliedstaat geschuldete Steuer gemäß den Doppelbesteuerungsabkommen es in allen Fällen erlaube, die unterschiedliche Behandlung zu neutralisieren, die sich aus der Anwendung der nationalen Steuervorschriften und der Bestimmungen der betreffenden Abkommen ergebe, die eine Herabsetzung des Quellensteuersatzes bewirkten (vgl. auch Urteile Kommission/Italien, Randnr. 39, und Kommission/Spanien, Randnr. 64).
Soweit die Bundesrepublik Deutschland schließlich vorträgt, dass Dividenden beziehende Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht die Gewerbesteuer entrichten müssten, der Dividenden beziehende Gesellschaften mit Sitz in Deutschland unterlägen, genügt der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine steuerliche Benachteiligung, die gegen eine Grundfreiheit verstößt, nicht wegen des etwaigen Bestehens anderer Vorteile als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Verkooijen, C-35/98, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 61, Amurta, Randnr. 75, und vom , Dijkman und Dijkman-Lavaleije, C-233/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41).
Aus dem Vorstehenden ist zu folgern, dass die Ungleichbehandlung der Dividenden je nachdem, ob sie an gebietsansässige oder gebietsfremde Gesellschaften ausgeschüttet werden, wie sie in den deutschen Steuervorschriften vorgesehen ist, Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten von Investitionen in Deutschland abhalten und auch ein Hindernis für die Beschaffung von Kapital durch gebietsansässige Gesellschaften bei Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten darstellen kann.
Folglich stellen die betreffenden Rechtsvorschriften eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 56 Abs. 1 EG grundsätzlich verboten ist.
- Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs
Nach ständiger Rechtsprechung können nationale Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses unter der Voraussetzung gerechtfertigt sein, dass sie dazu geeignet sind, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteile vom , Kommission/Deutschland, C-112/05, Slg. 2007, I-8995, Randnrn. 72 und 73, und Dijkman und Dijkman-Lavaleije, Randnr. 49).
Hierzu führt die Bundesrepublik Deutschland erstens aus, dass die deutsche Regelung der Dividendenbesteuerung, mit der eine Einmal-Vollbesteuerung des Gewinns im Inlandsfall wie auch im grenzüberschreitenden Fall sichergestellt werden solle, durch die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse in Verbindung mit dem Territorialitätsgrundsatz, wonach der einzelne Mitgliedstaat das Recht habe, die in seinem Gebiet erwirtschafteten Gewinne zu besteuern, gerechtfertigt sei. Nur die Anwendung der Quellensteuer erlaube es der Bundesrepublik Deutschland, darauf zu achten, dass Dividenden, die dank der mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Gebiet erwirtschafteten Erträge ausgeschüttet würden, einmalig und in vollem Umfang der deutschen Steuer unterworfen würden.
Die Bundesrepublik Deutschland meint außerdem, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere Randnr. 59 des Urteils Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation sowie Randnr. 83 des Urteils vom , Glaxo Wellcome (C-182/08, Slg. 2009, I-8591), ergebe sich, dass, wenn vom Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft verlangt würde, dafür zu sorgen, dass die an einen gebietsfremden Anteilseigner ausgeschütteten Gewinne nicht einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung unterworfen würden, dies letztlich bedeuten würde, dass dieser Staat auf sein Recht zur Besteuerung eines Einkommens verzichten müsse, das durch eine in seinem Hoheitsgebiet ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit erzielt worden sei.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Rechtfertigung mit der Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere dann anerkannt werden kann, wenn mit der betreffenden Regelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden (vgl. Urteile vom , Rewe Zentralfinanz, C-347/04, Slg. 2007, I-2647, Randnr. 42, vom , Oy AA, C-231/05, Slg. 2007, I-6373, Randnr. 54, Amurta, Randnr. 58, und vom , Aberdeen Property Fininvest Alpha, C-303/07, Slg. 2009, I-5145, Randnr. 66).
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich aber auch, dass sich ein Mitgliedstaat, wenn er sich dafür entschieden hat, die in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Empfängergesellschaften im Hinblick auf derartige Einkünfte nicht zu besteuern, nicht auf die Notwendigkeit berufen kann, eine ausgewogene Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, um die Besteuerung von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfängergesellschaften zu rechtfertigen (Urteile Amurta, Randnr. 59, und Aberdeen Property Fininvest Alpha, Randnr. 67).
Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland betont, dass § 8b KStG nicht als Ausdruck ihrer Entscheidung zu beurteilen sei, ihre Zuständigkeit für die Dividendenbesteuerung nicht wahrzunehmen, steht jedoch fest, dass für Gesellschaften mit Sitz in Deutschland hinsichtlich der von inländischen ausschüttenden Gesellschaften gezahlten Dividenden die Wirkungen der Quellensteuer vollständig neutralisiert werden.
Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass, wenn vom Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft verlangt würde, dafür zu sorgen, dass die an einen gebietsfremden Anteilseigner ausgeschütteten Gewinne nicht einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung unterworfen werden - indem er entweder der ausschüttenden Gesellschaft hinsichtlich dieser Gewinne Steuerfreiheit oder diesem Anteilseigner eine Steuervergünstigung gewährt, die der von der ausschüttenden Gesellschaft auf diese Gewinne entrichteten Steuer entspricht -, dies letztlich bedeuten würde, dass dieser Staat auf sein Recht zur Besteuerung eines Einkommens, das durch eine in seinem Hoheitsgebiet ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit erzielt wurde, verzichten muss (vgl. Urteile Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 59, und Glaxo Wellcome, Randnr. 83).
Im vorliegenden Fall jedoch würden die Befreiung von der Quellensteuer oder die der von der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Quellensteuer entsprechende Steuervergünstigung, wenn sie Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt würden, letztlich nicht bedeuten, dass Deutschland auf sein Recht zur Besteuerung eines Einkommens, das durch eine in seinem Hoheitsgebiet ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit erzielt wurde, verzichten muss. Denn die von den gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden sind bereits bei den ausschüttenden Gesellschaften als von diesen erzielte Gewinne besteuert worden.
Gewiss würde die Befreiung von der Quellensteuer oder die Gewährung einer Steuervergünstigung, die der von der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Quellensteuer entspricht, für Deutschland zu Steuerausfällen führen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann aber die Verringerung von Steuereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses betrachtet werden, der zur Rechtfertigung einer grundsätzlich gegen eine Grundfreiheit verstoßenden Maßnahme angeführt werden kann (vgl. u. a. Urteil vom , Manninen, C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zweitens trägt die Bundesrepublik Deutschland vor, dass das System der Dividendenbesteuerung durch Gründe der Kohärenz des Steuersystems gerechtfertigt sei. Tatsächlich werde der mit § 8b KStG gewährte Steuervorteil durch einen Steuernachteil, nämlich die Besteuerung der Anteilseigner, ausgeglichen. Selbst wenn die Gewinne nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet würden, erfolge der zweite Besteuerungsschritt in Deutschland.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu wahren, eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann (Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann, C-204/90, Slg. 1992, I-249, Randnr. 28, Manninen, Randnr. 42, vom , Papillon, C-418/07, Slg. 1992, I-8947, Randnr. 43, und Glaxo Wellcome, Randnr. 77).
Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann jedoch nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss (vgl. Urteile Papillon, Randnr. 44, und Glaxo Wellcome, Randnr. 78).
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass im Rahmen der streitigen Steuervorschriften die Neutralisierung der Wirkungen der Quellensteuer, die auf die an eine gebietsansässige Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden erhoben wird, nicht von der doppelten Bedingung abhängig gemacht wird, dass sie von dieser weiterverteilt werden und dass ihre Besteuerung bei den Anteilseignern dieser Gesellschaft es ermöglicht, die wirtschaftliche Befreiung von der Quellensteuer auszugleichen.
Wie sich aus der in der Klagebeantwortung der Bundesrepublik Deutschland wiedergegebenen gesetzgeberischen Begründung der streitigen Steuervorschriften ergibt, besteht eines der Ziele des Teileinkünfteverfahrens darin, die Reinvestition betrieblicher Gewinne im Unternehmen zu fördern und dadurch die Innenfinanzierung der Unternehmen zu verbessern. Ein solches Teileinkünfteverfahren soll insbesondere den Verbleib der Gewinne in der Gesellschaft fördern und verhindern, dass sie in Form von Dividenden an die Anteilseigner ausgeschüttet werden.
Dadurch, dass der zweite Besteuerungsschritt erst erfolgt, wenn der Gewinn in Form von Dividenden an die Anteilseigner ausgeschüttet worden ist, macht das System die Akkumulierung der Gewinne innerhalb der Gesellschaft nämlich steuerlich vorteilhafter als ihre Ausschüttung an die Anteilseigner.
Soweit die Vermeidung des zweiten Besteuerungsschritts als mit dem Ziel des betreffenden Steuersystems, die Akkumulierung der Gewinne innerhalb der Empfängergesellschaft zulasten ihrer Ausschüttung an die Anteilseigner in Form von Dividenden zu fördern, in Einklang stehend angesehen werden kann, kann die Vergünstigung, die in einer Befreiung von der Quellensteuer auf die an eine gebietsansässige Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden besteht, nicht in allen Fällen als durch die Besteuerung dieser Gewinne als Einkünfte der Anteilseigner der Empfängergesellschaft ausgeglichen erachtet werden.
Dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass auch dann, wenn die Gewinne der Empfängergesellschaft nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet würden, der zweite Besteuerungsschnitt gleichwohl später erfolge, da es in der Zukunft zwangsläufig zu einem steuerbaren Vorgang kommen werde, kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann eine eventuelle aufgeschobene Besteuerung keine sofortige Befreiung von der Quellensteuer auf Dividenden rechtfertigen, die an gebietsansässige Empfängergesellschaften gezahlt werden.
Folglich besteht kein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne der in Randnr. 86 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zwischen der Befreiung von der Quellensteuer auf Dividenden, die an gebietsansässige Empfängergesellschaften gezahlt werden, und der Besteuerung dieser Dividenden, sei es als Einkünfte der Anteilseigner dieser Gesellschaften, sei es bei Gelegenheit eines eventuellen späteren steuerbaren Vorgangs.
Die sich aus den streitigen Steuervorschriften ergebende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs kann folglich nicht mit den von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten Gründen gerechtfertigt werden.
Nach alledem hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 Abs. 1 EG verstoßen, dass sie für den Fall, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/435 vorgesehene Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschüttet werden.
Zum Verstoß gegen Art. 40 des EWR-Abkommens
Eines der Hauptziele des EWR-Abkommens ist die möglichst umfassende Verwirklichung der Freizügigkeit und des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), so dass der innerhalb des Unionsgebiets verwirklichte Binnenmarkt auf die EFTA-Staaten ausgeweitet wird. Im Hinblick darauf dienen mehrere Bestimmungen des genannten Abkommens dazu, dessen möglichst einheitliche Auslegung im gesamten EWR sicherzustellen (vgl. Gutachten 1/92 vom , Slg. 1992, I-2821). In diesem Rahmen ist es Sache des Gerichtshofs, darüber zu wachen, dass die Vorschriften des EWR-Abkommens, die im Wesentlichen mit denen des Vertrags identisch sind, innerhalb der Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden (Urteile vom , Ospelt und Schlössle Weissenberg, C-452/01, Slg. 2003, I-9743, Randnr. 29, und Kommission/Italien, Randnr. 65).
Sind Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs zwischen Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des EWR-Abkommens anhand von Art. 40 und Anhang XII des EWR-Abkommens zu beurteilen, haben dessen Vorschriften folglich dieselbe rechtliche Tragweite wie die im Wesentlichen identischen Bestimmungen des Art. 56 EG (vgl. Urteile vom , Kommission/Niederlande, C-521/07, Slg. 2009, I-4873, Randnr. 33, und Kommission/Italien, Randnr. 66).
Wie in Randnr. 49 des vorliegenden Urteils festgestellt, unterliegen in Deutschland ansässige Empfängergesellschaften keiner steuerlichen Belastung durch die Quellensteuer auf Dividenden, die von ihren inländischen Tochtergesellschaften an sie ausgeschüttet werden.
In Bezug auf Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Island oder in Norwegen gezahlt werden, gilt die Quellensteuer nach deutschem Recht als endgültig erhoben.
Demzufolge und aus den gleichen Gründen, wie sie bei der Prüfung der Klage im Hinblick auf Art. 56 Abs. 1 EG dargelegt worden sind, ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 40 des EWR-Abkommens verstoßen hat, dass sie Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Island oder in Norwegen ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschüttet werden.
Kosten
Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 Abs. 1 EG verstoßen, dass sie für den Fall, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in der durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 geänderten Fassung vorgesehene Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschüttet werden.
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom verstoßen, dass sie Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Island oder in Norwegen ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschüttet werden.
3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
TAAAD-95597